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Gefahren für die Rente

Michael Schlecht

Es droht ein massiver Anstieg der Altersarmut in Deutschland. Seit 2000 sind die Renten unter Berücksichtigung der Preissteigerungen bereits real um sechs Prozent gesunken. Die größten Gefahren liegen in der Zukunft. Alle Beschäftigten, die in den nächsten 20 Jahren weniger als drei Viertel eines Durchschnittsverdienstes erhalten – nach heutigem Geldwert knapp 1.900 Euro im Monat – droht 2030 eine Rente, die nur der Grundsicherung entspricht. Das sind heute rund 650 Euro – Sozialhilfe für das Alter.

Aber die Bedrohung geht viel weiter. Wenn in absehbarer Zeit keine Umkehr der gegenwärtigen Rentenpolitik möglich sein sollte, ist das System der Gesetzlichen und Solidarischen Rente insgesamt gefährdet. Der angelsächsische Weg der Privatisierung droht.

Viele Menschen zweifeln ohnehin schon an der Rente. Die Riester-"Reform" schafft Misstrauen und nicht Vertrauen. Und die mediale Offensive läuft seit Jahren. Bild voran. Es droht eine immer breitere Legitimationskrise. Millionen Beschäftigte, die weniger als 2.000 Euro im Monat verdienen, werden sich fragen, weshalb sie noch Beiträge zur Rentenversicherung einzahlen.

Die neoliberalen Strategen – seit den 80er Jahren gehören hierzu unter anderem Meinhard Miegel und Kurt Biedenkopf – haben genau diese Legitimationskrise auf ihrer Agenda. Die "Reformen" der letzten sieben Jahre waren für sie nur der erste Akt: "Mit dem Rentenreformgesetz 2001 wurde eine Entwicklung eingeleitet, die das bestehende Rentengebäude eines Tages zum Einsturz bringen dürfte."

Landnahme des Finanzkapitals?

Damit wird die Systemfrage von rechts gestellt. Scheinbar großzügig soll es eine Grundrente geben, die aber faktisch nicht über das Armutsniveau hinauskommt. Lebensstandardsicherung gibt es dann nur noch durch private Absicherung. Und das ist genau das Ziel der neoliberalen Strategen. Grundrente ist der Hebel zur neoliberalen Privatisierung der Altersvorsorge! Deshalb ist es auch kein Wunder, dass all die Professoren und Beraterbataillone von Banken und Versicherungen gesponsert werden. Denn um ihr Geschäft geht es. Die Milliarden aus der Riesterrente sind nur der Appetitanreger.

Private Altersvorsorge gibt es bisher vor allem in den angelsächsischen Ländern ohne ausgebaute Sozialversicherungen. Riesige Vermögen werden so angesammelt. Sie fließen in sogenannten Pensionsfonds zusammen, die nach Anlagemöglichkeiten mit hohen Renditen suchen.

Die Finanzmärkte werden immer mehr aufgebläht, wenn die Menschen durch eine verfehlte Rentenpolitik immer mehr in die private Alterssicherung gedrängt werden. Sie müssen sparen, ihr Geld in Fonds anlegen oder Versicherungen abschließen. Allein ein Viertel des weltweit angelegten Vermögens steckte 2005 in Pensionsfonds – über 20 Billionen Dollar. Ob es tatsächlich zu den erwarteten Rentenauszahlungen kommen wird, bleibt ungewiss. So ungewiss wie die Entwicklung auf den Finanzmärkten. Gewiss ist aber, dass die Pensionsfonds ihre Gelder anlegen müssen. Vielleicht genau in den Hedge-Fonds oder Private-Equity-Fonds, der gerade den Arbeitsplatz der künftigen Pensionäre zwecks Gewinnsteigerung vernichtet.

Bei der Auseinandersetzung um die Zukunft der Rente geht es auch darum, ob dem Kapital die Landnahme im Bereich der Altersvorsorge gelingt. Kampf um den Erhalt der gesetzlichen Rentenversicherung muss das vorrangige Ziel sein. Gerade auch im Kampf gegen den Finanzmarktkapitalismus.

Michael Schlecht ist Mitglied im Parteivorstand und gewerkschaftspolitischer Sprecher der Partei DIE LINKE