Steuerflucht bekämpfen, Kapitalverkehr kontrollieren!
Sahra Wagenknecht
Schätzungen zufolge werden in Deutschland jedes Jahr 30 bis 50 Milliarden Euro an Steuern hinterzogen. Weltweit dürften Vermögen im Wert von 11 bis 12 Billionen US-Dollar in Steueroasen wie Liechtenstein, der Schweiz oder den Cayman-Inseln angelegt sein. Zwar wird seit dem Steuerskandal um Zumwinkel & Co. verstärkt über die Notwendigkeit der Bekämpfung von Steueroasen diskutiert. Dabei wird jedoch oft vergessen, dass die Verantwortung für die wachsende Steuerflucht bei den Regierungen der EU-Staaten selbst liegt: So wäre das Wachstum der Steueroasen ohne die neoliberale Deregulierungspolitik der letzten Jahrzehnte gar nicht möglich gewesen. Auch moralische Empörung über das Verhalten der Oberen Zehntausend, die sich mit unzähligen Tricks ihrer Steuerpflicht zu entziehen suchen, hilft nicht weiter. Stattdessen sollten in Deutschland und Europa endlich wirksame Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung ergriffen werden.
Bislang ist man im Kampf gegen Steuerflucht einer perversen Logik gefolgt: Durch Amnestien für Steuersünder und die Senkung von Steuersätzen auf Zins- und Kapitaleinkünfte wollte man Anreize schaffen, dass mehr Steuern in Deutschland gezahlt werden. Diese Strategie ist zwar umfassend gescheitert, nichtsdestotrotz plant die Bundesregierung für 2009 die Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, die nicht nur zu einer weiteren Entlastung von Vermögensmillionären beitragen wird, sondern außerdem dafür sorgt, dass Kapitaleinkünfte künftig nicht einmal mehr in der Steuererklärung offen gelegt werden müssen. Finanzämter und Steuerfahnder werden dann bei ihrer Suche nach flüchtigen Steuermilliarden noch weniger Anhaltspunkte haben.
Was wäre stattdessen zu tun? Sinnvoll wäre zum einen die radikale Reform eines Steuersystems, das – was die Besteuerung von Kapitaleinkünften betrifft – einem Schweizer Käse gleicht. Statt die Steuerberatungsbranche durch immer komplexere Steuergesetze zu fördern, sollte die Bundesregierung lieber ein paar tausend Arbeitsplätze für Steuerfahnder und Betriebsprüfer schaffen, die die Finanztransaktionen von Millionären und Großkonzernen endlich unter die Lupe nehmen und wirksam kontrollieren sollten.
Auf europäischer Ebene sollte sich die Bundesregierung für eine Reform der Zinsrichtlinie stark machen. Sie muss so verändert werden, dass alle Kapitaleinkünfte angeben werden und die Informationspflicht von Privatpersonen auf Stiftungen, Unternehmen und andere juristischen Personen ausgedehnt wird. Es muss endlich Schluss gemacht werden mit einer Politik, die dem "freien Kapitalverkehr" huldigt. Die Energie, mit der man auf den Konten von Hartz-IV-Empfängern nach Spargroschen schnüffelt, sollte in die Überwachung von großen Finanztransaktionen gesteckt werden. Vor allem der grenzüberschreitende Kapitalverkehr muss endlich kontrolliert und ein umfassendes Informationssystem aufgebaut werden, welches über sämtliche Zins- und Kapitaleinkommen Aufschluss gibt.
Sahra Wagenknecht (MdEP) ist Mitglied der Delegation der LINKEN in der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Linken / Nordische Grüne Linke (GUE/NGL).