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Leipziger Parteitag

Reden und Grussworte

Leipziger Parteitag

Die Farbe der Zukunft ist Rot!

Rede von Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei DIE LINKE

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Genossinnen und Genossen, ein herzliches Willkommen auch von mir zu diesem wichtigen Parteitag. Wir wollen uns gemeinsam aufstellen, um die LINKE zu stärken.

Denn das ist dringend notwendig in dieser verrückten, gefährlichen Zeit. Weltweit ist die Rechte auf dem Vormarsch, werden Menschen zu Sündenböcken für politisches Versagen gemacht, und die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung mit Füßen getreten.

Bei jedem Tweet von Donald Trump denkt man, der ist doch total durchgeknallt. Aber das macht ihn nicht weniger gefährlich. Per Twitter kündigt er seinen Bombenangriff auf Syrien an. Und was macht die deutsche Kanzlerin? Sie findet das "angemessen und erforderlich“.

Dieser Angriff war weder angemessen noch erforderlich, er war völkerrechtswidrig, unverantwortlich und gefährlich. Jetzt droht im Iran die nächste Kriegsgefahr, und ich fordere die Bundesregierung auf: Frau Merkel, stellen Sie sicher, dass Sie nicht in einen direkten oder indirekten Krieg mit dem Iran eintreten! Wer ballert bevor geprüft wird, wer Bomben wirft, statt auf Friedensverhandlungen zu setzen, wer mit dem Feuer spielt und das Leben vieler Menschen imperialem Machtinteresse unterordnet, muss gestoppt werden!

Liebe Genossinnen und Genossen, diese Bundesregierung sorgt nicht dafür, dass die Welt friedlicher und sicherer wird. Im Gegenteil! Sie will 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung ausgeben. Das sind über 30 Milliarden Euro mehr als heute! Dafür kann man viele Erzieherinnen, Altenpflegerinnen und Lehrer einstellen. Und da wäre das Geld tausendmal besser aufgehoben! Wer ein sozial gerechtes Land will, darf die Steuergelder nicht der Rüstungsindustrie übereignen. Wer Frieden will, muss verhandeln. Wer Frieden will, muss für Entspannungspolitik eintreten. Wer Frieden will, muss abrüsten!

Liebe Genossinnen und Genossen, kürzlich hat Matthias Döpfner, Chef des mächtigen Springer-Verlages, dem reichsten Mann der Welt, Jeff Bezos, Chef von Amazon, den roten Teppich ausgerollt und einen Preis verliehen. Für sein - "besonders visionäres Geschäftsmodell". Was sind denn die Visionen, denen Bezos seinen Reichtum - über 100 Milliarden Dollar verdankt? Bezos Reichtum basiert auf ganz traditionellen Methoden der Profitmaximierung, Drangsalierung der Beschäftigten und Gewerkschafts-Bashing. "Innovativ“ sind höchstens seine Methoden der Steuervermeidung! Für seine Milliarden zahlte er in Europa unvorstellbare 0,07 Prozent Steuern.

Liebe Freundinnen und Freunde, Reichtum - beruht nicht auf Visionen großer Männer, Reichtum beruht auf der Ausbeutung von Arbeit. Reichtum ist von vielen erarbeitet worden, und soll auch den vielen dienen. Die Beschäftigten von Amazon streiken seit 6 Jahren für einen Tarifvertrag. Ihnen muss der rote Teppich ausgerollt werden! Euch gilt unsere Solidarität! Wir stehen an eurer Seite! Welche Kräfte Menschen brauchen, die sich jeden Tag den Rücken krumm arbeiten, und kaum über die Runden kommen, das habe ich von Violetta gelernt. Sie lebt im gleichen Haus wie ich. Als sie bei uns einzog, arbeitete sie bei UPS, dem weltgrößten Paketauslieferer. Dachte sie. Tatsächlich arbeitete sie bei einem Subunternehmen, und wurde schlechter bezahlt als die UPS-Beschäftigten. Einen Betriebsrat gab es nicht. Etwas später teilte sie mir stolz mit, sie habe eine Stelle bei Lufthansa am Flughafen bekommen. Aber es stellte sich heraus, dass sie wieder bei einem Subunternehmen gelandet war, befristet, ohne Tarifvertrag und ohne Betriebsrat.

