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Siebenter Parteitag

Wir sind die Sozialstaatspartei - gemeinsam und geschlossen können wir viel erreichen

Rede des Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, Dietmar Bartsch

Liebe Genossinnen und Genossen, wir alle haben so einen Bundesparteitag noch nicht gehabt. Kein Treffen mit den Delegierten, kein Bier am Vorabend, keine Umarmung. Es fehlt ein Stück die Atmosphäre, die einen traditionellen Parteitag ausmacht.

Und trotzdem: ich freue mich auf diesen Parteitag. Ich freue mich vor allen Dingen auf den Aufbruch, der von diesem Wochenende ausgeht. Wir brauchen diesen Aufbruch und viele Menschen in diesem Land erwarten diesen Aufbruch, liebe Genossinnen und Genossen.

Aber zuerst will ich meinen Dank aussprechen. Dank an den bisherigen Parteivorstand und Dank an die noch amtierenden Vorsitzenden. Liebe Katja, lieber Bernd – danke für eure Arbeit, wenn wir es auch miteinander nicht immer leicht gehabt haben, wie wir wissen.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben in diesem Jahr 9 Wahlen vor der Brust – Kommunalwahlen, Landtagswahlen und nicht zuletzt entscheidend die Bundestagswahl.

Dieser Parteitag hat eine spezielle Ruhe. Doch als Norddeutscher weiß ich: nach der Ruhe kommt der Sturm. Und um im Sturm zu bestehen, liebe Genossinnen und Genossen, da braucht es eine starke Mannschaft, braucht es Zusammenhalt und da braucht es Teamspiel. Ich freue mich, dass die Partei hier mit Janine und Susanne zwei Frauen an die Spitze wählen wird, die bewiesen haben, dass sie bei Sturm bestehen können und einen klaren Kompass haben, die Nadel immer ausgerichtet auf einen klaren Sozialstaat und die vor allen Dingen auch für konkrete Erfolge stehen.

Und Erfolge, liebe Genossinnen und Genossen, sind für uns das Schlüsselwort. Lasst uns mehr über unsere Erfolge reden. Wenn wir unsere Stärken in die Waagschale werfen, wenn wir von unseren Erfolgen reden und unsere Erfolge ins Schaufenster stellen, dann können wir viel erfolgreicher sein.

Nehmt das Beispiel Thüringen, hier schon mehrfach erwähnt. Seit sechseinhalb Jahren ist Bodo Ramelow hier linker Ministerpräsident. Wer hätte das damals bei der Fusion von PDS und WASG gedacht? Und Susanne ist als Fraktions- und Parteivorsitzende die allerwichtigste Stütze.

Oder Janine, die in Hessen über Jahre eine kämpferische Fraktion erfolgreich anführt.

Aber lasst uns auch viel mehr über Bremen reden. Wir haben dort ein Mitte-Links-Bündnis mit der Gesundheits- und der Wirtschaftssenatorin, die wirklich viele Erfolge vorweisen können. Das Beispiel der Masken-Verteilung, in Bremen als erstem Bundesland erfolgt. Kristina Vogt ist jetzt ausgezeichnet worden von der Initiative "Alarmstufe Rot", weil sie deren Interessen als Wirtschaftssenatorin so gut wahrgenommen. Wir können darauf stolz sein!

Oder hier in Berlin, da haben wir es geschafft, dass es sinkende Mieten gibt. Es ist doch sensationell, was hier mit dem Mietendeckel passiert ist! Das ist ein so mutiger Schritt zur Stärkung des Mieterschutzes! Wir sind die Mieter/innen-Partei! Im Gegensatz zu dem, was hier im Bund gelaufen ist in der letzten Woche, das muss man sich mal angucken. Da hat der Seehofer eine Konferenz gemacht, das war blamabel. Schwindende Sozialwohnungen, wir haben vielfach explodierende Mieten, verödete Ortskerne in vielen Städten – das ist die Bilanz der Bau-Politik der Bundesregierung. Hier in Berlin haben wir andere Weichen gestellt.

Oder was Klaus Lederer in der Kultur-Branche hinbekommt, das kann sich mehr als sehen lassen. Ich würde mir wünschen, dass Klaus hier in Berlin nach dem September Regierender Bürgermeister wäre. Das wäre mal eine Ansage in der Hauptstadt!

Wo wir gerade bei Hauptstädten sind: ich will noch einmal den Blick in die ehemalige, nach Bonn werfen. Dort haben wir es geschafft – Michael Faber und seine Genossinnen und Genossen und viele andere -, dass es in Bonn ein Mitte-Links-Bündnis gibt. Auch das war doch undenkbar, als wir damals Anfang der 90er Jahre nach Bonn gegangen sind.

Ja, wir sollten stolz sein auf das, was wir geschafft haben! Und hin und wieder auch mal Glückwunsch sagen.

Liebe Genossinnen und Genossen, die Krise wird uns einen klaren Kurs abverlangen: soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit. