Mindestlohn! Lohndumping bekämpfen!
Michael Schlecht
Der gesetzliche Mindestlohn ist zu einem zentralen politischen Thema geworden. Dank des Kampfes der Gewerkschaften, vor allem von ver.di und der NGG. Und aufgrund des Einsat-zes der Linken. DIE LINKE führt den Kampf im Herbst und im Winter weiter. Mit Veranstal-tungen und verschiedensten Aktivitäten vor Ort. Dabei muss es jetzt besonders auch um die Ursachen für Niedrig- und Hungerlöhne gehen – der Kampf gegen Hartz IV, Leiharbeit, Be-fristungen und Minijobs.
Ursachen der Armutslöhne bekämpfen
Über sieben Millionen Menschen arbeiten für Niedrig- und Hungerlöhne. Rund drei Millionen verdienen so wenig, dass sie zusätzlich zu ihrem Einkommen noch Arbeitslosengeld II be-ziehen könnten; etwas über eine Million machen hiervon Gebrauch. Um den freien Fall der Löhne zu stoppen wollen wir den gesetzlichen Mindestlohn! Gewissermaßen als Sofortmaß-nahme.
Aber: Weshalb gibt es überhaupt Niedrig- und Hungerlöhne, weshalb Lohndumping? Was sind die Ursachen? Aufgrund von Massenarbeitslosigkeit und politisch gewollter Deregulie-rung verschlechterte sich bereits in den 1990er Jahren die Tarifbindung. Vor allem in den neuen Bundesländern. Unter Rot-Grün wurden dann – unter dem Applaus von CDU/CSU – den Gewerkschaften viele weitere Knüppel zwischen die Beine geworfen.
Die entscheidende Fußfessel für die Tarifpolitik ist Hartz IV. Durch den faktischen Fortfall des Zumutbarkeitsschutzes wird massiver Druck auf die Löhne, auf Tarifverträge ausgeübt. Er-werbslose werden gezwungen, praktisch jede Arbeit zu beliebig niedrigen Löhnen anzuneh-men. Entscheidend ist, dass alle Beschäftigten wissen, was ihnen droht, wenn sie ihren Job verlieren. Zuerst gerade ein Jahr Arbeitslosengeld I und dann der freie Fall in die Armut. Dies hat eine ungeheure disziplinierende Wirkung. So besteht häufig die Bereitschaft länger zu arbeiten und Lohnverzicht hinzunehmen. Durch diesen Mechanismus bewirkt Hartz IV mas-sives Lohndumping.
Besonders einschneidend wirkt sich mittlerweile Leiharbeit aus, die 2002 und 2003 "liberali-siert" wurde – für die Unternehmer. Mindestens die Hälfte aller neu geschaffenen Jobs im Aufschwung 2007 sind Leiharbeitsjobs. Der Grund: Sie sind für Unternehmer billiger. Und nur geliehene Beschäftigte können leichter "entsorgt" werden. Besonders skandalös ist, dass immer mehr Unternehmen dazu übergehen eigene Leiharbeitsfirmen zu gründen. Scheinbar großzügig wird Entlassenen in der Leihfirma ein Job angeboten. Nicht selten finden die Be-troffenen sich auf ihrem alten Arbeitsplatz wieder. Häufig mit dem halben Stundenlohn.
Die "Liberalisierung" der Befristungen hat eine lange Geschichte. Bereits Ende der 80er Jah-re wurde sie durch Blüm eingeleitet. Die damalige IG Druck und Papier nahm zu jener Zeit dagegen bereits den Kampf auf, wohl wissend, dass die Tarifautonomie in Gefahr geriet. Die SPD hatte vor 1998 immer die Begrenzung der Befristungen auf die sachlich gebotenen Fäl-le versprochen. 2001 ist das Gegenteil gemacht worden. Tabula rasa! Weitgehende Liberali-sierung für die Unternehmer. Häufig findet sich heute die Befristung im Zusammenhang mit Leiharbeit. Damit entfällt dann auch das "Kündigungsrisiko" für den Verleiher.
Die Zahl der Minijobs stieg seit 2003 um fast zwei Millionen an. Vor allem im Einzelhandel wurden in den letzten Jahren zigtausende von sozialversicherten Arbeitsplätze vernichtet. Resultat: Lohn- und Sozialdumping. Scheinbar fördert der Staat die Beschäftigten, denn die-se zahlen keine Sozialversicherungsbeiträge. Tatsächlich subventioniert er die Unternehmer, denn diese kürzen die Bruttolöhne. Die Beschäftigten schauen vor allem auf das Nettoein-kommen. Die Hälfte der Minijobber/innen haben Niedriglöhne mit weniger als acht Euro die Stunde.
Die SPD und der Mindestlohn
Auf dem DGB-Kongress im Mai 2006 hat Müntefering "mutig" bekannt, dass er gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ist. Und sich eine Abfuhr eingehandelt. Nach vielem Hin und Her fordert die SPD seit März 2007 den gesetzlichen Mindestlohn. Irritierend ist allerdings, dass die SPD eine Entschließung im Bundestag ablehnt, die nur den Text ihrer eigenen Flugblät-ter beinhaltet. So geschehen im Juni 2007. Und es bleibt das Gefühl, dass viele in der SPD nur aus taktischen Gründen den Mindestlohn vertreten. Denn bei allen anderen Themen sind sie verbrannt. Lassen wir alle Vorbehalte beiseite, dann bleibt nur eines: Schön, dass die SPD beim gesetzlichen Mindestlohn mitmachen will.
Die SPD und die Grünen sind in Tateinheit mit CDU/CSU/FDP für die Ausweitung der Nied-rig- und Hungerlöhne verantwortlich. Dieser Entwicklung versuchen heute die Gewerkschaf-ten und DIE LINKE Einhalt zu gebieten. Mit einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn! Gewissermaßen als Akt der "Notwehr". Wenn die SPD heute auch für den Mindestlohn ein-tritt, dann versucht sie damit nur die Auswirkungen ihrer eigenen verhängnisvollen Politik zu begrenzen.
DIE LINKE bleibt dabei jedoch nicht stehen. Wir kämpfen auch dafür, dass die Ursachen beseitigt werden. Und das heißt: Hartz IV muss weg! Weil es ein Verbrechen gegenüber den Erwerbslosen und ihren Kindern ist. Und weil die Beschäftigten immer mehr unter Lohndum-ping zu leiden haben. Und Leiharbeit muss zurückgedrängt, Befristungen wieder auf das sachlich notwendig beschränkt werden. Minijobs müssen auf wirklich geringfügige Arbeitsge-legenheiten, zum Beispiel Reinigungsarbeiten in Privathaushalten, begrenzt bleiben.
Wenn die SPD es wirklich ernst meint mit der Bekämpfung des Niedriglohnbereiches, dann reicht es nicht, den Mindestlohn zu fordern. Dann müssen Ursachen bekämpft werden. Bei der Leiharbeit gibt es Kräfte in der SPD die beginnen auf die Proteste der Gewerkschaften zu reagieren. Aber zaghafte Korrekturen reichen nicht. Es ist überhaupt nicht absehbar, dass die SPD die von ihr zu verantwortende, verfehlte Politik wieder korrigiert. Stattdessen wird von Spitzenpolitikern wie Steinbrück und Struck gefordert, dass man stolz sein müsse auf Hartz IV! Stolz auf die Einführung des offenen Strafvollzuges für Erwerbslose.
Michael Schlecht ist Mitglied im Parteivorstand und gewerkschaftspolitischer Sprecher der Partei DIE LINKE