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Magdeburger Parteitag

Beschlüsse und Resolutionen

Magdeburger Parteitag

Für Demokratie und Solidarität! Gegen den Rechtsruck!

Beschluss der 1. Tagung des 5. Parteitages der Partei DIE LINKE am 28. und 29. Mai 2016 in Magdeburg

"Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!" Clara Zetkin

Die Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Solidarität, die Fundamente sowohl der Aufklärung als auch der Demokratie, sind in Europa bedroht wie nie zuvor. Auch die Bundesrepublik steht am Scheideweg. Rückt sie politisch weiter nach rechts, werden die demokratischen und humanistischen Grundlagen der Gesellschaft weiter abgebaut, dann droht eine Entwicklung wie in Ungarn und Polen, Dänemark und Frankreich. Als LINKE setzen wir dem unsere Vision einer offenen, menschlichen und egalitären Gesellschaft entgegen, gegen die Positionen des rechten Kulturkampfes streiten wir für eine solidarische Alternative.

Wie zu Beginn der 1990er Jahre kommt es zu einer Welle rechter Gewalt gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte. Handelte es sich damals vorwiegend um Aktionen aus der extremen Rechten, gab es nur in Ausnahmefällen (Rostock, Hoyerswerda) Beifall oder gar Unterstützung aus der Bevölkerung, hat der heutige Rassismus in Wort und Tat in der Bundesrepublik bisher ungekannte Dimensionen angenommen. In Teilen des Landes herrscht eine Pogromstimmung gegen Geflüchtete, nahezu täglich brennen Unterkünfte.

Anders als damals müssen wir von einer "sozialen Bewegung von rechts" sprechen. Diese hat sowohl mit der AfD, NPD und anderen einen parlamentarischen Arm als auch mit PEGIDA & Co. einen außerparlamentarischen. Rassismus, antidemokratisches Denken und Ungleichheitsideologien sind offenkundig keine Erscheinungen allein am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Den Marsch nach rechts blockieren!

Woche für Woche jubeln tausende Menschen den rassistischen Reden bei PEGIDA und Co. an zahlreichen Orten zu. Bürgerinitiativen gegen Unterkünfte von Geflüchteten schießen wie Pilze aus dem Boden. Bürgerwehren unter Beteiligung von Neonazis sind keine Seltenheit mehr. Angriffe auf Andersdenkende und Medienvertreterinnen und -verterter häufen sich. Die AfD versucht, sich teils auch mit rassistischen Straßenmobilisierungen an die Spitze dieser Bewegung zu setzen. Sie plädiert für einen Schießbefehl an deutschen Grenzen, um Schutz suchende Menschen mit Waffengewalt zu stoppen. Die Zahl der einschlägigen Straftaten explodiert geradezu, nur ein Bruchteil davon wird aufgeklärt. Es gibt immer mehr Angriffe auf Genossinnen und Genossen, auf alternative und linke Jugendliche und Büros der LINKEN, SPD und Grünen. Gleichzeitig sind Geflüchtete und deren Unterstützerinnen und Unterstützern bevorzugtes Ziel rassistisch motivierter Gewalttaten.

Rassistische und neofaschistische Gewalt werden von Regierung, Behörden und Justiz wie in Sachsen und anderswo seit Jahren relativiert. Die Polizei erweist sich oft eher als Teil des Problems. Es stellt sich die Frage nach der Rechtslastigkeit des Polizeiapparates selbst und der Sympathie von Teilen der Polizei mit den Angriffen auf Unterkünfte der Geflüchteten und deren Unterstützerinnen und Unterstützer. Wenn Unterkünfte von Geflüchteten in Brand gesetzt werden, wenn Menschen, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror suchen, Angst um ihr Leben haben müssen, dann zeigt sich eine Pogromstimmung. Zudem bewegen sich rassistische Bürgerwehren und Mobilisierungen in Richtung rechtsterroristischer Strukturen, wie die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft in Freital zeigen. In einem ähnlichen gesellschaftlichen Umfeld entstand in den 1990er der NSU und organisierte sein Netzwerk, um sich dann mordend durch die Republik zu bewegen. Wir finden heute wieder mögliche Quellen eines Rechtsterrorismus im Untergrund vor. Verantwortungsvolles Regieren würde rechtsterroristische Strukturen bekämpfen. Stattdessen bei der Bundesregierung: kein Plan und kaum Willen, rechter Gewalt wirksam entgegenzutreten.

Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ein Teil der Medien verweisen immer wieder darauf, dass man Verständnis für die Sorgen und Ängste der rassistisch Protestierenden aufbringen und den Dialog mit ihnen suchen müsse. Die Sorgen, Ängste und Nöte jener, die von Rassisten und Nazis bedroht und angegriffen werden, spielen in der öffentlichen Debatte eine weitaus geringere Rolle. Die Anwendung der Extremismus-Doktrin stellt antifaschistisch und antirassistisch engagierte Menschen selbst unter Extremismus-Verdacht.

Im Bereich der extremen Rechten entwickelt sich die AfD neben NPD und neuen Neonazi-Parteien wie DIE RECHTE und Der III. Weg zur stärksten politischen Kraft. Sie profitiert von den derzeitigen Entwicklungen am stärksten, da sie zu lange als lediglich "eurokritische" Kraft verharmlost wurde. Inzwischen wird sie von jenen Kräften bestimmt, die sie systematisch zu einer rassistischen, völkischen, menschenfeindlichen, nationalistischen, antidemokratischen, antifeministischen und homophoben Partei geformt haben. Diese Partei der extremen Rechten darf nicht zur Normalität in Parlamenten, Medien und Gesellschaft werden. Die AfD steht für die Demontage von Demokratie, nicht für eine demokratische Alternative.

