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betrieb & gewerkschaft

"Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs."

Frank Büchner

So die knappe Antwort des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber auf die Frage eines Twitter-Nutzers, ob das CDU-Wahlversprechen von der Vollbeschäftigung für ihn persönlich denn künftig drei Minijobs bedeute. Soziale Kälte auf Trump-Niveau mit nur 79 Zeichen. DIE LINKE hat jüngst im Bundestag eine Anfrage zu Minijobs gestellt. Die Antwort der Bundesregierung ist deutlich: Letztes Jahr gab es 7,6 Millionen geringfügig Beschäftigte. Deren Anteil an allen Beschäftigten hat zugenommen und lag bundesweit bei 23 Prozent. Damit hatte fast jeder vierte abhängig Beschäftigte 2016 einen Minijob. Während die Anzahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten mit 4,8 Millionen leicht rückläufig ist, benötigen immer mehr Menschen neben ihrer Haupterwerbstätigkeit einen Zweitjob. Um über die Runden zu kommen, hatten 2,7 Millionen Beschäftigte zusätzlich zu ihrem Hauptjob noch einen Minijob – Tendenz steigend. Die meisten Minijobs gibt es mit rund 900.000 im Einzelhandel, gefolgt von der Gastronomie, der Gebäudebetreuung und dem Gesundheitswesen.

Scherbenhaufen sozialdemokratischer Arbeitsmarktpolitik

Als Minijobs im Zuge der Hartz-Gesetzgebung eingeführt wurden, zielten diese auf unbeschäftigte Frauen und Langzeiterwerbslose ab – als Weg hin zu geregelter Arbeit. Für die 4,5 Millionen Frauen mit Minijob endete er in einer Sackgasse. Selbst das Bundesfamilienministerium kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen zwar das flexible und steuerbegünstigte Modell schätzen, aber je länger und je öfter Frauen in Minijobs arbeiten, desto weniger Chancen auf eine Voll- oder selbst Teilzeitbeschäftigung haben sie. Obendrein fördern Minijobs ein überholtes Familienmodell mit dem Mann als Ernährer und der Frau als Zuverdienerin.

Zwei Drittel der Minijobbenden liegen mit ihrem Lohn von durchschnittlich 9,40 Euro unterhalb der Niedriglohnschwelle von 10 Euro. Laut Bundesregierung benötigten Lohnabhängige jedoch heute schon einen Stundenlohn von mindestens 11,85 Euro, um nach 45 Versicherungsjahren im Alter nicht in der Grundsicherung zu landen. Daher ist es auch kein Zufall, dass die Menschen mit Minijob immer älter werden: Fast ein Viertel ist älter als 60 Jahre und die Zahl der Minijobbenden im Rentenalter lag 2016 bei über einer Million. Damit hat sich die Zahl derer, die im Alter von 65 Jahren oder mehr noch einem Minijob nachgehen, in den letzten zehn Jahren verdreifacht.

Subventionierung der Wirtschaft durch die Hintertür

Minijobs verdrängen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Der Staat verzichtet gleichzeitig auf Sozialversicherungsbeiträge, denn die werden in dieser Erwerbsform nicht abgeführt. Da aber niemand von einem Minijob leben kann, steigen gleichzeitig die Ausgaben der Sozialversicherungen, 2015 zuletzt bei Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem ausschließlich geringfügig Beschäftigten auf 4,58 Milliarden Euro.

Wenn im Einzelhandel mit seinen knapp drei Millionen Beschäftigten ein Drittel von einem Minijob darbt und am Monatsende aufstocken muss, erklärt das zumindest, warum sich gleichzeitig unter den zehn reichsten Deutschen allein fünf Händler befinden. Und es zeigt, wie Kapitalismus funktioniert und welche Rolle der Gesetzgeber darin einzunehmen hat.

Aber zurück zu Tauber und seinem Tweet: Hat denn keiner was Ordentliches gelernt? Lediglich jeder fünfte Minijobbende hat keinen Berufsabschluss. Tatsächlich verfügt die Hälfte der Minijobbenden über einen anerkannten Berufsabschluss. Eine halbe Million hat sogar einen akademischen Abschluss. Also entweder kann Tauber nicht rechnen oder er hat keine Ahnung von unserem Arbeitsmarkt. Zu befürchten ist allerdings, dass ihm diese Erwerbstätigen schlichtweg einfach egal sind.

Frank Büchner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitglied der IG Metall