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Hannoverscher Parteitag

Reden und Grussworte

Hannoverscher Parteitag Rede von Hans Modrow
Hannoverscher Parteitag

Mehr Raum für einen wissenschaftlichen, strategischen Dialog

Rede von Hans Modrow, Vorsitzender des Ältestenrates der Partei DIE LINKE

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Delegierte, verehrte Gäste, der schriftliche Bericht des Ältestenrates liegt vor, Dank dem Antragsteller und den Delegierten, dass wir auch mündlich berichten dürfen.

Wie es im schriftlichen Bericht heißt, haben wir die Wahl der beiden Spitzenkandidaten Sarah und Dietmar unterstützt. Die Spitzen der Partei und wir alle sind nun herausgefordert, mit ihnen und den Kandidatinnen und Kandidaten der Landeslisten einen gemeinsamen, ohne Zaudern und Taktik, sehr entschlossenen Wahlkampf zu führen.

Wir befinden uns noch im Vorfeld des politischen Wahlkampfes, aber schon jetzt zeichnen sich verschiedene Lager ab, die Ausdruck tiefer Bewegungen in der bundesdeutschen und europäischen Gesellschaft sind. Die konservativen Kräfte bilden noch immer das stärkste Lager. Wo CDU/CSU nicht hinlangen, ist die AfD noch immer beachtlich vertreten. Der konservative Charakter dieses Doppelspiels ist auf militärische Stärke und Kriegsbereitschaft mit gewaltig steigenden Rüstungsausgaben und Motivierungen einschließlich "vaterländischem" Selbstverständnis gerichtet. Die Rolle Deutschlands in den beiden Weltkriegen sollte Warnung genug sein. Ich trat im Januar 1990 beim Treffen mit Gorbatschow für ein militärisch-neutrales vereintes Deutschland ein. Die Erweiterung der NATO schob einen Riegel davor. Das größer gewordene Deutschland wird zum Großdeutschland mit militärischen Kräften an den Grenzen zu Russland und Aufmarschgebieten im Baltikum und Polen. Und wie sich zeigt, schwingen Elemente vom Geist und den Traditionen der deutschen Wehrmacht dabei mit. Wie lautet doch da eine Zeile in dem Lied: "Völker hört die Signale!"

Als Martin Schulz erklärte, Fehler der SPD mit der Agenda 2010 korrigieren zu wollen gab es einen Schub für Vertrauen und Zustimmung. Die CDU sah sich veranlasst, im Sinne der Großen Koalition, "haltet den Dieb" zu rufen und Merkel lobte die Agenda. Die Gewerkschaften kamen in Bewegung und haben Erwartungen gegenüber der SPD zum Ausdruck gebracht. Drei Landtagswahlen sind vorbei, da gilt es ernste Lehren zu ziehen.

Das Klima eines wachsenden Misstrauens gegenüber der Politik des herrschenden Establishments in Regierungs- und Parlamentskreisen nutzt die AfD und ist nun in 12 Landtagen vertreten. Der Prozess einer Rechtsentwicklung in der EU hat die Bundesrepublik Deutschland nicht nur erreicht, sie ist mit der vorherrschenden Politik und vielen Elementen ihrer inneren Entwicklung dabei, diesen Prozess zu verstärken. Die CDU/CSU strebt nach Schwarz-Gelb, aber die nächste Große Koalition könnte auch schon grüßen lassen.

Wir, DIE LINKE, sind herausgefordert, uns mit aller Entschiedenheit einer solchen Entwicklung entgegenzustellen. Auch wenn die Landtagswahlen nicht die von uns angestrebten Ziele erreichten, zeigten sie doch, dass wir für eine stabile Fraktion im Bundestag nicht chancenlos sind. Das Motto unseres Wahlkampfes sollte nicht sein, "für alle etwas und gegen keinen". Mit der Wahlstrategie und dem Wahlprogramm sind Schwerpunkte gesetzt, die wir hier nicht alle kommentieren können. Fünf Punkte möchten wir jedoch hervorheben:

  1. Aussagen für friedliche Konfliktlösungen reichen nicht mehr aus, wenn Krieg geführt wird und allerorts der Frieden schon bedroht ist. Jetzt sind Massenbewegungen und Zeichen von Ungehorsam gefordert. Deutschland war und ist nicht am Hindukusch und in Mali mit militärischer Macht zu verteidigen. Zu prüfen ist aber, um welche und wessen Interessen es in den militärischen Einsätzen geht. Wer 150 Mrd. für bessere Waffen und mehr Soldaten fordert, verfolgt doch bestimmte Absichten. Sie offen zu legen und sich ihren immer ausgeprägteren imperialen Zielen entgegenzustellen, sollte unser Anliegen sein. Politik soll Konflikte friedlich lösen und nicht mit Sanktionen und Bedrohungen Gegensätze verstärken.
  2. Die sozialen Widersprüche wachsen und zerstören mehr und mehr die Stabilität der Gesellschaft. Beim jüngsten Armutsbericht hätte die SPD-Ministerin auf Brecht hören sollen: "Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich". Sie warnt, was ja lobenswert ist, vor dem Übel des immer ärmer Werdens, nur die Quellen und die Größe des Reichtums Weniger finden bei ihr keine Beachtung. Marx 200 steht an. Noch scheint er für eine aktuelle Aufnahme in Theorie und Politikgestaltung der LINKEN nicht ausreichend modern zu sein. Es sollte gelten: Nicht zurück zu Marx, sondern mit Marx in die sozialen Kämpfe dieser Zeit.
  3. Es brauchte Debatten, um mit dem Wahlprogramm der Vertretung der ostdeutschen Interessen den gebührenden Raum zu geben. Es ist nicht Zeit und Raum, um die politische Farbenliste abzuklappern, um Lob und Tadel gut und richtig zu verteilen. Wer sich auch immer wann und wo trifft, sollte eine Sache im Ohr haben und in den Blick nehmen. Da hat doch eine der beteiligten Parteien, bei allen Niederlagen, ein von ihr angestrebtes Ziel erreicht: DIE LINKE darf nicht im Landtag vertreten sein und für rot-rot-grün gibt es nun keinen Platz. Nur zwei Gedanken seien hier deutlich ausgesprochen. Die Aufmerksamkeit auf das Zurückbleiben von Regionen in Ost- und Westdeutschland zu richten, ist richtig. Die Wahlen in NRW legen dafür Zeugnis ab. Die Ursachen dafür zu erkennen und zu benennen ist noch notwendiger. Die strukturelle Entwicklung des modernen Kapitalismus wird weitere Regionen wirtschaftlich und sozial zerstören. Auch wenn es altmodisch klingen mag, was hier geschieht, ist Klassenkampf von oben, dem wir in breiten Bündnissen mit Klassenkampf von unten entgegen treten müssen. Für das Gebiet der alten DDR sind noch immer politische Momente zu beachten. Wir sollten die Ursachen für das Abschmelzen der Wählerzustimmung im Osten, kritischer als bisher geschehen, prüfen und bewusster und entschiedener als LINKE die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den ostdeutschen Ländern wahrnehmen und vertreten. Wo Anpassung den aufrechten Gang verstellt, geht der LINKEN Boden verloren.
  4. Das Thema EU und Euro ist im Wahlkampf nicht auszugrenzen. Wie laut und wuchtig klang es doch, die Linke in Griechenland rückt Europa nach links. Es klang aber mehr nach Hoffnung, als nach realer kämpferischer Solidarität der deutschen und europäischen Linken, sagten mir griechische Freunde und Genossen der AKEL jüngstens in Brüssel.. Was uns zu teil geworden ist, sind harte Lehren des Klassenkampfes und die Stärke der Kräfte des Kapitals. Neustart, Neubeginn, Umsteuern und andere Worte mögen gut klingen, was wir jedoch brauchen, sind Aussagen über die Strategie unsere künftigen Kämpfe für Frieden und soziale Stabilität mit wachsender Stärke und Geschlossenheit der linken europäischen Kräfte. Pluralismus ist ein anerkannter Grundzug unserer linken, deutschen und europäischen Bewegung, wenn er jedoch Beliebigkeit verbreitet, fehlt uns die Klarheit, um die Zustimmung breiter Wählerschaften zu erreichen. Mitglieder des Ältestenrates waren in Brüssel bei der GUE/NGL. Wir wollen die Europawahlen 2019 fester in den Blick nehmen wozu auch die Traditionen der europäischen Arbeiterbewegung und die Achtung des antifaschistischen Widerstands in Europa gehören sollen.
  5. Es gab Konferenzen mit gewichtigen Themen und verdeckten Hinweisen auf Strategien, die es gäbe. Wissenschaftler aus unseren Reihen, oder solche, die uns kritische-konstruktiv begleite, stellen die Frage, wenn ihr Elemente einer gesellschaftlichen Alternative habt, dann eröffnet eine öffentliche, starke Strategiedebatte. Der Ältestenrat schließt sich diesen Appellen mit all seinen Erfahrungen und Erkenntnissen an und wird engagiert dabei sein.

Wer kein Ziel hat, muss keinen Weg suchen. Noch heißt aber unser Ziel laut Erfurter-Programm "Demokratie und Sozialismus", in einer Welt, in der sich die Menschen vertrauen und friedlich miteinander leben. Lasst uns Ziel und Weg miteinander verbinden, etwas weniger Verkündigung und mehr Raum schaffen für einen wissenschaftlichen, strategischen Dialog, der unsere Gemeinsamkeit stärkt. Dies sollte unser Bestreben sein.

Vielen Dank!