Sie stigmatisiert und bedroht eine ganze Religionsgemeinschaft und stellt ihr Recht auf freie Religionsausübung in Frage. Muslime, die hier leben, und Menschen, die vor Krieg, Folter und Elend nach Deutschland fliehen, macht die AfD zu Sündenböcken. Mit ihrer Hetze gegen den Islam und Aufforderungen zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze betreibt die AfD geistige Brandstiftung für rassistische Gewalttaten. Nicht Flüchtlinge, Minarette, Muezzin-Rufe oder Schleier bedrohen ein friedliches Zusammenleben in Deutschland, sondern soziale Ungerechtigkeit, Rassismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit gegen Minderheiten. Die AfD hetzt gegen eine offene, solidarische und plurale Gesellschaft. Es ist kein Zufall, dass sich die AfD in ihrem Grundsatzprogramm gegen die Errungenschaften der "Nach-68er" Epoche richtet.

Sie hat ausschließlich reaktionäre Antworten auf die gesellschaftlichen Probleme des Landes. Sie steht für neoliberale, marktradikale, sozialstaats- und gewerkschaftsfeindliche Positionen. Wer den Rechten hinterherläuft, muss wissen: Mit ihnen wird es niemandem besser gehen. Im Gegenteil: Rassismus bedeutet Entsolidarisierung, spaltet und schwächt sozialen Widerstand. Wer arm ist, bleibt arm, keine Rente wird höher, keine Arbeit sicherer sein, die AfD will die Arbeitslosenversicherung massiv schleifen. Reiche haben nichts zu befürchten, die AfD ist eine Vermögensverwalterin der Reichen, die Erbschaftssteuer will sie abschaffen. Anstatt die sozialen Ungerechtigkeiten in diesem Land anzugreifen, nach oben zu schauen und die Reichen zur Kasse zu bitten, werden Sündenböcke geliefert und es wird nach unten getreten: gegen Geflüchtete, Muslime und Erwerbslose. Und gegen Frauen: Das wissen viele. Erheblich weniger Frauen als Männer haben die AfD gewählt, deren antifeministisches Familien- und Geschlechterbild aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Bundesregierung spaltet die Gesellschaft: Anti-Asyl-Pakete sind Siege des rassistischen Mobs

Das Agieren der Großen Koalition in ihrer Flüchtlings-, Integrations-, Infrastruktur- und Sozialpolitik führt dazu, dass Konflikte und Spaltungen in der Gesellschaft immer weiter zunehmen. Gesellschaftliche Gruppen werden gegeneinander ausgespielt und in Konkurrenz um Arbeitsplätze, Löhne, Wohnungen und Sozialleistungen gesetzt. Die Bundesregierung sieht es nicht als ihren Auftrag an, die Gesellschaft sozial zusammenzuhalten, in öffentliche Infrastruktur und Soziales zu investieren, bezahlbare Wohnungen zu bauen und leerstehende zur Verfügung zu stellen, für ausreichend Personal zu sorgen, Kommunen zu entlasten und auskömmliche Sozialleistungen zu garantieren, geschweige denn auszubauen, um Konflikte in der Gesellschaft abzubauen. Die Bundesregierung ist in erster Linie Sachwalterin von Kapitalinteressen.

Die politischen Koordinaten werden von der Bundesregierung wöchentlich nach rechts verschoben. Wer vorgibt, Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen und dann rechten Forderungen hinterherläuft, macht nichts anderes, als den Hetzern und Rassisten Recht zu geben. Was oft vergessen wird: Die Anti-Asylpakete I und II sind die andere Seite der Politik von Merkel. Auch die Grünen haben den Asylpaketen im Bundesrat zugestimmt. Dabei hätte eine Ablehnung der Grünen die Asylpakete im Bundesrat stoppen können. Merkel und Kretschmann schränken Grundrechte ein. Ja, wir hatten begrüßt, dass sich die Bundeskanzlerin der von der CSU und weiten Teilen der CDU geforderten Grenzschließung verweigert hatte. Aber mit dem Türkei-Deal hat sie diese Position obsolet werden lassen. Wir sagen NEIN zu der Politik der Bundesregierung, die die Flüchtlingssituation dazu nutzt, fundamentale Rechte wie das Asylrecht massiv einzuschränken. Es ist diese Politik von Merkel und Gabriel, die erheblichen Anteil daran hat, dass das Land nach rechts abdriftet. Es ist offensichtlich, dass CDU, CSU und SPD nichts aus den 1990er Jahren gelernt haben. Bereits damals befeuerte die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl und die Debatte darum rassistische Gewalt. U.a. die Toten in Mölln, Solingen und Lübeck wie die Entstehung des NSU waren auch Ergebnis der Anti-Asylpolitik dieser drei Parteien und der FDP. Die PDS stand damals mit B90/Grünen zum Grundrecht auf Asyl.

