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Diskussion um mehr Partizipation und Autonomie der Sorben fortsetzen, und zwar ohne Zeitdruck!

Seit drei Monaten werden unter den Sorben/Wenden zwei Modelle für die Erweiterung der politischen Rechte der Minderheit diskutiert: die Schaffung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts einerseits und die Stärkung der Domowina andererseits. Nach der Sitzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Ethnische Minderheiten erklären die SprecherInnen der AG, Renate Harcke und Heiko Kosel:

Die PDS, seit 2007 DIE LINKE, hat sich seit 1990 für breitere Mitwirkungsrechte des sorbischen Volkes eingesetzt. Für unsere Partei war und ist dies eine der Lehren, die wir aus der Auseinandersetzung mit der Praxis der Nationalitätenpolitik in der DDR gezogen haben.

Genau aus diesem Grund unterstützt DIE LINKE die laufende Diskussion über die Schaffung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Diese Körperschaft würde nach unserer Auffassung die Möglichkeiten der Sorben zur Selbstbestimmung in ihren eigenen Angelegenheiten spürbar erweitern. In einem von allen Sorben/Wenden gewählten "Parlament" (bisher als Versammlung bezeichnet) könnten die für das Volk wichtigen Entscheidungen erstmals allein durch Vertreter des Volkes getroffen werden. Die Vielfalt der Auffassungen und Vorstellungen, die es unter den Sorben/Wenden gibt, würde in den Willensbildungsprozess einfließen, Entscheidungsprozesse könnten – im Vergleich zu heute - transparenter werden.

Wir verstehen nicht, warum eine Vielfalt von Meinungen in einer solchen Versammlung von manchen als Gefahr für die Interessenvertretung der Sorben dargestellt wird. Unverständlich ist - angesichts bisheriger Erfahrungen - das "Argument", in einer solchen Körperschaft würden Parteien großen Einfluss nehmen. Schon gar nicht nachvollziehbar ist, wenn 20 Jahre nach der Wende einige meinen, die DOMOWINA könnte dadurch gestärkt werden, dass alle Sorben in ihr Mitglied werden. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts würde auch keine "Ethnisierung" von sorbischen Problemen bedeuten und die deutsche Mehrheitsgesellschaft aus ihrer Verantwortung für den Fortbestand des sorbischen Volkes entlassen. Das sorbische Volk würde vielmehr seine spezifischen Interessen in einer spezifischen Rechtsform, die der der evangelischen oder katholischen Kirche vergleichbar ist, vertreten und versuchen, deren Umsetzung im Miteinander mit den Deutschen zu befördern.

Geradezu unlauter – um es vorsichtig auszudrücken – ist die auch aufgestellte Behauptung, die Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts würde die Auflösung der DOMOWINA bedeuten. Das Gegenteil ist der Fall: Neben einer aus allgemeinen, freien, gleichen und geheimen Wahlen entstandenen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die in freier Selbstbestimmung die wesentlichen politischen Entscheidungen für das Volk trifft, wird es weiter die DOMOWINA mit ihren Mitgliedsverbänden als zivilgesellschaftliche Organisation geben. Ihre Möglichkeiten werden sich dadurch erhöhen, dass sie auf die organisatorische Unterstützung durch die Körperschaft zurückgreifen kann.

Ein ausschließlich aus Sorben bestehender Stiftungsrat (wie im Modell 2) ändert hingegen gegenüber der bisherigen Praxis fast nichts. Denn dem Stiftungsrat soll ja ein Verwaltungsrat beigeordnet werden, der in allen wesentlichen Haushaltsfragen sein Veto einlegen und allein entscheiden kann. Denn dieser Verwaltungsrat besteht ausschließlich aus Vertretern der Zuwendungsgeber Bund, Brandenburg und Sachsen.

DIE LINKE plädiert für die Fortsetzung der Diskussion über beide Modelle, und zwar ohne Zeitdruck.

Nicht einige wenige sorbische Gremien und schon gar nicht die Zuwendungsgeber, sondern das sorbische Volk muss entscheiden, wie viel Partizipation, wie viel Autonomie, wie viel Selbstbestimmung es künftig haben will. Es geht nicht um eine abstrakte akademisch-juristische Debatte. Vielmehr muss bestimmt werden, welche Probleme dem Volk "auf den Nägeln brennen" und welche Aufgaben anders als bisher gelöst werden müssen. Davon ausgehend ist die passende Organisationsform zu wählen und deren konkrete Ausgestaltung zu bestimmen.

Gerade jetzt, am Vorabend des 100. Jahrestages der Gründung der DOMOWINA sollte diese Diskussion in der Lausitz intensiv geführt werden. Eingedenk der Traditionen und Erfahrungen des sorbischen Volkes - im Interesse des Fortbestands des sorbischen Volkes!