Menschen wie Violetta werden oft als sozial schwach bezeichnet. Welch ein Hohn! Violeta ist nicht schwach, sie gibt nie auf. Sie ist eine Enteignete des heutigen Kapitalismus. Das teilt sie mit Millionen Menschen. Andrea Nahles redet von einer neuen Solidarität der Arbeitswelt. Aber was tut sie dafür? Nichts gegen prekäre Arbeit, nichts gegen Tarifflucht. Und sie besitzt noch die Dreistigkeit, sich in knallgelber Verdi-Weste den Protesten gegen die Preisverleihung an Bezos anzuschließen! Aber diese Anbiederung wurde noch vor dem Verlagsgebäude entlarvt. "Hartz IV - das seid ihr!" war der Slogan der Protestler gegen die Agenda2010-Partei SPD und gegen die Heuchelei einer Andrea Nahles!

Liebe Genossinnen und Genossen, wir, DIE LINKE, sind die Partei der neuen Solidarität in der Arbeitswelt. Wir tun was dafür, dass die Kernbeschäftigten mit den Leiharbeiterngegen die Leiharbeit kämpfen, dass die Unbefristeten mit den Befristeten gegen Befristungen kämpfen, und dass Tarifverträge wieder für alle gelten. Es ist doch pervers, dass Millionen von Menschen zu wenig Arbeit haben, oder gar keine, und andere haben viel zu viel! Die IG Metall hat einen Anfang gemacht! Lasst uns gemeinsam für Arbeitszeiten um die 30 Stunden für alle streiten – bei vollem Lohnausleich! Das, liebe Freundinnen und Freunde, ist die Zukunft für die wir kämpfen!

Bei den Demonstrationen der Opel-Beschäftigten in Eisenach wollte der AfD-Hetzer Höcke seine vergiftete Unterstützung anbieten. Aber die Beschäftigten bildeten eine Kette, verdrängten ihn von der Demo und skandierten: "Wir sind international, wir bleiben international. Solidarität von der AfD wird nicht gebraucht“. Super! Davon mehr, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch als die AfD ein Foto vom Berliner Flughafenstreik machen wollte, aber nur von den deutschen Beschäftigten, hat ihnen die Belegschaft gesagt: "alle oder keiner". Das ist die linke Losung der Zeit! Eine Klasse, die sich dessen bewusst ist, braucht keine Sündenböcke. Wir kämpfen dafür, dass die Lohnabhängigen und Erwerbslosen ihre Interessen gegen die Klasse der Kapitalbesitzer durchgesetzen - nicht gegen Geflüchtete und Migranten! Wenn die Rechten und Neoliberalen uns gegeneinander ausspielen wollen, wenn sie nach unten treten, wenn Schuldige gesucht werden, statt sich nach oben zu wenden, dann sagen wir: Alle oder keiner!

Liebe Genossinnen und Genossen, wenn irgendwo deutlich wird, wie unsozial unsere Gesellschaft ist, dann im Umgang mit den Menschen, die gepflegt werden. Das Pflegesystem steht kurz vor dem Kollaps: 20 Jahre Kürzungspolitik auf dem Rücken von Patienten und Personal. Die Orientierung auf Markt und Wettbewerb - freie Fahrt für Renditejäger -hat den Pflegenotstand jedes Jahr vergrößert.

Aber Menschen werden nicht von Börsenkursen gepflegt, sondern von Menschen! Gesundheit und Pflege sind öffentliche Aufgaben und müssen nach Bedarf organisiert werden. Jens Spahn nutzt sein großes Mundwerk und robustes Ego nur für die Selbstpflege - die Pflege der eigenen Karriere! Dieser Gesundheitsminister, liebe Freundinnen und Freunde, ist ein Totalausfall! DIE LINKE macht mit den Beschäftigen und vielen Bürgerinnen und Bürgern Druck: Für 140.000 Pflegekräfte mehr für bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung, gegen den Ärztemangel auf dem Land und gegen Krankenhausschließungen. Wir sagen den Renditejägern, die Krankenhäuser privatisieren, wir sagen den Finanzhaien, die Pflegedienste aufkaufen den Kampf an! Menschen vor Profite – dafür stehen wir!

Liebe Genossinnen und Genossen, Anfang Mai wurde in Stuttgart ein Haus besetzt. Es stand seit zwei Jahren leer und gehört einem englischen Investor. Die Sympathien der Nachbarn sind riesengroß. Im ganzen Land fehlen Millionen bezahlbare Wohnungen. Die Mieten schießen durch die Decke und fressen den Menschen die Löhne auf. Deshalb dürfen nicht die bestraft werden, die durch ihre mutige Besetzung auf einen Skandal aufmerksam machen, sondern diejenigen, die sich auf dem Rücken der Mieter eine goldene Nase verdienen! Vonovia z. B. ist der größte Wohnungskonzern in Deutschland und Mietpreistreiber Nummer Eins. Wir wollen jedes Jahr 250.000 Sozialwohnungen mehr - bauen, zurückkaufen, und bei Leerstand beschlagnahmen. Deshalb sagen auch wir: "Enteignet Vonovia“! Wir wollen mit unserer Kampagne dazu beitragen, dass eine große, mächtige Mieterbewegung dem Heimatgefühl-, Luxusimmobilien- und Baulobby-Minister Seehofer Beine macht!