DIE LINKE hat geschlossen gegen die Anti-Asyl-Pakete im Bundestag gestimmt. Diese Gesetze lösen kein einziges Integrationsproblem, sie sind inhuman, menschenrechtswidrig und vergiften das gesellschaftliche Klima immer weiter, der rechte Mob darf sich regelrecht ermutigt fühlen. Die Union feiert sich für das "schärfste Asylrecht aller Zeiten". Teile von ihr befinden sich in einem Überbietungswettbewerb mit den Rechten. Bis auf eine kleine Minderheit trägt auch die SPD diesen Kurs mit. Die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass dieser Wettbewerb regelmäßig zugunsten der Rechtspopulisten ausgeht. Wenn beide so genannten Volksparteien so deutlich nach rechts rücken, verschiebt sich das gesamte gesellschaftliche Kräfteverhältnis in die falsche Richtung.

Wir stellen uns als LINKE dem rechten Mob entgegen - AfD, PEGIDA und die gesamte extreme Rechte müssen gestoppt werden! Und gleichzeitig müssen wir der Mehrheit der Bevölkerung demokratische, humane und soziale Antworten auf ihre Fragen geben. Genau diese liefern Union und SPD nicht. Das Gegenteil geschieht: Durch deren politischen Rechtsruck droht auch die Gesellschaft immer weiter nach rechts zu rutschen. Im Gegensatz zu den Mitgliedern der Partei DIE LINKE haben Union und SPD niemals auf jene Millionen in der Bundesrepublik gesetzt, die seit Monaten freiwillige Arbeit für die Flüchtlinge und deren Integration leisten; Rücksicht genommen haben sie vielmehr immer auf jene, denen so lange eingeredet wurde, dass man ihre Ängste ernst nehme, bis sie begannen, wirklich Ängste zu haben. Wir müssen auf der Seite der Armen, der prekär Beschäftigten und der verunsicherten Mittelschicht stehen, ohne zu spalten, ohne auf die nationale Karte zu setzen. Wir sind nicht Teil des Merkel-Lagers, wir stehen gegen Neoliberalismus wie gegen Rechtspopulismus.

Das gesellschaftliche Lager der Solidarität gibt es noch nicht. Aber es gibt die vielen Menschen, die für bessere Arbeitsbedingungen und bezahlbare Mieten, gegen prekäre Arbeit und die Gängelung in den Jobcentern kämpfen. Die sich gegen rechte Gewalt, Rassismus und in der Unterstützung von Geflüchteten engagieren. Es gibt die vielen Menschen, die durch den reaktionären Kulturkampf der AfD gegen Feminismus, Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Selbstbestimmung in ihrer Lebensweise bedroht werden. Es gibt die vielen Menschen, die sich um den Zustand von Demokratie, Bürger- und Menschenrechten in Europa sorgen. Die sich für Klimagerechtigkeit und einen gerechten Welthandel engagieren. Und es gibt die Millionen Menschen, die sich über die Bereicherung weniger auf Kosten der Mehrheit empören. Diese Vielen können das "Lager der Solidarität" bilden, wenn sie ihr Gemeinsames finden.

Nationalismus und Rechtsruck in Europa

Die Europäische Union steckt in einer tiefen Krise. Zentrale Versprechen europäischer Integration und gesellschaftliche Errungenschaften durch soziale Kämpfe stehen auf dem Spiel: Demokratie, Sozialstaat, Humanität und Freizügigkeit. Profit- und Wettbewerbsinteressen sowie innenpolitische Interessen und Nationalismus beherrschen die europäische Politik. Seit Jahren erleben wir ein Erstarken rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen in Europa. Lange Zeit galten sie als Randphänomen europäischer Gesellschaften, nun treiben sie Regierungen vor sich her wie in Dänemark, Frankreich, teils in Deutschland, sind an Regierungen beteiligt wie in Finnland oder führen sie sogar an wie in Polen oder Ungarn. Dort sind sie inzwischen dabei, lupenreine Autokratien zu errichten. Dafür drehen sie Verfassung, Justiz und Medien auf rechts. Europa und die EU scheinen gegen diese Entwicklung machtlos, europäische Konservative applaudieren sogar und die CSU lädt Orbán, dessen Fidesz-Partei durch die Mitgliedschaft in der "Europäischen Volkspartei" Schwesterpartei von CDU und CSU ist, zur Klausur.

Europa rutscht nach rechts weg und der Nationalismus kehrt zurück. Es ist eine Bankrotterklärung der Europäischen Union, aber vor allem ihrer Mitglieder, dass seit Jahren Menschen täglich im Mittelmeer ertrinken. Mit einer gemeinsamen solidarischen Flüchtlingspolitik wäre die Aufnahme der Geflüchteten auf einem Kontinent mit mehr als 500 Millionen Menschen ohne weiteres leistbar. Das ist Europas humanitäre Schutzverantwortung. Stattdessen reagieren die Staaten mit Stacheldraht und nationaler Abschottungspolitik, Grenzen werden geschlossen, Grundwerte wie Freizügigkeit aufgehoben und neue Mauern um die Festung Europa errichtet. Das ist nicht das Europa, das wir wollen! Die Europäische Union, die wir wollen, verfolgt eine Politik der offenen Grenzen, unternimmt alle Anstrengungen, Geflüchtete zu integrieren, verteidigt die Freizügigkeit und verzichtet auf die Festung Europa. DIE LINKE steht für eine Europäische Union ohne Stacheldraht und Mauern!

Wir fordern: Die Balkanroute muss wieder geöffnet werden! Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Elend fliehen müssen, dürfen nicht wieder auf die tödliche Mittelmeerroute gelenkt werden! Geflüchtete dürfen weder in Massenlagern in Griechenland festgehalten, noch in die Türkei abgeschoben werden, von wo sie in vielen Fällen weiter abgeschoben werden in die Länder, aus denen sie geflüchtet sind! Autoritäre Regierungen dürfen nicht zu Partnern in einem menschenrechtswidrigen Pakt gemacht werden, der Grenzschließung mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit belohnt!

