Europäische Zusammenarbeit linker Parteien und Bewegungen stärken – europapolitische Strategien entwickeln – AG Europa fortsetzen
Beschluss des Parteivorstandes vom 15. Juni 2025
I. Politische Kernpunkte
Integrationsprozesse beeinflussen in hohem Maße die lebensweltlichen Verhältnisse der Bürger*innen in allen Gesellschaften beteiligter Staaten und Regionen, so auch die seit über sieben Jahrzehnten wirtschaftlich und politisch vorangetriebene europäische Integration.
Das bisher neoliberal geprägte Projekt EU steht in diesem Jahrzehnt wie kaum je zuvor unter Druck: Alle gesellschaftlichen Akteure sind angesichts der rasanten weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Veränderungen herausgefordert zu bestimmen, wie der Integrationsprozess fortgesetzt werden kann und soll. Die EU steht an einem Scheidepunkt, sie läuft Gefahr, nach innen destruktiver und reaktionärer und nach außen militaristischer ausgerichtet zu werden. Die Linke in Deutschland, ebenso wie linke Parteien und viele andere progressive Kräfte und Bewegungen in der EU stehen vor der Aufgabe überzeugende Gegenstrategien zu entwickeln, klare gestalterische Ansprüche und Forderungen zu erarbeiten und damit verbunden praktisch-politische Schritte zu gehen, die Veränderungspotentiale für europäische Politik glaubhaft erschließen und zugleich tiefgreifende Reformen der Integrationsprozesse der EU unterstützt was eine intensive Zusammenarbeit mit europäischen Schwesterparteien geradezu erfordert und hilft, Spaltungen unter linken und progressiven Kräften zu überwinden. Der Neuaufbau der Partei Die Linke in Deutschland ist ohne eine strategisch fundierte Europapolitik nicht denkbar.
Spätestens seit den Europawahlen 2024 steht die Partei der Europäischen Linken (EL) vor der Herausforderung und konkreten Aufgabe, ihre politische Wirksamkeit, ihren Gebrauchswert und ihre Rolle in den gesellschaftlichen Kämpfen um die Ausrichtung des Integrationsprozesses selbstkritisch zu hinterfragen und daraus schlussfolgernd weitreichende Reformprozesse durch alle Mitgliedsparteien und Beobachterparteien in Angriff zu nehmen. Die Generalversammlung der EL (26./27. April 2025) hat in diesem gemeinsamen Verständnis Schritte zur Neuaufstellung eingeleitet, die bis zum Frühjahr 2026 in den Mitgliedschaften der Parteien beraten und auf dem nächsten ordentlichen Parteikongress im 1. Quartal 2026 beschlossen werden sollen.
Parallel dazu entsteht mit der neuen Parteienplattform Allianz der Europäischen Linken für die Menschen und den Planeten (ELA) ein zweites Projekt links-progressiver Kräfte, das mit seinem Gründungskongress (13.-15.Juni 2025) politische Sichtbarkeit beanspruchen wird. Initiatoren dieses politischen Projekts sind auch einige Parteien, die vorher als Mitglieds- oder Beobachterparteien in der EL mitwirkten.
Programmatisch sind sich die beiden europäischen politischen Parteien im Sinne der geltenden EU-Gesetzgebung über die politischen Parteien und Stiftungen sehr ähnlich. (Vgl. Anlage 1)
Diese Entwicklung führt zu einer doppelten Herausforderung für die Partei Die Linke:
Einerseits muss sie sich konstruktiv und reformorientiert in die internen Reformprozesse der EL einbringen und diese in ihren Parteiaktivitäten auch in Deutschland einbringen, zumal die EL sehr unterschiedliche, vielgliedrige Arbeitsstrukturen entwickelt hat, die es auch für DIE Linke nicht nur zu erschließen, sondern gleichermaßen mit unseren Erfahrungen und Debatten und programmatischen Arbeiten zu bereichern gilt.
Andererseits erfordert die Existenz unterschiedlicher Zusammenarbeitsstrukturen linker Parteien wie EL und ELA, aber auch die Funktionalität der sich konföderal aufstellenden linken Fraktion im Europaparlament sowie das Agieren anderer Linkskräfte, die sich organisationspolitisch nicht in fest geprägte Strukturen einbinden wollen, eine klare strategische Positionierung: Handlungsfähigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern und vor allem transnational überzeugende linke Alternativen im europäischen Maßstab zu erarbeiten und zu realisieren.
Die Europäische Linke als Organisation kann nur so stark und wirksam sein, wie ihre einzelnen Mitgliedsparteien ihrer Verantwortung und Mitwirkung in dieser Struktur gerecht werden. Die EL muss eine inklusive Rolle spielen und offen sein für partizipative Ansätze. Ein glaubwürdiger Neuaufbau auch der Linken in Deutschland bedarf das konsequente Berücksichtigen der europäischen Mehr-Ebenen-Dimension im Interesse linker Politikentwicklung – programmatisch wie organisatorisch. Gelingt uns, aber auch anderen linken Parteien sowohl in der EL aber auch in der ELA das in naher Zukunft nicht, werden die nationalen Einflussmöglichkeiten der Partei Die Linke wie die anderer auf die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse stark begrenzt bleiben.
II. Nächste Schritte
1. Weitere Begleitung des Reformprozesses in der EL und Befähigung der Mitgliedschaft unserer Partei zur stärkeren Teilhabe am politischen Leben der EL in Verantwortung des Parteivorstands
Dem 10. Parteitag der Partei Die Linke, geplant für 2026, ist ein Vorschlag und Aktionsplan für die Einbettung europäischer Perspektiven in den Programmprozess sowie für die weitere internationalistische, europapolitische Kooperation der Linken vorzulegen. Dabei sollen insbesondere folgende Aspekte im Vorfeld auch in der Mitgliedschaft erörtert werden:
- Herausforderungen für die Einflussnahme auf und aktive Mitgestaltung von europäischen Transformationsprozessen im Bereich sozial-ökologischer Umbau, Soziales, Demokratie, Frieden und Sicherheit, Migration, Kultur und Gesundheit.
- Anforderungen an eine partizipatorische, politisch wirksame europäische Zusammenarbeit linker Parteien.
- Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen EL und der neuen Plattform ELA sowie der entsprechenden europäischen Stiftungsstrukturen.
- Intensivierung des Austauschs und der strukturellen Zusammenarbeit linker Abgeordneter in den parlamentarischen Vertretungen auf EU-, Nationalen und regionalen Ebenen
Die Linke wird sich in diesem Sinne aktiv an der Vorbereitung des EL-Kongresses 2026 beteiligen.
2. Weitere Beauftragung der Arbeitsgruppe Europa zur Klärung der Sachlage
Die AG Europa wird beauftragt, ihre Arbeit fortzusetzen und Vorschläge für die innerparteiliche Debatte zur strategischen Ausrichtung der europäischen Zusammenarbeit zu machen. Sie unterstützt den Parteivorstand bei der Erarbeitung einer Entscheidungsgrundlage für den nächsten Parteitag 2026. Damit sind Handlungsempfehlungen zu entwickeln, wie Die Linke eine vermittelnde und integrative Rolle in diesem Prozess einnehmen kann.
3. Politische Zielsetzung:
Ziel ist es, einer Polarisierung und Fragmentierung innerhalb der europäischen Linken entgegenzuwirken und eine Stärkung gemeinsamer Handlungsperspektiven zu ermöglichen. Die Partei Die Linke soll sich in der laufenden Reformdebatte innerhalb der Europäischen Linken (EL) dafür einsetzen, dass:
gemeinsame strategische Handlungsfelder mit anderen linken Akteuren definiert werden,
politische Praxisnähe und Eingriffsfähigkeit gestärkt werden,
inklusive, transparente und basisdemokratische Strukturen gefördert werden,
die Debatte unsere Basis erreicht und transparent in verschiedenen Gliederungen aufgegriffen wird. Dafür sollte eine digitale Beteiligungsplattform zur breiten Einbindung der Parteibasis initiiert werden. Möglichkeiten der dezentralen Kooperation mit Mitgliedern anderer linker Parteien sind zu unterstützen.
die Beteiligung an Aktivitäten der EL – insbesondere bei der Erarbeitung politischer Positionen in den thematischen Cluster, Netzwerken und Arbeitsgruppen (siehe Anlage), in den Bereichen Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit sowie Kampagnenumsetzung – und deren proaktive Stärkung. Die Linke muss aktiver zur Handlungsfähigkeit der EL beitragen, um gemeinsam beschlossene Aktivitäten und Kampagnenschritte aktiv mitzugestalten und umzusetzen.
4. Diskussionsprozess zur Neuausrichtung der Europapolitik
Die Partei Die Linke eröffnet m Rahmen ihres Parteiprogrammprozesses einen umfassenden Diskussionsprozess zur konsequenten Weiterentwicklung ihrer Europapolitik. Ziel ist die Erarbeitung eines europapolitischen Gesamtkonzepts, das sowohl programmatische Klarheit als auch konkrete Vorschläge zur Zusammenarbeit mit linken Kräften in Europa (insbesondere EL, ELA und The LEFT) umfasst. Die Partei setzt ihre solidarische Zusammenarbeit mit anderen linken Parteien und progressiven Kräften fort, einschließlich der linken europäischen Parteien.
Dafür schafft sie geeignete Strukturen, die diese Aufgabe politisch, organisatorisch und inhaltlich tragen und umsetzen können. Das erfordert die Zusammenführung vorhandener Potentiale und entsprechende finanzielle und personelle Voraussetzungen. Mit Blick auf die gegenwärtigen Bestrebungen der Bundesregierung, deutsche Hegemonie und Einflussnahme in Europa auszubauen und dem verstärkten Wirken rechtsextremer und populistischer Kräfte, die EU-Integration zu dekonstruieren bekommt diese Dimension im Programmprozess auch mit Blick auf die Europawahl 2029 besondere Dringlichkeit.
Dabei ist sicherzustellen, dass die gesamte Partei mit all ihren Strukturen und Gliederungen – von Landesverbänden, Landes- und Bundestagsfraktionen bis hin zur Europafraktion, relevanten LAGs, BAGs, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Vertreter:innen der Partei in Europäischen Linken und weiteren interessierten Akteur*innen – aktiv in diesen Prozess eingebunden wird und ihn gemeinsam mitgestaltet.