Die Angst geht um, bei der Bahn.
Susanne Danowski
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Anzahl sich seit 1994 halbiert hat, fürchten um ihre Arbeitsplätze, ihr sicheres Einkommen und um den Bestand des Tarifwerkes.
Die Führungsetagen der DB fürchten sich auch: Vor angemessenen Tarifforderungen, vor allem vor dem Scheitern der Privatisierungspläne. So schickt Herr Mehdorn am 04.09.2007 einen Brief an alle rund 200.000 Beschäftigten der Bahn. Lobenswerter Weise zahlt er dabei das Porto wenigstens der Deutschen Post, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (noch) tarifliche Löhne zahlt
Er schreibt: "Wir haben – gemeinsam – die Deutsche Bahn AG in einem langen und oft schmerzhaften Sanierungsprozess in die schwarzen Zahlen gebracht. Dafür mussten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konzerns über lange Jahre Opfer bringen …." Das stimmt für fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon und nun werden sie bedroht, dass weitere Lohnforderungen die Bahn wirtschaftlich in den Ruin treiben würden. Das lässt sich gut behaupten, wenn man seinen eigenen Anteil bereits ins Trockene gebracht hat, indem die Bezüge, von Lohn mag man bei Herrn Mehdorn gar nicht reden, innerhalb von 5 Jahren mehr als verdoppelt wurden. Wofür?
Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat sich die Verantwortung erhöht, wurde die Arbeit über das erträgliche Maß hinaus verdichtet, wurde die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich heraufgesetzt, wurden soziale Errungenschaften abgeschmolzen und nun werden ihre Forderungen am Erfolg der Bahn zu partizipieren als unzulässig erklärt? Wozu wird der Gewinn gebraucht, wenn er nicht in einem absolut angemessenen Umfang auch an die verteilt wird, die ihn schließlich erwirtschaftet haben?
Die "Braut" soll geschmückt werden, die "Aussteuer" soll lukrativ erscheinen. Damit sich Investoren finden, wird die Bahn in appetitliche Stückchen zerlegt. So erleben es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn seit Jahren.
Seit März 2007 liegt der Gesetzentwurf zur Privatisierung der Deutschen Bahn AG vor. Demnach sollen bis zu 49 Prozent der Bahn an private Investoren verkauft werden. Gleise und Bahnhöfe sollen zwar formal in öffentlichem Eigentum bleiben – ohne dass der Bund jedoch weiterhin darüber bestimmen darf, tritt er doch faktisch für die nächsten 15 Jahre alle Rechte an die teilprivatisierte DB AG ab. Die darf dann – in einer rechtlich bisher einmaligen Konstruktion – die Infrastruktur betreiben und bilanzieren. Sie verfügt also faktisch über die Gleise und Bahnhöfe. Wenn der Bund nach 15 Jahren die Kontrolle über Gleise und Bahnhöfe wieder erlangen möchte, muss er voraussichtlich sehr teuer bezahlen. Damit nicht genug: Nach der Teilprivatisierung bezahlt der Bund weiterhin jährlich rund zwölf Milliarden Euro für das System Schiene (Erhaltung, Neubau, Nahverkehr). Diese Gelder werden die Renditen privater Investoren absichern. Der einzige Vorteil des Bundes wäre ein einmaliger Erlös in Höhe von drei bis sechs Milliarden Euro beim Anteilsverkauf. Dagegen stehen in den nächsten 15 Jahren mehr als hundert Milliarden Euro Zahlungen für den Schienenverkehr. Die Bahn ist als umweltverträglichster motorisierter Verkehrsträger eine Option für die Zukunft. Mit dem Verkauf wird Zu(g)kunft verschenkt.
Das hier nicht ein Ausverkauf von öffentlichem Eigentum entgegen der Meinung der klaren Mehrheit der Bevölkerung stattfindet, hat die AG Betrieb & Gewerkschaft einen Beschlussentwurf gegen die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn in den Parteivorstand der LINKEN eingebracht, der am 25.08.2007 beschlossen wurde. Darin heißt es auszugsweise: Es darf keine Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn geben. Sie würde einen gravierenden Bruch des Grundgesetzes, das die Gewährleistung der Verkehrsdienstleistungen und Infrastrukturausstattung durch den Staat festschreibt, darstellen. Wir fordern den Erhalt der DB im vollständigen Eigentum des Bundes als Voraussetzung für eine moderne, kundenorientierte, sichere und bezahlbare Bahn. Alle Mitglieder der Partei DIE LINKE sind aufgerufen, gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Antiprivatisierungsbewegungen ihren Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung nochmals zu intensivieren.
Der geplante Börsengang würde die größte Verschleuderung öffentlichen Eigentums in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Auch deshalb haben sich mehr als 70 Prozent der Bevölkerung gegen die Bahnprivatisierung ausgesprochen. Der Vorschlag, die Privatisierung mit so genannten "Volksaktien" durchzuführen, ist keine Alternative zur Erhaltung der Bahn im Eigentum des Bundes. Das zeigen auch die Erfahrungen mit der ebenfalls als "Volksaktie" propagierten Telekom-Aktie und das Verhalten des Telekom-Konzerns seit der Privatisierung.
Gerade unter den allgemein anerkannten Bedingungen des dramatischen Klimawandels darf die Bahn nicht verkauft werden. Sie ist das gegenwärtig umweltfreundlichste motorisierte Verkehrsmittel mit einem großen ökologischen Entwicklungspotential. Eine weiter und verstärkt auf Rendite orientierte Unternehmenspolitik würde das Schienennetz weiter kappen, Strecken stilllegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, Lohndumping begünstigen, dem öffentlichen Mobilitätsbedarf im Personen- und Güterverkehr nicht entsprechen, den Erhalt und den Ausbau der Schieneninfrastruktur gefährden und enorme Haushaltsrisiken für die öffentliche Hand herbeiführen. Seit Beginn der bereits im Vorgriff auf die geplante Privatisierung verfolgten Bahnreform wurde die Zahl der Beschäftigten bereits um über 200.000 Menschen halbiert, Realeinkommen und Arbeitsbedingungen erheblich verschlechtert. Die Privatisierungspläne der Bundesregierung würden weitere Zehntausende Arbeitsplätze gefährden.
Mit einem Börsengang besteht die Gefahr, dass noch mehr Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert wird.
Die Partei DIE LINKE erklärt sich solidarisch mit den von den Privatisierungsplänen betroffenen Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern und unterstützt die von den Gewerkschaften beschlossene Ablehnung der Privatisierung der DB AG. Sie unterstützt das Bündnis "Bahn für alle".
Susanne Danowski ist Bundessprecherin der AG Betrieb & Gewerkschaft der LINKEN