Die EU wird bei vielen Menschen in Europa nicht als Hoffnung, sondern als Bedrohung wahrgenommen. Die Wahlbeteiligungen sinken auf Tiefststände und es ist von einer tiefen Legitimationskrise der EU selbst bei den Eliten der EU die Rede. Niemand entwickelt zurzeit ernsthaft eine Perspektive, mit der die EU aus dieser Krise wieder herauskommen kann. Das ist der Nährboden für den neuen Aufschwung von rechtspopulistischen und nationalistischen, bis hin zu neo-faschistischen Parteien und Bewegungen fast überall in Europa. Links sein muss heute heißen: Ein neuer Internationalismus, eine neue politische Internationale und ein sozialistisches Europa von unten. Das wäre auch ein schönes Aufgreifen des Erbes von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, deren Namen sich die Einrichtungen der LINKEN gegeben haben.

Autoritäre Politik befördert Renationalisierung und rechte Parteien

Für die inhumane, unverantwortliche Haltung vieler Mitgliedstaaten der EU in der Flüchtlingspolitik und für den Rassismus der europäischen Rechten gibt es keine Entschuldigung. Und der Aufstieg der Rechtspopulisten, z.B. mit dem Front National und der FPÖ, ist seit Jahrzehnten zu beobachten. Aber der derzeitige autoritäre Rechtsruck in Europa ist ohne die autoritäre Politik des Sozialabbaus, der Militarisierung und der Entdemokratisierung in der Krise nicht erklärbar. Von Anfang an wurden in der Europäischen Union die Freiheiten des Binnenmarktes denen der Menschen vorzogen: Wettbewerb und Standortkonkurrenz statt soziale Standards und gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Europa. Die spätestens seit 2010 maßgeblich von Deutschland vorangetriebene Kürzungspolitik brachte eine neue Dimension neoliberaler Umgestaltung. Sozialstaat, Demokratie und individuelle Freiheit wurden Bankenrettungen, sogenannten Strukturanpassungen und Kürzungen bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen geopfert – nicht nur in den Krisenländern, in fast allen EU-Staaten. Wir haben es mit einem zunehmend autoritären neoliberalen Kapitalismus zu tun, der die Konzentration der Vermögen und der Macht bei einer kleinen Minderheit weiter vorantreibt. Im Mittelpunkt stehen die Interessen des international orientierten Kapitals. TTIP, CETA, TISA und Co. sind darauf gerichtet, das neoliberale Regime international weiter zu zementieren und möglichst unumkehrbar zu machen. Gleichzeitig führt Deutschland mit immer neuen Rekordüberschüssen beim Export und dem durch die Hartz-Gesetzgebung geschaffenen Niedriglohnsektor einen ruinösen Wettbewerb, der die Euro-Zone spaltet. Der gesellschaftliche Nährboden - von Armut, Erwerbslosigkeit und Perspektivlosigkeit bei gleichzeitiger Zunahme des gesellschaftlichen Reichtums in Europa, von stetig wachsender Intransparenz und Lobbyismus in der Politik, von Entmachtung demokratischer Gremien – ist für antidemokratische Bewegungen immer weiter gewachsen.

Diese Krisenpolitik war und ist nicht nur unsozial und ökonomisch falsch, sondern hat den Kontinent auch politisch gespalten und renationalisiert. "In Europa wird wieder deutsch gesprochen", sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Kauder 2011. Leitbild der regierenden Krisenpolitik ist kein europäisches Deutschland, sondern ein deutsches Europa, das von Berlin aus regiert werden soll. Keine deutsche Bundesregierung vor Merkel/Gabriel hat ihre Europa-Politik so rücksichtslos an den Interessen des deutschen und europäischen Groß- und Finanzkapitals ausgerichtet. Unter dem Austeritätsregime sind Grundregeln europäischer Integration außer Kraft: der politische Kompromiss und die Achtung des demokratischen Willens in den Staaten. Beispiellos in der Geschichte der EU war die staatsstreichmäßige Erpressung der griechischen Regierung im Sommer 2015. Dies war eine dramatische politische Fehlentscheidung der Großen Koalition! Eine Entscheidung ganz im Sinne der deutschen Vorherrschaft in der EU. Diese Politik von Merkel, Schäuble und Gabriel hat Vertrauen zerstört und den anderen EU-Mitgliedstaaten gezeigt, wie es auch ihnen ergehen kann. Sie hat Bevölkerungen gegeneinander gestellt und das politische Klima in der EU nachhaltig vergiftet, was sich in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um eine gemeinsame Flüchtlingspolitik bitter zeigt.

Wer wie die Bundesregierung europäische Solidarität jahrelang den Interessen der Finanzmärkte unterordnet, wer wie die Bundesregierung die europäische Idee von Sozialstaatlichkeit und Demokratie so missachtet, kann sich nicht im nächsten Moment auf Solidarität und die europäische Idee berufen. Wenn die europäische Einigung scheitert, steht dafür auch der Name von Angela Merkel. Nicht wegen ihrer bemerkenswerten Initiative, Geflüchtete aufzunehmen, sondern wegen der Politik der Entdemokratisierung und Austerität, mit der die von ihr geführte CDU/CSU/SPD-Koalition einen europapolitischen Scherbenhaufen hinterlassen hat.

