Zwei Generationen in den Landtag!
Interview mit Ursula Weisser-Roelle und Gülten Kelloglu
Am 20. Januar 2013 wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Für die b&g-Zeitung sprach Andre Patrick Fricke deshalb mit den LINKEN Kandidatinnen Ursula Weisser-Roelle und Gülten Kelloglu, die für DIE LINKE auf den Listenplätzen 2 und 3 kandidieren.
Ihr habt beide schon Erfahrung in Betriebs- oder Personalräten sammeln können. Wie sieht heute das Klima in den Betrieben aus?
Ursula Weisser-Roelle: Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass die Arbeitsbedingungen in den Betrieben immer härter geworden sind und sich dadurch auch das Klima verschlechtert hat. Der Leistungsdruck und die Anforderungen an die Beschäftigten sind immer größer geworden.
Gülten Kelloglu: Auch im öffentlichen Dienst hat der Druck zugenommen. Besonders junge Kolleginnen und Kollegen bekommen meist nur noch befristete Arbeitsplätze. Dadurch trauen sie sich manchmal nicht sich krank zu melden, obwohl sie wirklich krank sind. Das spiegelt sich dann auch in der Atmosphäre wieder. Chancengleichheit ist für Jugendliche wichtig.
Ihr habt schon einige interessante Punkte angesprochen, z.B. Befristungen. Was seht ihr sonst noch an Problemen, speziell für junge Beschäftigte und wie wollt ihr diese im Landtag angehen?
Ursula Weisser-Roelle: Das fängt schon ganz früh an, bei der Bildungspolitik, dass nicht alle die gleichen Chancen haben. Deshalb sagen wir, dass es eine gebührenfreie Bildung für alle geben muss. Das fängt bei den KiTa-Plätzen an. Wir wollen ein möglichst langes gemeinsames Lernen, damit alle die Chance haben, einen guten Schulabschluss zu machen, um dann auch die Möglichkeit zu haben, eine qualifizierte Ausbildung zu machen. Dafür müssen endlich mehr vernünftige Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Nach der Ausbildung ist es uns wichtig, dass junge Menschen einen unbefristeten Arbeitsplatz erhalten, damit diese nicht von einer Befristung in die nächste geraten. Sie sollen Planungssicherheit für ihr Leben erhalten.
Gülten Kelloglu: Den Aspekt der Chancengleichheit in der Bildung kann ich nur unterstreichen. Wie wichtig das ist, erlebe ich bei meiner Arbeit mit Jugendlichen, denen durch das bisherige Bildungssystem viele Chancen verbaut werden. Sie sind mit Perspektivlosigkeit konfrontiert. Neben Verbesserungen in der Schule und der Ausbildung, setzen wir uns auch für ein gebührenfreies Studium ein. Wir wollen mehr jungen Leuten ohne Abitur den Zugang zur Hochschule ermöglichen. Die sofortige Abschaffung der Studiengebühren wird eines unserer ersten Anliegen nach der Wahl sein.
Warum sollten junge Menschen an der Landtagswahl teilnehmen und dort ihr Kreuzchen machen?
Ursula Weisser-Roelle: Jugendliche sollten auf jeden Fall wählen gehen. Es ist eine der Möglichkeiten, Entscheidungen zu beeinflussen, die ihr Leben betreffen. Aber wählen gehen ist natürlich nur das eine. Ich würde mir wünschen, dass sich junge Leute verstärkt bei Themen einbringen, die für sie wichtig sind. Das muss nicht unbedingt eine Partei sein, denn die üblichen Strukturen schrecken junge Leute oft auch ab. Aber es gibt vielfältige Möglichkeiten, wie z.B. die Gewerkschaftsjugenden.
Gülten Kelloglu: Ich beobachte verstärkt, dass sich Jugendliche für Politik interessieren, dass sie viele Sachen, wie sie laufen, auch stören. Deshalb sollen sie sich dort einbringen können und, wie Ursula schon sagte, ein erster Schritt ist wählen gehen. Deshalb sind wir auch für die Absenkung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre.
Ursula Weisser-Roelle (60) ist Landtagsabgeordnete der LINKEN und war 20 Jahre im Betriebsrat, davon neun Betriebsratsvorsitzende bei Siemens in Braunschweig.
Gülten Kelloglu (32) arbeitet in Lehrte im Öffentlichen Dienst als gelernte Erzieherin im Jugendzentrum. Sie ist ver.di-Mitglied und im Personalrat ihres Betriebes.
Das Interview führte Andre Patrick Fricke (27), aktiv in der ver.di Jugend Braunschweig.