Es gibt keinen grünen Kapitalismus: Zur (Un)glaubwürdigkeit grüner Umwelt- und Energiepolitik
Oskar Lafontaine
Die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz nach den schrecklichen Ereignissen von Japan haben gezeigt, dass viele Menschen in Deutschland das Thema Ökologie immer noch besonders stark mit der Partei Bündnis 90/Die Grünen verbinden. Dabei ist deren Politik besonders unglaubwürdig.
Als sich Die Grünen vor rund 30 Jahren gegründet haben, war ihnen noch klar, dass Kapitalismus und Ökologie nicht zu vereinbaren sind. Die damals artikulierte antikapitalistische Wachstumskritik ging aber auf dem Weg durch die Institutionen verloren. Eine in der deutschen Parteiengeschichte beispielslose Wandlung hin zur Öko-FDP hatte Folgen. Die meisten der links orientierten Gründungsmitglieder haben die Partei mittlerweile verlassen.
Das Ziel einer verantwortlichen Umweltpolitik muss das schnellstmögliche Ende der Energieerzeugung durch Atomkraft sein. Doch bereits der rot-grüne "Ausstieg" war nicht konsequent. Er wurde mit der Atomlobby ausgehandelt, anstatt die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages zu nutzen und ein endgültiges Ende dieser gefährlichen Technologie zu beschließen. Auch unter Rot-Grün gab es Atomtransporte. Das Problem der Endlagerung wurde nicht gelöst. Viele Atommeiler, deren Abschaltung SPD und Grüne jetzt fordern, wären auch mit dem rot-grünen "Atomkompromiss" noch am Netz.
Die enge Verzahnung von Wirtschaft und Politik hat vor SPD und Grünen nicht halt gemacht. Beide Parteien sind nicht mehr unabhängig, Jahr für Jahr werden sie durch hohe Geldspenden von Konzernen unterstützt. Eine umweltgerechte Energiepolitik ohne falsche Rücksichtnahme auf die Wirtschaft ist so nicht mehr möglich. Parteispenden aus der Wirtschaft sollten daher nach französischem Vorbild verboten werden, um die Unabhängigkeit der Demokratie zu gewährleisten.
Besonders dramatisch war die Entwicklung der Grünen von der Friedens- zur Kriegspartei. Ökologie ist aber in keinster Weise mit Krieg vereinbar. Er ist die höchste Form der Umweltzerstörung. Vergessen wir daher nicht: Es war ausgerechnet Joschka Fischer, der im Kosovo-Konflikt die erste deutsche Kriegsbeteiligung nach 1945 zu verantworten hatte. Auch in Afghanistan wird mit Unterstützung der Grünen ein Krieg geführt, der sich auch auf das Territorium einer Atommacht ausweitet – nämlich auf die pakistanische Grenzregion. Wer eine solche Politik unterstützt, spielt mit dem nuklearen Feuer.
In Fragen der Umwelt- und Energiepolitik vertreten Bündnis 90/Die Grünen das Konzept des so genannten "Green New Deal". Dieser verspricht eine ökologische Wende des Kapitalismus, die er nicht halten kann. Solange aber die Gewinnmaximierung das Handeln der großen Energiekonzerne bestimmt, wird es keine Energiewende geben – Ökologisches Wirtschaften bleibt im Kapitalismus grundsätzlich dem Profitstreben unterworfen.
Völlig unbeantwortet lässt der grüne Mainstream die soziale Frage und deren Wirkung auf die Umweltpolitik. Solange Menschen aus finanziellen Gründen darauf angewiesen sind, Regenwälder abzuholzen und Walfang zu betreiben, solange wird Umweltzerstörung stattfinden. Die umweltpolitische Strategie der Grünen drückt sich vor der Frage, ob der ungezähmte Kapitalismus, in dem das Prinzip der Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung dominiert, mit Ökologie überhaupt vereinbar ist.
Die Wählerinnen und Wähler der grünen Partei erzielen im Durchschnitt die höchsten Einkommen. Sie vertritt mehr und mehr die Interessen der Besserverdienenden. Ihr Konzept basiert dementsprechend auf dem Grundsatz "Ökologie durch Ausgrenzung". Der Millionär darf Auto fahren, die Hartz-IV-Empfängerin soll das Fahrrad nutzen. Diese Politik ist weder sozial, noch gerecht. Macht- und Eigentumsverhältnisse, die einer sozial-ökologischen Wende im Wege stehen, werden nicht kritisch hinterfragt. Ökologie und Umweltschutz können aber nicht losgelöst von der Eigentumsfrage betrachtet werden.
Ein zentraler Ansatzpunkt der LINKEN ist daher die Idee des Gemeinschaftseigentums. Es wird ökologischer genutzt als privater Besitz. Die US-amerikanische Ökonomin Elinor Ostrom hat dies in mehreren Studien nachgewiesen und dafür im Jahre 2009 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Ein wichtiger Schritt ist daher die öffentlich-rechtliche Energieversorgung und die Rückkehr zu einer staatlichen Preisregulierung, wie es sie in Deutschland jahrzehntelang gab. Genau solche Forderungen waren für Die Grünen in Nordrhein-Westfalen jedoch Anlass, eine Koalition mit der LINKEN im Düsseldorfer Landtag auszuschließen.
Mit dem Widerspruch von Schein und Sein bei Bündnis 90/Die Grünen – gerade auf dem Gebiet der Ökologie – sollte sich eine kritische Linke besonders intensiv auseinandersetzen.