EU 2020 – besser als die Lissabon-Strategie?
Von Klaus Dräger
EU 2020 soll für die nächsten zehn Jahre die gescheiterte Lissabon-Strategie ablösen. Weniger und realistischere Ziele sollen die neue wirtschaftspolitische Strategie der EU bestimmen. Sie konzentriert sich auf die drei Schwerpunkte intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum: die Förderung von Wissen und Innovation, einer emissionsarmen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft mit hohem Beschäftigungsniveau sowie sozialem und territorialem Zusammenhalt. Die alten Mantras der Lissabon-Strategie bleiben also erhalten (Wachstum & Wettbewerbsfähigkeit, Informationsgesellschaft). Sie werden nun vordergründig etwas auf "ökologische Modernisierung" getrimmt.
Der EU-Frühjahrsgipfel am 26.3.2010 hat 5 Ziele für die neue Strategie beschlossen. Für drei Ziele gibt es quantifizierte Vorgaben, die bis 2020 erreicht werden sollen. Darunter sind die altbekannten Ziele der Lissabon-Strategie, eine Beschäftigungsquote von 75 % zu erreichen und die Forschungsausgaben in der EU von 1,9 % auf 3 % ihres Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Weiterhin wurden die schon seit längerem beschlossenen Klima- und Energieziele der EU nochmals bestätigt: Verringerung der CO2-Emissionen um 20 % gegenüber dem Stand von 1990, Einsparung von Energie um 20 % und Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger auf 20 %.
Die Europäische Kommission hatte auch Ziele im Bildungsbereich vorgeschlagen: Bis 2020 soll der Anteil der Schulabbrecher auf unter 10 % zurückgehen, und 40 % der jungen Menschen sollen eine Hochschulausbildung absolvieren. Ferner soll die Zahl der Armen um 25 % sinken. Dazu haben die EU-Staats- und Regierungschefs sich nicht auf quantitative Vorgaben verständigen können. Endgültig soll darüber auf dem EU-Gipfel am 17. und 18.6.2010 entschieden werden.
Neu gegenüber "Lissabon" ist somit zunächst, dass die EU-Klima- und Energieziele sowie der "Kampf gegen Armut" symbolisch innerhalb von EU 2020 "anerkannt" werden. Vorher waren sie auf Koordinierungsprozesse außerhalb der eigentlichen Lissabonstrategie der EU ausgelagert.
Die portugiesische Ratspräsidentschaft wollte die EU in 2000 auf das Ziel verpflichten, bis 2010 die "Armut zu überwinden". Der EU-Gipfel von Nizza beschloss, "die Beseitigung der Armut entscheidend voranzubringen." Demgegenüber fällt EU 2020 also nochmals deutlich zurück – obwohl zwischen 2000 und 2010 die Armutsquote in der EU 27 gestiegen ist.
Umwelt- und Sozialverbände beklagen, dass EU 2020 im Vergleich zur Lissabon-Strategie zu wenig Ehrgeiz an den Tag legt. Das trifft sicher zu. Wichtiger ist jedoch: EU 2020 hält weiter an der Orientierung auf "mehr Wettbewerbsfähigkeit" durch Liberalisierung und Privatisierung im EU-Binnenmarkt und die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte fest. Genau diese neoliberale Politik hat erheblich dazu beigetragen, dass die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sich entwickeln und so hart durchschlagen konnte. Eine weitere Behandlung des Patienten EU mit der gleichen Medizin wird ihn nur kränker machen.