DIE LINKE wird alles daran setzen, die gescheiterte Austeritätspolitik der großen Koalition zu beenden, die Troika-Diktate, vor allem für Griechenland, zu stoppen und ein europäisches Investitionsprogramm zu initiieren. DIE LINKE wird alle Anstrengungen unternehmen, um eine Wende hin zu einer solidarischen europäischen Flüchtlingspolitik zu erreichen. Dies alles, um ein Scheitern der Europäischen Union zu verhindern. Diese EU ist unsozial, undemokratisch und militaristisch. DIE LINKE kämpft gemeinsam an der Seite von Linksparteien in Europa, sozialen Bewegungen und Gewerkschaften gegen die Politik der Bundesregierung in Europa und für: Stopp der Troika-Diktate, für ein europaweites milliardenschweres Investitionsprogramm, Abschaffung von Frontex, ein Bleiberecht für alle, Abzug der Bundeswehr und aller europäischen Truppen aus allen Auslandseinsätzen.

Krise der Demokratie und die Gefahr von rechts

Der Zulauf der Rechtspopulisten hängt ganz zentral mit der Krise der Demokratie zusammen – in Europa und hierzulande. "Wir werden Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist, also dass sich auf den Märkten die entsprechenden Signale ergeben." Das ist das Demokratieverständnis der Bundeskanzlerin. Sie will eine marktkonforme Demokratie, das Primat der Politik gibt die Bundesregierung ab. Das Vertrauen der Märkte, nicht das der Bürgerinnen und Bürger, ist ihr Maßstab. Politik soll sich selbst disziplinieren: überall, in Europa, auf Bundesebene, in Ländern und Kommunen. Wenn immer weiter Demokratie abgebaut wird und die Rechten damit Politik machen, stellt DIE LINKE die Demokratiefrage – auf allen Ebenen:

Banken wurden gerettet – überall in Europa, Gewinne privatisiert und die Verluste der Gesellschaft übertragen, die Bankenkrise zur Staatsschuldenkrise erklärt und Kredite vergeben, deren Auflagen sozial und ökonomisch schweren Schaden in den Ländern anrichten. Die Austeritätspolitik - von Konservativen und Sozialdemokraten durchgesetzt - nimmt keine Rücksicht: schon gar nicht auf Demokratie und den Willen der Bevölkerungen. Auch nicht auf das europäische Parlament, das in der Krise weiter geschwächt wurde. Eine demokratische EU in den Händen der Europäerinnen und Europäer ist weiter entfernt denn je. Wer derzeit an die EU denkt, denkt nicht an Demokratie.

Demokratische Beteiligung der Bevölkerung statt marktkonformer Demokratie

Hierzulande wurde die Schuldenbremse eingeführt, die real als Investitionsbremse wirkt, und eine Politik der schwarzen Null gemacht, beides als alternativlos dargestellt. Beides ist nicht nur sozial und ökonomisch falsch, sondern beschädigt auch die Demokratie. Sie verengen den Spielraum von Politik, Wahlen drohen an Bedeutung zu verlieren, wenn die Möglichkeiten eines politischen Richtungswechsels eingeschränkt werden. Oder wenn selbst parlamentarische Mehrheiten gar nicht mehr ausreichen, um eine Politik zu ändern. Das zerstört die Demokratie. Denn nicht die Politik der Alternativlosigkeit, sondern die Aussicht, dass es immer auch anders sein könnte, ist das Wesen von Demokratie.

Diese ist umso gefährdeter, wenn die Handlungsfähigkeit des Staates und der öffentlichen Infrastruktur in Frage steht, weil die öffentlichen Haushalte der Städte und Gemeinden chronisch unterfinanziert sind. Wenn dann weiter öffentliches Eigentum und Daseinsvorsorge privatisiert und aus den Händen der Bevölkerung genommen wird, wird die Substanz der Demokratie veräußert. Eine Demokratie, in der es etwas zu entscheiden gibt, sieht anders aus. Auf das öffentliche Eigentum in Hand der Kommunen erhöht sich der Druck. Die kommunale Ebene sichert aber weitere Säulen des Sozialstaats ab. Öffentliche Wohnungsunternehmen und Energieversorger ermöglichen der Bevölkerungen Einfluss auf die Versorgungsstrukturen der Grundbedürfnisse Wohnen und Energie zu nehmen. Deshalb kommt es darauf an öffentliches Eigentum zu stärken. Daher streiten wir für Rekommunalisierungen.

Mit Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TISA droht weiterer Demokratie-Abbau. Demokratie wird als Handelshemmnis betrachtet, wenn internationale Investoren gegen demokratische Gemeinwesen vor Sondergerichten klagen können, weil etwa eine Regierung den Arbeitsmarkt reguliert, Leiharbeit verbietet, den Mindestlohn anhebt, aus der Atomenergie aussteigt, Fracking verbietet oder den Verbraucherschutz stärkt und dadurch die Renditen sinken. Die Verträge werden vor der Öffentlichkeit geheim gehalten, Abgeordnete erhalten Einsicht als Gnadenrecht in einem Leseraum in Gabriels Ministerium, ohne über Inhalte etwas sagen zu dürfen. Parlamentarische Kontrolle und Transparenz werden ad absurdum geführt. TTIP, CETA, TISA müssen gestoppt werden! Sie sind ein fundamentaler Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat.

