Jung, prekär, arbeitslos?
Gerald Kemski
Vom Bundestreffen der AG Betrieb & Gewerkschaft der LINKEN
"Brauchst Du einen billigen Arbeitsmann, schaff Dir einen Lehrling an!" - so ertönte es im November 1968 auf der bundesweit ersten Lehrlingsdemonstration in Hamburg.
Die Lehrlingsbewegung brachte Gesellschaft, Gewerkschaften und Parteien in Bewegung. Das, wenn auch absolut ungenügende, Berufsbildungsgesetz wurde erlassen, Ausbildungsrahmenpläne, Tarifverträge für Auszubildende und vieles mehr.
Glaubt man der veröffentlichten Meinung, gibt es derzeit nur ein Problem in der deutschen Berufsausbildung: Nicht lernwillige und nicht lernfähige Jugendliche.
Mit diesem Märchen räumte das Bundestreffen der AG Betrieb & Gewerkschaft der LINKEN am 8./9. September 2012 in Berlin auf.
Fakt ist: Auszubildende sind nach wie vor vielfach billige Arbeitskräfte, gesetzliche Bestimmungen werden vielfach nicht beachtet ebenso wie Ausbildungsrahmenpläne. Die mit der Aufsicht beauftragen Kammern ahnden die Verstöße nicht, denn sie bleiben. was sie sind: Einrichtungen der Unternehmer.
"Jung, prekär, arbeitslos?" - so die Fragestellung des Bundestreffens. Zwanzig Auszubildende und junge GewerkschafterInnen aus diversen Bundesländern und der Schweiz brachten Fakten über Fakten über die Missstände zusammen.
"Wenn es nicht einmal in allen Großbetrieben funktioniert, wie sieht es dann in den Klein- und Mittelbetrieben aus?" fragte der Vorsitzende einer JAV aus Baden-Württemberg. Ein gewerkschaftlicher Jugendbildungsreferent aus Sachsen-Anhalt schätzte ein, dass es vielfach noch schlimmer sei, als von den TeilnehmerInnnen auf unserem Treffen benannt. Eine Auszubildende aus dem Saarland beklagte die vielen unbezahlten Überstunden, die ihre Kolleginnen und Kollegen in den Klein- und Mittelbetrieben machen müssen.
62 Prozent der Jugendlichen haben Angst überhaupt einen Ausbildungsplatz zu finden, ein Drittel kann den Ausbildungswunsch nicht realisieren, 40 Prozent der Auszubilden werden nicht übernommen, nur 23 Prozent werden unbefristet übernommen, so die Vorsitzende der Hamburger DGB-Jugend in ihren Ausführungen.
Angesichts der sichtbaren Misere in der Berufsausbildung und der Situation der jungen Beschäftigten hat sich die AG Betrieb & Gewerkschaft vorgenommen, auf diesem Gebiet stärker aktiv werden.
Die Novemberausgabe unserer Zeitung betrieb & gewerkschaft wird von GewerkschafterInnen unter 30 geschrieben werden. Hier werden sie ihre Sichtweise und Vorstellungen direkt einbringen.
Ferner wird die AG Betrieb & Gewerkschaft beim Parteivorstand der LINKEN beantragen, im Frühjahr 2013 eine Gewerkschaftspolitische Konferenz zum Thema "Jung, prekär, befristet?" durchzuführen.
Wir wollen, dass DIE LINKE die reale Situation der Auszubildenden und der jungen Beschäftigten sowie unsere Alternativen thematisiert.
Für das Bundestagswahlprogramm der LINKEN werden wir uns engagieren, damit Forderungen für die Auszubildende und die jungen Beschäftigten auch dort thematisiert sind.
Gerald Kemski ist Mitglied im BundessprecherInnenrat der AG B&G