Maastricht-Kriterien blockieren den Aufschwung
Von Sabine Wils
Europa ist von der Krise besonders betroffen. Während in Asien, Lateinamerika und den USA das Wachstum wieder anzieht und in manchen Ländern sogar wieder hohe Werte erreicht werden, schleppt sich die Wirtschaft in der EU nur so dahin. "Aufschwung ohne Schwung" meldete die Frankfurter Allgemeine am 15. April. Und tatsächlich bewegt sich das vorausgesagte Wachstum in der EU nur wenig über der Nullmarke. Für die deutsche Wirtschaft wird für 2010 ein Zuwachs von lediglich 1,4 Prozent vorausgesagt. Nach dem dramatischen Einbruch im Jahr 2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5 %t wird es also noch Jahre dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein wird. In den anderen EU-Ländern sieht es nicht besser aus, in manchen sogar noch deutlich schlechter.
Warum ist das so? Neben Versäumnissen in der Politik der Mitgliedsländer zeigen sich jetzt, in der Krise, aber auch die Konstruktionsfehler der Europäischen Union. Als Mangel hat sich erwiesen, dass die EU nicht als Ganzes und mit angemessenen Mitteln auf den Kriseneinbruch reagieren konnte. Zwar wurde im November 2008 von der Europäischen Kommission mit großem Getöse ein "European Economic Recovery Plan" vorgelegt, doch das Volumen dieses Konjunkturpakets war viel zu gering bemessen, um einen Binnenmarkt von 500 Millionen Menschen nur einigermaßen vor den Folgen der Krise zu schützen. Mit gerade einmal 1,6 % des EU-BIP für 2009/10 fiel das Programm sehr bescheiden aus. Zum Vergleich: Die USA mobilisierten für den gleichen Zeitraum etwa 6 %, Japan 5,3 %, Südkorea 6,6 % und China sogar 13,3 %. Hier zeigt sich der zentrale Mangel der EU: Sie hat wohl mit dem Euro eine eigene Währung, aber sie verfügt nicht über eine eigene Wirtschafts- und Finanzpolitik. Diese Zuständigkeiten liegen weiter bei den Mitgliedstaaten. Und in der Frage der Konjunkturprogramme wollten manche Gas geben und andere – wie Deutschland – nicht. So einigte man sich einmal mehr auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Der aber ist in dieser tiefen Krise zu wenig.
Noch gravierender ist aber die Fixierung der Politik der EU auf eine rasche und schnelle Beendigung Konjunktur stützender Maßnahmen in den Mitgliedsländern. Großzügige Bankenrettungspakete und Konjunkturbeihilfen haben große Löcher in die Haushalte aller EU-Mitgliedsländer gerissen. Die jährlichen öffentlichen Defizite sollen nun möglichst schnell auf jene magischen drei Prozent der Maastricht-Kriterien reduziert werden. EU-Kommission und deutsche Bundesregierung verlangen von den sogenannten "Defizitsündern" unter den Mitgliedsländern die schnelle Reduzierung ihrer Defizite. Wohin das führt. kann man gegenwärtig am Schicksal Griechenlands sehen. Die abverlangten enormen Kürzungen würgen die noch schwache Wirtschaft ab. Insolvenzen und massenhafte Arbeitslosigkeit sind die Folgen. Für ihre Anleihen muss Griechenland immer höhere Zinsen auf den Finanzmärkten zahlen. Doch statt Hilfe anzubieten, erhöhen Brüssel und Berlin nur den Druck. So kann Europa aber nicht funktionieren.
Sabine Wils, MdEP und Leiterin der Delegation DIE LINKE im Europaparlament