Liebe Genossinnen und Genossen, der Kapitalismus schafft keine soziale Gerechtigkeit, sondern vertieft die Unterschiede. Nach fast 30 Jahren kann von gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West keine Rede sein. Deshalb kämpfen wir für ein Zukunftsprogramm Ost, für gleiche Löhne, gleiche Renten, gegen die De-Industrialisierung. Die Bundesregierung ist da offenbar anderer Meinung. Mit Olaf Scholz zieht wieder eine schwarze Null ins Finanzministerium ein. Herr Finanzminister Scholz, es ist überfällig: Stefan Quant und Susanne Klatten, die letztes Jahr leistungslos 1,1 Milliarden Dividende erhielten, müssen mehr Steuern bezahlen! Damit wir endlich die Wohnungsnot im Land bekämpfen, damit Altenpfleger besser bezahlt werden! Und wenn Sie den Deutschlandchef von Goldmann und Sachs, der weltweit größten Investmentbank, als Staatssekretär ins Finanzministerium holen, dann haben Sie offensichtlich den Schuss nicht gehört!

Liebe Genossinnen und Genossen, die kleinste GroKo aller Zeiten wird die drängendsten Fragen unserer Zeit nicht lösen. Die SPD wird sich nicht nach links erneuern - mit wem denn auch? Sie will sich nicht mit den Reichen und Vermögenden anlegen. Sie weiß nicht, wie man Kapitalismuskritik schreibt. Sie sperrt sich gegen eine Revision des Hartz IV Systems. Sie begreift nicht, dass wachsender Reichtum und wachsende Armut zusammengehören. Aber wir werden uns mit dem Hartz-IV-System niemals abfinden! Wir kämpfen für die sozialen Garantien des Lebens! Rücksichtslose und ungebremste Profitmaximierung zerstören auch die Natur und das Klima. Deshalb überlassen wir den dringend anstehenden sozialökologischen Umbau und den Klimaschutz nicht den Grünen. Das ist eine linke Aufgabe!

Wir streiten für eine wirkliche Verkehrswende, für den Ausbau des ÖPNV, und für die massive Senkung der Fahrpreise bis zum Nulltarif. Und die Finanzierung beginnt damit, dass die betrügerischen Auto-Konzerne saftige Strafen bezahlen müssen! Wir sind die Partei des sozial-öko-logischen Umbaus, DIE LINKE ist die Partei des Klimaschutzes!

Liebe Genossinnen und Genossen, im vergangenen Jahr haben wir 8500 neue Mitglieder gewonnen. Darauf bin ich stolz. Zwei Drittel unter 35 Jahren, viele von ihnen aus Pflegeberufen, Köche, Sachbearbeiter, Azubis, Studierende. In Bayern sind wir 1000 Mitglieder mehr als vor einem Jahr. Das ist großartig!

  • Wir sind inzwischen die jüngste Partei im Westen, in einigen Großstädten stärker als die Grünen.
  • Wir sind im Osten an drei Regierungen beteiligt, und stellen einen Ministerpräsidenten.
  • Wir haben bei der letzten Bundestagswahl das zweitbeste Wahlergebnis in der Geschichte der LINKEN erzielt und liegen derzeit in den Umfragen darüber.
  • Wir haben mit Renè Wilke in Frankfurt/Oder die Oberbürgermeisterwahl gewonnen, und in Frankfurt am Main mit Janine Wissler 9 Prozent erzielt.
  • Wir sind in Berlin gerade in den Umfragen stärkste Partei und liegen in Bremen bei 17 Prozent!

Lasst uns diesen Rückenwind nutzen! Lasst uns dafür kämpfen, dass wir bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen zulegen, dass wir in Thüringen den Ministerpräsidenten verteidigen, dass wir in Bremen, Sachsen und Brandenburg gestärkt werden! Lasst uns mit vereinten Kräften im nächsten Jahr 9 Kommunalwahlkämpfe und die Europawahlen erfolgreich führen!