Mitbestimmung, Tarifverträge und Gewerkschaftsrechte wurden in den letzten Jahren geschwächt. Für viele Beschäftigte ist ihr Arbeitsplatz kein Ort, an dem mitbestimmt werden kann, oft herrscht das genaue Gegenteil. Auch das schwächt die politische Demokratie. DIE LINKE will die Wirtschaft demokratisieren: Demokratie darf nicht am Werkstor oder an der Bürotür enden.

Repräsentationslücke und soziale Erosion der Demokratie

Wer die Demokratie marktkonform macht, macht sie kaputt. Denn: Marktkonform ist gleich demokratiewidrig. Wer erlebt, dass es nichts zu entscheiden gibt, dass alle wichtigen Fragen schon vorentschieden und auf anderen Bühnen getroffen werden, zieht sich aus der Demokratie zurück. Seit Jahren schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in das politische System. Politischen Parteien wird generell kaum noch zugetraut, die Probleme der Gesellschaft zu lösen. Die Institutionen der repräsentativen Demokratie befinden sich in einer Krise. Wenn die Beteiligung an Wahlen – ob vor Ort in den Kommunen oder auf Landes- und Bundesebene – so gering ist, stehen Repräsentation und Legitimation zunehmend in Frage.

Dabei gibt es eine soziale Spaltung in der Demokratie: Diejenigen, die von sozialen Kürzungen und prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen besonders betroffen sind, gehen immer seltener zur Wahl, sie sind oft entmutigt von politischer Beteiligung. Andere, die in der Regel über ein gutes Einkommen verfügen, nehmen überdurchschnittlich an Wahlen teil.

Wenn die soziale Ungleichheit, die seit Jahren zunimmt, sich noch einmal verstärkt in politische Ungleichheit übersetzt, wird der Riss im repräsentativen System immer tiefer. Das ist auch ein Nährboden von antidemokratischen Positionen. Ohnmacht, Verdruss, Unzufriedenheit und Ängste vor sozialem Abstieg – vor allem in der seit Jahren schrumpfenden Mittelschicht - drohen dann von rechts aufgefangen zu werden. Für die Große Koalition ist dieses gravierende gesellschaftliche Problem nur eine Frage von längeren Öffnungszeiten der Wahllokale und der Möglichkeit der Stimmabgabe im Supermarkt. DIE LINKE hält dem entgegen, dass es um eine soziale Erosion geht, die die repräsentative Demokratie immer weiter aushöhlt und damit auch die Rechtsentwicklung begünstigt. Wir müssen dort ansetzen, wo die sozialen und politischen Voraussetzungen für gleichberechtigte Teilhabe an demokratischen Prozessen schwinden.

DIE LINKE will soziale Spaltung bekämpfen und Demokratie erneuern

Demokratisch legitimierte Gremien müssen wieder zum Zentrum politischer Debatten und Entscheidungen werden. Die wachsende Verlagerung wichtiger Entscheidungen raus aus den Parlamenten und rein in die Hinterzimmer entwertet Wahlen und schwächt die Identifikation von Bürgerinnen und Bürgern mit den demokratischen Institutionen. Eine zunehmende Wahlenthaltung liegt auch darin begründet.

Demokratie darf sich nicht nur in Wahlen erschöpfen. Ohne deutlich mehr direkten Einfluss von Bürgerinnen und Bürger auf politische Entscheidungen wird es nicht gehen. Die repräsentative Demokratie muss um die direkte Demokratie ergänzt werden. DIE LINKE fordert Volksentscheide auch auf Bundesebene, für alle seit fünf Jahren hier lebenden Menschen. Wir schlagen dafür eine dreistufige Volksgesetzgebung vor. Dort, wo in den Ländern und Kommunen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide stattfinden, gibt es mehr politische Debatten, sie politisieren die Gesellschaft.

Volksentscheide allein sind aber kein Allheilmittel gegen die Demokratie-Krise. Für uns als LINKE bleibt es ein gesellschaftliches Problem, wenn sich gerade Menschen in Armut und prekären Lebensverhältnissen zunehmend der Stimme enthalten und die Rechten mit Volksentscheiden Stimmung gegen Zuwanderung machen. Rechte Hetzer wollen nicht die Aushöhlung der Demokratie bekämpfen, sondern missbrauchen Plebiszite, um autoritäre Politik gegen Minderheiten durchzusetzen. Auch deshalb verbieten sich Volksentscheide gegen Grundrechte, z.B. das Asylrecht oder die Religionsfreiheit, oder gegen die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes.

Wir haben ein Problem mit Rassismus und Rechtspopulismus. Es an der Wurzel zu packen, heißt, die soziale Spaltung der Demokratie zu bekämpfen. Nur so können demokratische Institutionen wieder gestärkt werden. Immer mehr sind draußen, immer weniger gehören dazu. Das ist das Ergebnis jahrelanger Politik. Union und SPD schreiben zunehmend Menschen ab, die nicht mehr zur Wahl gehen. Das ist eine hochgefährliche Politik. Die Gründe für die immer weiter sinkende Wahlbeteiligung werden nur oberflächlich hinterfragt. Denn die unbequeme Antwort lautet, dass die Repräsentationslücke demokratisch nur geschlossen werden kann, wenn man eine Politik macht, die auch die Gerechtigkeitslücke in diesem Land schließt. Andernfalls droht sie antidemokratisch von rechts gefüllt zu werden.

