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Zum Mitgliederentscheid bedingungsloses Grundeinkommen

Beschluss der ersten Tagung des Siebenten Parteitags (Digitalparteitag) vom 27. Februar 2021

1. Der Parteitag nimmt zur Kenntnis, dass die BAG Grundeinkommen die notwendigen Voraussetzungen für den beabsichtigten Mitgliederentscheid in unserer Partei zum Thema »Bedingungsloses Grundeinkommen« (BGE) erfüllt hat. Der Antragstext und seine Begründung finden sich hier: http://gleft.de/3EO.

2. Der Parteitag nimmt zur Kenntnis, dass der Parteivorstand an seiner Haltung zur Frage einer Positionierung unserer Partei zum BGE seit seinem Beschluss vom 30. Juni 2018 nichts geändert hat. Der Beschluss findet sich hier: http://gleft.de/3EN.

3. Der Parteitag nimmt zur Kenntnis, dass es nicht das Begehren des Parteivorstandes ist, einen Mitgliederentscheid über diese Frage durchzuführen, das Begehren der BAG Bedingungsloses Grundeinkommen, einen Mitgliederentscheid durchzuführen, jedoch die nach der Satzung der Partei notwendigen Voraussetzungen erfüllt und daher über den Wege der Unterschriftenabgabe herbeigeführt werden kann und dann noch im Jahr 2020 stattfinden müsste. Der Parteitag begrüßt es, dass Parteivorstand einerseits und BAG Bedingungsloses Grundeinkommen/die Vertrauenspersonen des angestrebten Mitgliederentscheides andererseits versucht haben, hinsichtlich des Zeitpunkts des Stattfindens dieses Mitgliederentscheides und der Organisation der dafür nötigen Debatte eine Übereinkunft erzielt haben. Der Parteitag nimmt zur Kenntnis, dass sich der Parteivorstand den Inhalt des Antrags für einen solchen Mitgliederentscheid, die Aufnahme eines emanzipatorischen bedingungslosen Grundeinkommens in die Parteiprogrammatik, durch diese Vereinbarung politisch nicht zu eigen macht.

4. Der Parteitag beschließt daher, einen Mitgliederentscheid nach §8 Abs. 2 Nr. d) einzuleiten.

  1. Der abzustimmende Text für diesen Mitgliederentscheid nach §2 Abs. 2 Nr. a) der Ordnung für Mitgliederentscheide lautet: »Die Partei DIE LINKE nimmt ein emanzipatorisches bedingungsloses Grundeinkommen, wie es beispielsweise die BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE vorschlägt, in ihre politische Programmatik auf. Sie lehnt neoliberale Grundeinkommensmodelle ab. Dazu wird der Parteivorstand aufgefordert, dem Bundesparteitag bis spätestens ein Jahr nach Abschluss dieses Mitgliederentscheides eine entsprechende Änderung des Parteiprogramms zur Einarbeitung eines linken bedingungslosen Grundeinkommenskonzeptes vorzuschlagen. Nach positiver Entscheidung des Parteitages soll der Parteivorstand auch in den Entwurf des Wahlprogrammes zur nächstfolgenden Bundestagswahl die Forderung nach einem linken bedingungslosen Grundeinkommen aufnehmen.«
  2. Der folgenden Text ist die im Mitgliederentscheid abzudruckende Begründung nach §2 Abs. 2 Nr. b) der Ordnung für Mitgliederentscheide: »Die folgende Begründung ist die Begründung der Bundesarbeitsgemeinschaft Bedingungsloses Grundeinkommen, die diesen Mitgliederentscheid ursprünglich angestrebt hat und für ein »Ja« wirbt. Die Stellungnahme des Parteivorstandes findet sich auf einem anderen Blatt.

»Das Recht eines jeden Menschen auf soziale Sicherheit und Schutz der Existenz gehört zu den Kerngedanken der Menschenrechte. Dieses Recht war und ist Ziel des Kampfes ganzer Generationen von Sozialistinnen und Sozialisten. Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) bringt uns der Verwirklichung dieser Ideale spürbar näher.

