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Postliberalisierung funktioniert nicht!

Gerald Kemski

Die ersten beiden Stufen der Postliberalisierung haben bereits die Schließung von 10.000 Postämtern europaweit zur Folge. Mit den entsprechend negativen Auswirkungen auf die Postbeschäftigten UND die VerbraucherInnen.

Nun steht die 3. Stufe der Postliberalisierung an, in der weitere Dienste, vor allem im Zustellbereich, liberalisiert werden sollen. Vor Einführung dieser 3. Stufe sollte die EU-Kommission eine Studie zu den sozialen Auswirkungen vorlegen.

Es liegt keine Studie vor – dennoch will die die EU-Kommission diese 3. Stufe durchführen.

Aus diesem Grund demonstrierten mehrere hundert GewerkschafterInnen aus mehr als 10 Ländern Europas am 8. September 2010 vor dem EU-Parlament in Straßburg. Sie unterstützten die Forderung des Dachverbandes der Postgewerkschaften UNI Postal nach einem Moratorium hinsichtlich dieser 3. Stufe bis alle Probleme der Beschäftigten erkannt und von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments aufgegriffen wurden.

Auf der Kundgebung unterstützten linke, grüne und sozialdemokratische Abgeordnete dieses Anliegen. Für die Linksfraktion sprach u.a. Sabine Wils, für die S&D-Fraktion (Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament) beispielsweise die SPD-Abgeordnete Jutta Steinruch, die ausführte: "Es ist Aufgabe der EU-Kommission, die Menschen in der europäischen Union vor Sozialdumping zu schützen und die Arbeitsstandards aufrechtzuerhalten."

Christy Hoffmann, stellvertretende Generalsekretärin von UNI erklärte, ihre Heimat, die USA, sei das Heimatland der Liberalisierung. Dort aber hatte man beschlossen, den Postsektor nicht zu liberalisieren. Man erkannte da, dass neue globale Postdienstleister wie UPS und FedEx keine Netzwerke zur Bereitstellung von Postdienstleistungen in ländlichen, isolierten oder armen Gebieten aufbauen werden.

Im Anschluss an die gewerkschaftliche Kundgebung hatte die Linksfraktion mit Dennis de Jong aus den Niederlanden und Sabine Wils aus der Bundesrepublik zu einem Hearing eingeladen. Daran nahmen auch Abgeordnete der sozialdemokratischen und der grünen Fraktion des Europaparlaments sowie GewerkschaftsvertreterInnen teil. Es wurde nicht nur eine Analyse der Situation in den einzelnen Ländern besprochen, sondern auch beraten, wie am nächsten Tag gemeinsam in der Plenardebatte mit dem zuständigen EU-Kommissar Barnier diskutiert werden sollte.

Im Ergebnis sprachen sich in der Plenardebatte dann die VertreterInnen der drei genannten Fraktionen gemeinsam für die gewerkschaftliche Forderung nach einem Moratorium aus.

Die Abgeordneten des europäischen Parlaments erklärten, es sei unakzeptabel, dass die Europäische Kommission dem Parlament Innovation und Qualitätsverbesserung nach der Öffnung des Postsektors versprach, genau das Gegenteil aber eingetroffen ist. Mit anderen Worten: Die Postliberalisierung funktioniert nicht – oder besser sie funktioniert zum Nachteil der Beschäftigten und der VerbraucherInnen.

Kommissar Barnier erklärte, dass er im kommenden Jahr (nach Inkrafttreten der 3. Stufe!) vor habe eine "Verbrauchergruppe" einzurichten, die sich mit den Auswirkungen auf Verbraucher und Beschäftigte befassen soll.

Die Auseinandersetzung wird also weitergehen. Hier ist nicht nur die Solidarität aus anderen Gewerkschaftsbereichen gefragt. Hier ist es auch erforderlich, dass wir uns als NutzerInnen von Postdiensten bemerkbar machen. Beispielsweise gegenüber Europaabgeordneten aus CDU und FDP. Der Erfolg der Hafenarbeiter beim Port Package I und II hat gezeigt, dass mit entsprechendem Engagement auch erfolgreich Druck auf diese politischen Lager ausgeübt werden kann.

Gerald Kemski ist Mitglied im BundessprecherInnenrat der AG Betrieb & Gewerkschaft der LINKEN