Wir begreifen unsere Politik für soziale Gerechtigkeit und Umverteilung auch als ein Demokratieprogramm. Wenn die jüngere Generation heute die Rentenbescheide ihrer Eltern und Großeltern sieht, welche Zukunftsaussichten sieht sie dann für sich? Und welches Vertrauen in die Lösungskompetenz politischer Parteien soll dabei entstehen? 20 Jahre wurde ein schlanker Staat gepredigt und über zwei Millionen Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut, und dieselben dafür verantwortlichen Politikerinnen und Politiker kritisieren heute die für alle vorhersehbare staatliche Handlungsunfähigkeit: Es ist kein Wunder, dass sich so viele von der Politik abwenden.

Soziale Offensive für alle - jetzt!

Die Gesellschaft steht vor einer Zäsur. Die Konflikte spitzen sich immer weiter zu, das Land treibt auseinander. Erst recht, wenn die anderen Parteien nach rechts rücken, bleiben wir standhaft. DIE LINKE hält Kurs: Verlässlich für alle, die den Rechtsruck nicht mitmachen, die eine menschliche, weltoffene und gerechte Gesellschaft wollen. DIE LINKE bleibt die Partei der Willkommenskultur, die die Solidarität mit Geflüchteten mit dem Kampf gegen Armut und für den Ausbau des Öffentlichen verbindet. Wir sind eine starke linke politische Kraft gegen rechts – in den Parlamenten und auf der Straße. Ein wichtiges Mittel um Rassismus zu bekämpfen besteht für DIE LINKE im gemeinsamen Kampf von Migrantinnen und Migranten und dauerhaft hier lebenden Menschen für gute Bildung, Arbeit und günstigen Wohnraum für alle hier lebenden Menschen. Wie lassen uns nicht spalten, sondern sagen laut und deutlich: Obergrenzen für Reiche, nicht für Flüchtlinge! Millionärssteuer jetzt!

Seit Monaten wird über eine "Flüchtlingskrise" diskutiert, die in Wahrheit eine Krise der öffentlichen Infrastruktur und der sozialen Gerechtigkeit ist. Das Land ist nicht mit den Geflüchteten überfordert, sondern mit einer Bundesregierung, die die Gesellschaft spaltet und Kommunen und Länder im Stich lässt. Als Banken in Not waren, hat Merkel den Bürgerinnen und Bürgern die Spareinlagen garantiert. Heute wäre es das Mindeste, dass sie eine Sozialgarantie ausspricht statt es zuzulassen, dass die Schwachen gegen die Allerschwächsten auf dem Arbeitsmarkt, bei Löhnen, Wohnungen, Sozialleistungen und bei der Gesundheitsversorgung gegeneinander ausgespielt werden. Wir fordern von der Bundeskanzlerin eine eindeutige Aussage, dass keine Sozialleistungen abgebaut werden. Eine Garantie reicht heute aber nicht:

DIE LINKE fordert eine soziale Offensive für alle,

die Investitionsprogramme für öffentliche Infrastruktur und Integration auflegt, den Staat handlungsfähig macht mit mehr Personal im öffentlichen Dienst, bezahlbaren Wohnraum schafft, Armut bekämpft, Sozialstaat und Daseinsvorsorge stärkt, Kommunen und Länder entlastet, den gesetzlichen Mindestlohn ausnahmslos für alle auf zwölf Euro anhebt und endlich auch die Reichen und Steuerflüchtlinge ins Steuer- und Sozialversicherungssystem integriert. Geld ist genug da, aber völlig ungerecht verteilt. Uns ist bewusst, dass eine soziale Offensive nicht dafür sorgt, dass es auch nur eine Rassistin oder einen Rassisten weniger in Deutschland gibt! Eine soziale Offensive ist ein erster notwendiger Schritt, um die soziale Schieflage zu beseitigen und Gesellschaft zu stabilisieren. Um Menschen zu ermutigen, sich an der Demokratie zu beteiligen, muss ihnen die Angst vor dem sozialem Abstieg genommen werden.

Statt der Schuldenbremse brauchen wir eine Verarmungsbremse. Statt der Selbstzufriedenheit der "schwarzen Null" brauchen wir Investitionen in Zukunftsfähigkeit. Statt der Unantastbarkeit der großen Vermögen brauchen wir eine neue Diskussion darüber, wem diese Gesellschaft gehört und für wen sie da ist.

Eine soziale Offensive ist ein erster notwendiger Schritt, um das Pendel nicht weiter nach rechts ausschlagen zu lassen: Um den Rechten den ansonsten weiter wachsenden Nährboden zu entziehen. Ängste vor sozialem Abstieg müssen genommen und Perspektiven für eine existenzsichernde Teilhabe am Erwerbsleben geschaffen werden, die auch im Rentenalter vor Armut schützt. Wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt mit einer Politik für soziale Gerechtigkeit nicht endlich gestärkt wird, wenn stattdessen die Verteilungskonflikte zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen, zwischen Alten und Jungen, zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen in der Gesellschaft weiter geschürt werden, droht die Demokratie mit einem weiteren Rechtsruck schweren Schaden zu nehmen.

Kräfte bündeln. Auf Solidarität aufbauen. Rassisten entgegentreten, Rechtsruck stoppen!

Es geht um alles! Der Kampf gegen den Rechtsruck in Europa und hierzulande wird in den kommenden Monaten die bestimmende Aufgabe der Linken und all derjenigen, die aufstehen gegen Rassisten für eine offene und menschliche Gesellschaft. Es gibt eine Entwicklung, die Hoffnung und Mut macht, auf der wir aufbauen können.

