Die Frauen müssen überzeugt werden!
Kersten Artus
Arbeitszeit verkürzen und umverteilen – besonders wichtig für Frauen
Frauen können oft keine 40 Stunden die Woche erwerbstätig sein. Familiäre Pflichten – die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen – machen dies unmöglich. Viele Frauen steigen sogar jahrelang ganz aus dem Berufsleben aus, und nicht selten nie wieder richtig ein. Dadurch entstehen ihnen etliche Nachteile. Der Schlimmste ist lebenslange Abhängigkeit. Vom Lebengefährten, weil er den Großteil des Haushaltseinkommens bestreitet. Vom Staat, wenn der Vater wie so oft nicht zahlt, wenn die Familie auseinander bricht. Oder, wenn das Einkommen zum Leben nicht reicht. Frauen ohne ausreichend bezahlten Vollzeitjob benötigen überproportional oft Hartz-IV-Leistungen. Sie sind ebenso überproportional Alleinerziehende, sie arbeiten überproportional in Teilzeit. Für Frauen ist Arbeitszeitverkürzung bereits Realität – schlecht bezahlt, ohne Lohnausgleich.
Männer müssen objektiv nicht kürzer arbeiten, auch wenn es ihnen gut tun würde. Doch der Mann identifiziert sich vorwiegend über seinen beruflichen Status und seine Aufstiegsmöglichkeiten. Und die Organisation in den Betrieben braucht Menschen, die ihre Arbeitskraft den ganzen Tag zur Verfügung stellen und nicht auf die Öffnungszeiten von Kitas angewiesen sind.
Damit die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich den Wunsch weckt, sie auch durchzusetzen, muss das kapitalistische Wirtschaften in Frage gestellt und das dialektische Verhältnis zwischen Produktion und Reproduktion verdeutlicht werden. Daher ist auch dem Bedingungslosen Grundeinkommen eine bedingungslose Absage zu erteilen. Es verwässert die Ursachen von Armut, Frauendiskriminierung und Massenarbeitslosigkeit und manifestiert den Kapitalismus. Wer die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich durchsetzen möchte, muss zuerst die Frauen gewinnen: Für ein unabhängiges Leben, das alles beinhaltet: Arbeit, Selbstbestimmung, Liebe, Familie – ohne Armut, ohne Verzicht. Sie müssen davon überzeugt werden, dass dies ihre Menschenrechte sind, die erkämpft werden können.
Kersten Artus, MdHB ist Mitglied in der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft und Fachsprecherin der Fraktion für Frauen-, Gewerkschafts-, Medien- und Gesundheitspolitik