Liebe Delegierte, das Schicksal und die Zukunft einer linken, sozialistischen Partei entscheidet sich daran, ob wir selbstbewusste, selbständig denkende und handelnde Mitglieder haben. Mitglieder, die sich in den Kommunen, Stadtteilen und in den Gewerkschaften verankern, die in sozialen Bewegungen eine Rolle spielen, die sich in Bündnisse einbringen und gleichzeitig die eigenen Basis stärken, die öffentlich wahrnehmbar sind als linke Kraft. Für mich ist das die entscheidende Frage für die Zukunft. Für dieses Konzept einer modernen sozialistischen Mitgliederpartei werde ich persönlich eintreten, und ich werde dafür kämpfen wie ein Löwe!

Liebe Genossinnen und Genossen, seit der Bundestagswahl ist viel Kritisches zu unseren Positionen zu Flucht und Grenzen gesagt worden.Es geht dabei um nicht weniger als um unser Selbstverständnis. In einer Zeit, in der gegen Flüchtlinge, Ausländer und Muslime gehetzt wird, in einer Zeit, in der das Asylrecht mit Füßen getreten wird - in so einer Zeit muss es eine Partei geben, die nicht tatenlos zuschaut, wie Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken, Mauern um Europa gebaut werden, und Geflüchtete in die Länder abgeschoben werden, aus denen sie fliehen mussten!

Mit unserem Dreiklang zur Flüchtlingspolitik sind wir gut aufgestellt.

Erstens wollen wir Fluchtursachen bekämpfen. Das wollen alle, aber keiner tut es. Dabei kann man sofort etwas für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung tun, zum Beispiel Agrarexporte stoppen. Wir exportieren Zehntausende von Tonnen subventioniertes Hühnerklein nach Afrika und zerstören damit die Existenz der Kleinbauern. Man kann auch sofort die Waffenexporte stoppen, und endlich damit aufhören, Tod und Elend zu exportieren. Lassen wir uns nicht auf die Lüge ein, das ginge nur langfristig!

Zweitens: Wir streiten für eine soziale Offensive für alle. Es ist das ständige Mantra der Herrschenden und der Rechten: Die unten sollen sich um die Brosamen streiten, damit sie den Blick nicht nach oben richten, dorthin, wo die eigentlichen Verursacher sind. Mit unserem Steuerkonzept könnten Milliarden dafür verwendet werden, Geflüchteten zu helfen und gleichzeitig allen in Deutschland ein besseres und angstfreies Leben zu ermöglichen! Und dann wäre es eben nicht so, dass es nur für die einheimische Bevölkerung oder für die Geflüchteten reicht. Das ist keine Träumerei und auch kein Realitätsverlust, das ist - linke Politik!

Drittens: Wer vor Krieg, Verfolgung und Armut zu uns flieht, dem müssen wir helfen. Jedes Kind, jeder Mensch, der an den Außengrenzen Europas elendig ums Leben kommt oder im Mittelmeer ertrinkt, ist ein schrecklicher Skandal, und wir finden uns nicht damit ab! Wir brauchen sichere, legale Fluchtwege und offene Grenzen. Für diesen Satz im Leitantrag stehe ich.

DIE LINKE verliert ihr Herz und ihre Seele, ihre Funktion und ihre Bedeutung für den Kampf um eine gerechtere Welt, wenn wir uns nur auf die Verwaltung der Missstände und auf nationalstaatliche Verteilungskämpfe beschränken. Dafür gibt es schon genug Parteien! Uns, DIE LINKE, gibt es, damit es eine Stimme gibt, die sagt: Eine andere Welt ist möglich, eine solidarische Welt, eine Welt für alle Menschen! Wir können hier keine Abstriche machen, dafür stehe ich, dafür streite ich, und dafür bin ich - in der Partei DIE LINKE!

Liebe Genossinnen und Genossen, Karl Marx sagt: Es geht darum, "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ Das ist es, was wir tun müssen! Die Farbe der Zukunft ist nicht blau, nicht schwarz, nicht gelb, nicht grün, und schon gar nicht braun. Die Farbe der Zukunft, liebe Genossinnen und Genossen, ist rot! Rot steht für Leidenschaft und Liebe. Ohne Leidenschaft können wir die Kämpfe nicht gewinnen, ohne Liebe zu den Menschen haben sie keinen Sinn. Und Rot steht für die Solidarität - auch untereinander. Deshalb lasst uns gemeinsam - und nicht gegeneinander! - unsere Differenzen klären, unsere Kräfte bündeln, und unsere Inhalte durchsetzen. Die Welt braucht rote Politik. Sie braucht sie mehr denn je.

Für eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt.