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betrieb & gewerkschaft

10 Jahre Agenda 2010 und die Folgen für die Gewerkschaften

Jutta Krellmann

Der zehnte Jahrestag der Agenda 2010 liegt hinter uns. Die Festreden sind gehalten, die Sektgläser weggeräumt. Man hat sich gegenseitig auf die Schultern geklopft und war zufrieden.  Überall konnte man lesen: Deutschland verdankt der Agenda 2010 die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre. Aber dieses Argument verdient eine genauere Betrachtung.

Obwohl die Arbeitslosigkeit statistisch gefallen ist, wird heute in Deutschland nicht mehr Arbeit geleistet als vor der Agenda 2010 im Jahre 2003. Das Arbeitsvolumen, mit dem die gesellschaftlich geleisteten Arbeitsstunden gemessen werden, hat seitdem kaum zugenommen. Ein Teil der gesunkenen Arbeitslosenzahlen ist statistischen Tricks zu verdanken - ältere Erwerbslose oder Menschen, die sich in kurzfristigen Maßnahmen der Arbeitsagentur befinden  werden schlichtweg nicht mehr erfasst. 

Auch dort, wo Erwerbslose tatsächlich Arbeit gefunden haben, täuschen die scheinbar eindeutigen Zahlen der Arbeitslosenstatistik. Viele Vollzeitstellen wurden durch Teilzeitjobs und geringfügige Beschäftigung ersetzt. Arbeit wurde umverteilt, weg von regulären Beschäftigungsverhältnissen, hin zu Mini- und Midi-Jobs sowie atypischen Beschäftigungsformen.

In Deutschland ist in den letzten zehn Jahren ein beständig wachsender Niedriglohnsektor entstanden.  Dazu gehört auch der seit der Agenda 2010 stark wachsende Bereich der Leiharbeit. Die Folge: immer mehr Menschen verdienen trotz Arbeit so wenig, dass sie nur mit zusätzlicher staatlicher Unterstützung über die Runden kommen. Im letzten Jahr wurden  etwa 11 Milliarden Euro aus Steuermitteln ausgegeben, um Niedriglöhne zu bezuschussen. Ein „Jobwunder“ sieht anders aus!

Mit Hilfe des Niedriglohnsektors werden auch von den regulär Beschäftigten Zugeständnisse erpresst.  Die Architekten der Agenda 2010 haben genau diese Entwicklung von Anfang an als das entscheidende Mittel zur „Senkung der Arbeitskosten“ und „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit“ angesehen. Gerhard Schröder hat das 2005 offenherzig eingestanden, als er in Davos davon sprach, dass Rot-Grün mit der Agenda 2010 „einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut“ habe, „den es  in Europa gibt“. 

Der Hauptzweck der Agendapolitik bestand und besteht darin, Unternehmensgewinne auf Kosten der Beschäftigten zu erhöhen.  Der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Die Unternehmensgewinne sind dagegen gestiegen. Die Agenda 2010 war ein riesiges Programm zur Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums. 

Die Festveranstaltungen zum  10. Geburtstag der Agenda 2010 haben gezeigt: Die SPD will keinen Bruch mit der Politik Schröders. Sie fordert einige kosmetische Korrekturen und hält zugleich an der Logik der ungezügelten „Wettbewerbsfähigkeit“ fest. Das reicht nicht aus, um die gravierenden sozialen Folgen der Agenda 2010 zu beheben. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes muss rückgängig gemacht werden.

Im Wahljahr findet ein Richtungskampf in den Gewerkschaften statt: Manche Gewerkschafter wollen trotz der schlechten Erfahrungen von 2003 den Agendaparteien eine neue Chance zu geben. Andere wünschen sich eine politische Alternative. Hier muss sich die LINKE einmischen - als eine Kraft, die den Aufbau von sozialen Bewegungen unterstützt und das Bündnis mit ihnen sucht.

 

Jutta Krellmann MdB, Sprecherin für Arbeits- und Mitbestimmungspolitik der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag