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betrieb & gewerkschaft

Schluss mit dem kollektiven Betteln in der Diakonie - Streikrecht ist unteilbar

Jochen Dürr

Rund 1500 Beschäftigte aus diakonischen Einrichtungen der ganzen Republik demonstrierten am 04. November 2011 in Magdeburg - Hintergrund war das Verbot des Streikrechtes für die Diakonie, welches von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 9. November 2011 bei wenigen NEIN-Stimmen und Enthaltungen beschlossen wurde.

In Einrichtungen der Diakonie in Niedersachsen sind die ArbeitnehmerInnenvertretungen aus den Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgetreten und wollen den Weg in Richtung Tarifverträge gehen. In Oldenburg gelang es ver.di und dem Marburger Bund mit einem diakonischen Klinikum einen Tarifvertrag abzuschließen. Bereits im Dezember 2010 gelang es den ArbeitnehmerInnenvertretungen in der Diakonie Württemberg, dass Tarifabschlüsse im Öffentlichen Dienst für die Kommunen auch im Diakonischen Werk einfließen. Alle Abschlüsse zum Entgelt und zur Arbeitszeit fließen damit automatisch in die Arbeitsvertragsrichtlinien in der Diakonie Württemberg ein.

Diakonisch Beschäftigte, organisiert in immer mehr ver.di Betriebsgruppen, planen und führen Aktionen durch, von aktiven Mittagspausen bis hin zu Warnstreikaktionen in der Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes, zu denen ver.di aufruft. Die diakonisch Beschäftigten wollen damit auf der Straße und in ihren Einrichtungen verdeutlichen, was das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil ausgesprochen hat: Der Dritte Weg verkommt zum kollektiven Betteln, weil er nur wenige Durchsetzungsmöglichkeiten für die ArbeitnehmerInnenseite einräumt, im Gegensatz zu den Möglichkeiten in Tarifvertragsverhandlungen.

Dritter Weg - ein Irrweg

Die Diakoniearbeitgeber auf der Bundesebene haben unter Federführung ihres Arbeitgeberverbandes, dem Verband der Diakonischen Dienstgeber Deutschlands (VdDD), die Arbeit der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) blockiert und es noch verstanden, den Blockadevorwurf der ArbeitnehmerInnenseite anzuhängen. Getreu dem schwäbischem Motto "Mir gebet nix" wurde die Forderung der ArbeitnehmerInnenseite nach Orientierung am TVöD brüst abgewiesen.

MitarbeiterInnenvertretungen und ihre Zusammenschlüsse auf regionaler Ebene (Arbeitsgemeinschaften für Mitarbeitervertretungen - kurz AGMAVen) formulierten in der Göttinger Erklärung vom 29. Oktober 2009, dass diese Tariffindung auf dem Dritten Weg ein Irrweg ist und man/frau sich für Verhandlungen mit ver.di zu Tarifverträgen ausspreche. Den UnterzeichnerInnen wurden daraufhin auf Beschluss der Diakonischen Konferenz gedroht, sie aus der Mitarbeit in der ARK auf Bundesebene auszuschließen. Auch auf Druck des VdDD wurde das Streikrechtsverbot auf der EKD Synode am 09. November 2011 beschlossen.

Klares Ziel - Tarifverträge mit ver.di

Dieses Kirchengesetz ist ein willfähriges Instrument der Machtsicherung und ein völlig untauglicher Versuch, den Mythos des Streikverbotes aufrecht zu erhalten. Neben dem § 140 GG, der den Kirchen ein Recht auf eigenständige Regelungen innerhalb der geltenden Gesetze einräumt, gilt das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit (§ 9 GG). Die Beschäftigten der diakonischen Einrichtungen werden ihr klares Ziel - die Forderung nach Tarifverträgen mit ver.di - nicht aufgeben.

Als GewerkschafterInnen begrüßen wir den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vom 12. April 2011 (DS 17/5523), der am 26. März 2012 in einer ExpertInnenanhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales behandelt werden wird.

Vollständige Anwendung des BetrVG

Die Arbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft der LINKEN unterstützt Aktionen und Streiks Diakoniebeschäftigter, wie auch die Aktivitäten von ver.di unter dem Aktionsmotto "Streikrecht ist Grundrecht". Die AG Betrieb & Gewerkschaft fordert die Streichung des § 118 BetrVG und die vollständige Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auch in Einrichtungen der Diakonie.

Das Diakonische Werk sichert sich über den Marktvorteil des Dritten Weges Marktmacht. Den Beschäftigten hingegen fehlen durch das schwächere Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) entsprechende Instrumentarien als Interessensvertretung. Der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit ist auch in kirchlich, diakonischen Einrichtungen präsent. Der Druck der Politik in den letzten 15 Jahren hat zu einer verschärften Ökonomisierung des Sozial- und Gesundheitssektors geführt. Das kirchliche Mäntelchen des Dritten Weges und das Kronenkreuz im Firmenlogo können zunehmendes Lohndumping und Prekarisierung durch Outsourcing, Leiharbeit und Scheinwerkverträgen nicht mehr verdecken. Zunehmend mehr Beschäftigte in diakonischen Einrichtungen nehmen den Kampf um die Lohnfindung in die eigenen Hände und organisieren sich in ihren Einrichtungen in Betriebsgruppen ihrer Gewerkschaft. Wer kämpft, kann verlieren - wer nicht kämpft, hat schon verloren!

Jochen Dürr ist Mitglied im BundessprecherInnenrat der AG Betrieb & Gewerkschaft