Das BGE ist ein Einkommen, das eine politische Gemeinschaft bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt. Es soll die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Gegenleistungen garantiert werden.

Mit der Befriedigung der Grundbedürfnisse aller ebnen wir den Weg, die Arbeitszeit zu verkürzen, sich weiterzubilden, ein Unternehmen zu gründen, sich der Familie zu widmen oder sich verstärkt im Ehrenamt zu engagieren – ohne unter die Armutsgrenze zu rutschen.

Die BAG Grundeinkommen hat ein bis ins Detail ausgefeiltes Finanzierungskonzept erarbeitet, das wissenschaftlichen Kriterien entspricht und regelmäßig aktualisiert wird – nachzulesen auf www.die-linke-grundeinkommen.de.

So ein emanzipatorisches BGE schließt den Abbau des Sozialstaates aus. Renten-, Kranken-, Pflege- und Erwerbslosenversicherung sollen erhalten und gemäß dem Programm unserer Partei umgebaut werden. Der Mindestlohn soll weiter erhöht werden. Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften erhielten mit dem BGE ein probates Druckmittel für ihre Tarifverhandlungen. Ein linkes BGE wäre ein mächtiges Instrument der Umverteilung von oben nach unten.

Kinder wären abgesichert – Kinderarmut wäre besiegt. Ältere würden neben dem BGE ihre individuelle Rente beziehen – Altersarmut wäre abgeschafft! Jüngere könnten endlich ohne Druck nach einer passenden Erwerbsarbeit suchen – Existenzangst wäre passé.

Unser Parteiprogramm sieht bisher eine sanktionsfreie Grundsicherung vor. Das ist zwar besser als die momentane Situation, bleibt aber auf halbem Weg stecken: Denn die Grundsicherung wäre weiterhin bedürftigkeitsgeprüft; Anspruchsberechtigte müssten sich auch in Zukunft den Schikanen der Sozialbürokratie aussetzen. Zudem wäre der gesellschaftliche Spalt zwischen Transfergeldbeziehenden und Erwerbstätigen nicht gekittet.

Ob Grundsicherung oder Grundeinkommen – beides braucht harte Kämpfe. Warum nicht gleich für die gerechtere und unbürokratischere Lösung streiten?

Das BGE ist längst in der öffentlichen Diskussion angekommen und wird auf Grund der technischen Entwicklung ein zunehmend wichtiges Thema sein. DIE LINKE sollte mutig den großen sozialpolitischen Wandel anführen: mit einem emanzipatorischen BGE hin zum sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft und zum demokratischen Sozialismus!«

Der Parteivorstand wird seiner 3 000-Zeichen-Begründung folgenden Disclaimer voranstellen, der auch mit zur Zeichenzahl zählt: »Die folgende Stellungnahme ist die Stellungnahme des Parteivorstandes, der diesen Mitgliederdentscheid ursprünglich nicht angestrebt hat. Die Stellungnahme (Begründung) der Bundesarbeitsgemeinschaft findet sich auf einem anderen Blatt.«

Der Parteivorstand plädiert für ein NEIN, gegen das Begehren des Mitgliederentscheides, DIE LINKE auf die Forderung eines bedingungslosen Grundeinkommens festzulegen. In unserem Grundsatzprogramm, das wir auf dem Erfurter Parteitag 2011 beschlossen und in einem Mitgliederentscheid mit 96 Prozent bestätigt haben, fordert DIE LINKE:

  • ein Recht auf gute, existenzsichernde Arbeit, kürzere und geschlechtergerechte Verteilung der Arbeitszeit in einem neuen Normalarbeitsverhältnis;
  • eine armutsfeste Mindestsicherung für alle, ohne Sperrzeiten oder andere Sanktionen;
  • eine armutsfeste solidarische gesetzliche Rente einschließlich einer solidarischen Mindestrente;
  • eine solidarische Gesundheits- und Pflegevollversicherung, in die alle einzahlen und daraus abgesichert sind;
  • einen sozial-ökologischen Umbau, der Einstiege und Übergänge für eine demokratische sozialistische Wirtschaftsordnung schafft.