Seit vielen Jahren engagieren sich Menschen in verschiedenen außerparlamentarischen Bewegungen und Bündnissen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen. Spätestens seit dem Sommer 2015 erleben wir zudem nie dagewesene Solidarität und Engagement für Geflüchtete, eine beeindruckende Menschenrechtsbewegung. Rund 7,5 Millionen Menschen sind auf die eine oder andere Weise in der Willkommenskultur aktiv, übernehmen teils staatliche Aufgaben, weil die Regierung versagt, praktizieren tagtäglich konkrete antirassistische Arbeit und lassen sich von medialer Panikmache nicht einschüchtern.

Wobei das ehrenamtliche Engagement nicht zum Auslagern öffentlicher Aufgaben missbraucht werden darf. Darüber hinaus gibt es beeindruckende antirassistische und antifaschistische Mobilisierungen, Tausende gehen regelmäßig gegen rechte Hetzer auf die Straße. Allen gilt auch der DANK unserer Partei. Viele unserer Mitglieder engagieren sich vor Ort für Geflüchtete und sind Teil der Bewegungen gegen rechts.

Gleichzeitig findet eine gesellschaftliche Verrohung statt – vor allem gegenüber alternativen Szenen und emanzipatorischen Überzeugungen. Alternative Szenen werden insbesondere von der CDU als Feindbild aufgebaut und seit Jahren politisch diffamiert. Immer wieder wurden linke Projekte, soziokulturelle Vereine und alternative Jugendzentren politisch angegriffen. Politische Bildungsarbeit wird bis heute blockiert, wie das Beispiel der Extremismus-Klausel zeigt. Antifaschismus wird kriminalisiert und unter Extremismus-Verdacht gestellt. Zudem findet oft eine Gleichstellung von rassistischen Übergriffen mit linker Gesellschaftskritik statt. Der politische Umgang mit den Ausschreitungen vor und den Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte zeigt: Die Gefahr von rechts wird nicht erkannt. Versuche, den wachsenden Rechtspopulismus und rechte Gewalt mit einer Stärkung der Geheimdienste entgegenzutreten, sind eher Teil des Problems als Teil der Lösung.

In diesem Zusammenhang fragen wir erneut nach der Berechtigung des Verfassungsbehörde, der seine Rechtfertigung aus der Extremismustheorie zieht. Dessen Denunziation antifaschistischer Strukturen in der Öffentlichkeit untergräbt antifaschistische und antirassistische Arbeit. Gleichzeitig trägt er zum Kampf gegen Rassismus nichts bei, wie es stattdessen die zahlreichen Beratungsstellen gegen rechts, kritische Journalistinnen und Journalisten, antifaschistische Initiativen oder die Wissenschaft tun. Deren Strukturen stellen eine Alternative zu seinem Tun dar. Ein erster praktischer Schritt wäre eine Abschaltung aller V-Leute außerhalb terroristischer Strukturen, eine Evaluierung seiner Datensammlung und eine Einschränkung seiner Rechte, wie es die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen praktiziert. Zumindest die Spitzelei gegen antifaschistische und antirassistische, linke migrantische Strukturen und die hemmungslose Speicherung von Daten hätten damit ein Ende. Statt eines Verfassungsschutzes, der tief in den NSU-Skandal verstrickt ist, fordert DIE LINKE eine unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Bundesprogramme gegen rechts müssen finanziell gestärkt und dauerhaft gefördert werden. Außerdem halten wir ein Verbot neonazistischer und faschistischer Organisationen für notwendig.

Um eine breite Gegenbewegung gegen die politische Rechte anzustoßen, müssen sich die Kräfte bündeln. Bundesweite Initiativen sind entstanden, die beides noch enger zusammenbringen: Geflüchtete willkommen – Rassisten entgegentreten! Wir brauchen ein gesellschaftliches Bündnis gegen rechts, eine breite antirassistische Koalition aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbänden, Studierenden, Migrantinnen und Migranten, Flüchtlingsinitiativen, Künstlerinnen und Künstlern und antifaschistischen Organisationen. Die LINKE beteiligt sich am Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" und an den Menschenketten des Bündnisses "Hand in Hand gegen Rassismus" am 18. und 19. Juni in mehreren Städten sowie an der Mobilisierung von "Aufstehen gegen Rassismus" am 3. September 2016 in Berlin. DIE LINKE trägt in solche Initiativen und Bündnisse die Idee herein, dass die Ursachen von Rassismus, Rechtspopulismus und Neofaschismus bekämpft werden und diesen der Boden entzogen werden muss. Das beinhaltet, den Kampf gegen Rechts zu verbinden mit dem Kampf für soziale Verbesserungen für die Mehrheit der Bevölkerung. Es beinhaltet deutlich zu machen, dass Rassismus als Spaltungsinstrument dient und die wahren Verursacher von Krisen und sozialen Problemen zu benennen. Und es muss gelten: Wer den Rechtsruck beklagt, darf zum Asylpaket nicht schweigen. Eine gesellschaftliche Gegenbewegung gegen Rassismus und den Rechtsruck muss politisch flankiert werden. Wir rufen die Sozialdemokratie und die Grünen auf, gemeinsam mit uns gesellschaftliche Anstrengungen für Antirassismus und Willkommenskultur in den Parlamenten zu unterstützen. Es muss Schluss sein mit den Verschärfungen des Asylrechts. Das Asylrecht muss wieder vollständig hergestellt werden! Es muss Schluss sein mit einer Politik, die den Rechten hinterherläuft und sie so stark macht!