Zum Hauptinhalt springen
betrieb & gewerkschaft

Werte und Wichtigkeit jugendlicher Lebensbereiche

Philipp Collrep und Florian Witte

Mit der Jugend über ihre Wünsche reden!

Der Input von Philipp Collrep und Florian Witte auf dem September-Bundestreffen der AG B&G zielte auf die Vorstellung der Wichtigkeit der Lebensbereiche, der Wertvorstellungen und der Wünsche der Jugendlichen ab. Es ist eine Seite der Medaille über die Jugend und ihre Probleme zu sprechen, aber diese Probleme mit ihnen selbst zu diskutieren, fällt oft schwer. Ein Miteinander organisieren wir zu wenig.

Jede/r war jung und reflektiert viele Erfahrungen, spiegelt und ordnet sie persönlich ein. Dieses Vorgehen blendet viel zu oft aus, dass sich die Bedingungen verschlechtert haben. Der individuell ausgerichtete Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt führt zur Prekarisierung. Die eigenen Werte und Wünsche werden diesem Wettbewerb untergeordnet. Dieser Wettbewerb nimmt sogar Einfluss auf Wünsche und Vorstellungen der Jugendlichen. Nicht nur der Arbeitsmarkt betrifft die Jugendlichen, sondern alle Bereiche des Lebens sind von verstärkter Individualisierung, Flexibilisierung, steigendem Konkurrenzdruck, Steigerung der Selbstverantwortung und Auflösung traditioneller Milieus betroffen. "Der Druck steigt".

Anderen helfen und Rücksicht nehmen

Auf Basis der Zahlen des Deutschen Jugendinstituts machten Philipp und Florian deutlich, dass im Vergleich von 1992 zu 2009 die Wichtigkeit der Lebensbereiche und der Wunsch der Verwirklichung stärker gestiegen sind. Dabei geht es beispielsweise um die eigene Gesundheit, Eltern und Geschwister, Partnerschaft, die eigene Schul- und Berufsausbildung etc. Vergleicht man diese Vorstellungen mit den Werten der Jugendlichen, wie sie diese Wünsche umsetzen wollen, zeigt sich für den gleichen Zeitraum, dass sich die soziale Komponente weiter ausgeprägt hat. "Anderen helfen und Rücksicht nehmen" sind für die Jugendlichen weiterhin die wichtigsten Werte. Danach folgen Pflichtbewusstsein, Verantwortung zu übernehmen und ehrgeizig sein. Abgenommen haben Werte wie "kritisch sein", "sich gegen Bevormundung wehren", "Tun und Lassen was man will" aber auch "ein hohes Einkommen anzustreben.

Besonders die abnehmenden Werte machen die heutige Abhängigkeit der Jugendlichen deutlich und eine sich breitmachende Resignation vor dem herrschenden System. Hierauf müssen Parteien, Gewerkschaften und Organisationen reagieren und zukunftsfähig agieren. Neben den Forderungen zu arbeitsmarktpolitischen Themen müssen viele "Nebenthemen" auch einen Platz einnehmen, um die Jugendlichen "zu verstehen".

Gewerkschaften sind bereit umzudenken

Angebote zur Mitarbeit benötigen verschiedene Partizipationsmöglichkeiten (z.B. soziale, freiwillige und politische), wo sich Jugendliche mit ihren Vorstellungen und Werten einbringen und agieren können. Gewerkschaften sind zum Ausbau der Partizipationsbereitschaft ein sehr guter Multiplikator. Jugendliche in Gewerkschaften sind eher bereit "umzudenken" und "sich zu wehren".

Jugendliche werden übergangen

Auch die betriebliche Mitbestimmung ist ein wichtiges Feld der jugendlichen Multiplikatoren und des jugendlichen Engagements. Hier kommt es aber auch oft zu Problemen. Jugendliche finden keine Ansprechpartner/ innen, werden übergangen oder sogar als "nicht wichtig" wahrgenommen. Besonders für die JAVen ist die Abhängigkeit zum Betriebsrat auch oft ein Problem, da sie sich nicht frei entfalten können. Vorgaben und Wünsche des Betriebsrates sollen erreicht werden. Die Gewerkschaft sieht die Jugendvertretungen gern als kostenlose Rekrutierungseinrichtung für neue Mitglieder. Diese negativen Entwicklungen müssen aufgedeckt und geklärt werden. Auch hier gilt der Grundsatz "MIT statt über" die Jugendlichen zu sprechen.

Bildungsmisere, demografischer Wandel, Ausbildungsplatzmangel sind nicht die Dinge, die künftig drohen. Wir befinden uns an der Spitze des Problems. Durch die Vernachlässigung vom kämpferischen Entgegentreten zur Leih-/Zeitarbeit, befristeten Arbeitsverhältnissen, Übernahmen weit weg von der Heimat oder schlicht das Zulassen von Überstunden am Beginn des Arbeitslebens haben wir uns eine Jugend geschaffen, welche diese prekäre Arbeitssituation als etwas Alltägliches wahrnimmt, gegen die man sich nicht erwehren müsste. Es ist deshalb wichtig, Jugendlichen zu erklären, dass die Situation, in der er oder sie und seine/ihre Freunde sich gleichzeitig befinden, keine gute ist und sie sich dem Unternehmen nicht zu Dank verpflichten fühlen müssen, weil es ihnen einen ach so tollen Berufseinstieg gegeben hat. Alle müssen sich zusammen schließen, um dieser Ausbeutung der eigenen Person Einhalt zu gebieten.

Gewisse Abnutzungserscheinungen von langjährigen Betriebsräten

Verständlich ist die eintretende Abnutzungserscheinung von langjährigen Betriebsräten und Ortsvorständen. Einer ständig erneuernden Jugend sind die gewerkschaftlichen Hintergründe und Errungenschaften beizubringen. Oft werden die neuen, unverbrauchten Jungfunktionäre/innen einzig und allein für Mitgliederrekrutierung verbrannt. Irgendwann streichen sie selbst die Segel.

Gemeinsam das solidarische gewerkschaftliche Handeln voranzutreiben

Dies soll keinesfalls als Aufruf verstanden werden, alle Jugendlichen wie kleine zarte Pflanzen zu behüten. Mit ihnen gemeinsam ist das solidarische gewerkschaftliche Handeln im Betrieb voranzutreiben. Hiervon können nur beide Seite profitieren. Zum Überleben aller Gewerkschaften müssen wir dies endlich in die Tat umsetzten und dies fängt bei jeder/jedem Einzelnen an. Auf dem Bundestreffen wurden nach Inputs von Isabel, Florian und Philipp durch die Kolleginnen und Kollegen verschiedene Ansätze, Arbeitsschwerpunkte und Ideen erarbeitet:

  • Gruppe eins: Wie entwickeln wir unter den Auszubildenden Solidarität (von innen und von außen)?
  • Gruppe zwei: Wie entwickeln wir Solidarität zwischen Auszubildenden, JAVen und Betriebsräten (von innen und von außen)?
  • Gruppe drei: Wie entwickeln wir Solidarität zwischen Auszubildenden und Gewerkschaften? Wie soll eine gewerkschaftsorientierte Jugendpolitik aussehen?
  • Gruppe vier: Wie entwickeln wir in der Öffentlichkeit Solidarität für jugendpolitische Forderungen und jugendliche Probleme?

Philipp Collrep (23), ehem. EVG Bundesjugendleiter, Gewerkschaftssekretär i.A. bei der EVG

Florian Witte (26), stellv. EVG Bundesjugendleiter, Referent der Konzernjugend- und Auszubildendenvertretung bei der DB AG