Weiter stellt das Programm fest: »Teile der LINKEN vertreten darüber hinaus das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, um das Recht auf eine gesicherte Existenz und gesellschaftliche Teilhabe jedes Einzelnen von der Erwerbsarbeit zu entkoppeln. Dieses Konzept wird in der Partei kontrovers diskutiert. Diese Diskussion wollen wir weiterführen.« Der Bundesparteitag 2015 hat mit wenigen Gegenstimmen in dem Beschluss »DIE LINKE und das Bedingungslose Grundeinkommen« festgestellt: »Es wird innerhalb der Partei DIE LINKE und unter ihren WählerInnen auch in absehbarer Zukunft sowohl BefürworterInnen wie GegnerInnen eines Bedingungslosen Grundeinkommens geben. (…) Jede Form von Entscheidung in dieser Frage (…) in der einen oder anderen Richtung würde jeweils Teile der Partei und ihrer sozialen Basis von der LINKEN abstoßen.«

Daran hat sich nichts geändert. Die Vorstellungen der BAG Grundeinkommen zur Finanzierung und den Wirkungen ihres Konzepts werden von vielen in der Partei und der gesellschaftlichen Linken mit fundierten Gegenargumenten bestritten. Soziale Gerechtigkeit sei bedarfsorientiert und durch öffentliche Dienstleistungen zu erreichen. Das Grundeinkommens-Konzept schaffe neue Ungerechtigkeiten und Kombilohneffekte, schwäche gewerkschaftliche Kämpfe, sei zudem nicht durch- und umsetzbar. Es stehe im Widerspruch zu breit getragenen Forderungen der LINKEN, die wir gemeinsam mit vielen Bündnispartnern in Gewerkschaften, Sozialverbänden und weiteren Akteur*innen der Zivilgesellschaft vertreten. Dafür haben wir fundierte Finanzierungskonzepte durch eine gerechte Steuer- und Sozialpolitik der Umverteilung von oben nach unten.

Eine Festlegung der LINKEN auf die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen würde unsere Politikfähigkeit in den konkreten Auseinandersetzungen, in Bündnissen und Bewegungen ebenso gefährden wie die notwendige Pluralität und Breite der LINKEN.

  1. Der Antrag des Parteivorstandes wird folgende Personen als für den Mitgliederentscheid verantwortliche Vertrauenspersonen nach §2 Abs. 2 Nr. c der Ordnung für Mitgliederentscheide benennen:
  • Halina Wawzyniak,
  • Tilman Loos,
  • Stefan Wolf,
  • den/die Bundesgeschäftsführer*in,
  • Lydia Krüger.

Abweichend von §2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 der Ordnung für Mitgliederentscheide werden die Vertrauenspersonen beauftragt und gebeten, ihre Entscheidungen mit der Mehrheit von 4/5 der Vertrauenspersonen zu treffen.

  1. Parteivorstand und benannte Vertrauenspersonen werden beauftragt, das terminliche Stattfinden des Mitgliederentscheides nach §4 Abs. 2 Satz 2 der Ordnung für Mitgliederentscheide auf einen Termin nach der Bundestagswahl 2021, spätestens jedoch ein Jahr danach, zu vereinbaren.

5. Der Bundesparteitag beauftragt den Parteivorstand damit, zur Entscheidungsfrage des Mitgliederentscheides geeignete parteiöffentliche Foren der Diskussion schaffen, in der sowohl Pro- als auch Contra-Positionen angemessen vertreten sind, etwa durch Parteikonferenzen und politische Materialien. Der Parteivorstand wird beauftragt, für diese innerparteiliche Diskussion bis zum Mitgliederentscheid ein Konzept zu erarbeiten und Materialien zu verbreiten, die gewährleisten, dass gleichgewichtig Pro- und Contra Positionen und Argumente vorgebracht und zur Kenntnis genommen werden können.

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