Die Rente – gerecht für Generationen?
Heidi Scharf
Altbundespräsident Roman Herzog fordert in BILD die Rentnerinnen und Rentner auf, den Gürtel enger zu schnallen. Er selbst ist mit einer dicken Pension versorgt. Aber 1,1 Prozent mehr Rente im Jahr 2008 für 20 Millionen Rentner? Zu viel! Findet Herzog und fürchtet, dass die "Älteren die Jüngeren ausplündern".
Das ehemalige Staatsoberhaupt hat die gesetzliche Rente nicht verstanden. Die basiert auf einem einfachen Prinzip. Die jeweils Jungen zahlen für die jeweils Alten. Die heutigen Alten waren früher jung und haben mit ihren Beiträgen die Renten der damals Alten finanziert. Jetzt dürfen sie sich über Renten freuen, die von den Jungen finanziert werden. Auch für die lohnt sich die gesetzliche Rente. Irgendwann werden sie schließlich selbst alt sein. Dann wollen sie auch nicht im Stich gelassen werden. Die gesetzliche Rente ist die gelebte Solidarität zwischen den Generationen. Das ist gerecht und hat über Jahrzehnte gut funktioniert.
Dennoch erhalten neoliberale Scharfmacher wie Roman Herzog immer wieder die Gelegenheit, öffentlich gegen die vermeintlich gierigen Rentnerinnen und Rentner zu hetzen. Ihr Ziel: Sie wollen die Rente als Ganzes madig machen und den Weg für eine Privatisierung der Alterssicherung bereiten. Kein Zufall. Die Rente ist die wichtigste Säule des Sozialstaats. Niemand will krank, arbeitslos oder pflegebedürftig werden. Aber alle wollen in Würde alt werden. 85 Prozent des Einkommens aller Rentnerhaushalte kommt aus der gesetzlichen Rente. Wer die Rente kürzt, beschneidet die Lebenschancen der Menschen und trägt Angst in jedes Haus. Das Theater um die vermeintlich riesige "Rentenerhöhung" von 1,1 Prozent im Jahr 2008 soll eine wichtige Tatsache verdecken. Auch in diesem Jahr werden die Renten real sinken.
Wenn sich die Verbraucherpreise wie erwartet um über 3 Prozent erhöhen, dann haben die Rentnerinnen und Rentner am Ende des Jahres faktisch wieder zwei Prozent weniger in der Tasche. Die Rentenanpassung 2008 ist zudem ein Wahlgeschenk mit geringer Haltbarkeit. Die Aussetzung des Riesterfaktors ist eigentlich nur eine Verschiebung der schon beschlossenen Rentenkürzungen. Ab 2012 werden die Rentenkürzungen umso härter zuschlagen. Ab 2013 werden die Renten deshalb nach den Planungen der Regierung durchweg sogar noch niedriger ausfallen als bisher geplant.
Für ein Wahlgeschenk sind 1,1 Prozent reichlich mickrig. Als die gesetzliche Rente noch intakt war, sahen Rentenerhöhungen anders aus. Wer 1971 mit 65 in Rente ging und zunächst 500 Mark Rente bezog, konnte sich 1991 mit 85 über eine Verdreifachung seiner Rente freuen. Schon damals wurden die Menschen immer älter. Aber die Gewerkschaften konnten satte Lohnsteigerungen erkämpfen. Und die Renten stiegen mit den Löhnen. Mit diesem Prinzip hat erst die rot-grüne Regierung gebrochen. Seitdem wird aber auch Rentenpolitik nach Gutsherrenart gemacht. Und alle Regierungen seit Helmut Kohl haben mit einer Politik des Abbaus von Arbeitnehmerrechten versucht die Kampfkraft der Gewerkschaften zu schwächen. Unsere Alternative: Gute und sichere Arbeitsplätze, gute Löhne und eine intakte Rentenformel führen auch zu guten Renten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner – das sind keine Generationen, die einander ausplündern, sondern Verbündete im Kampf um ein besseres Leben.
Heidi Scharf ist Mitglied im Parteivorstand und Gewerkschaftspolitische Sprecherin der Partei DIE LINKE.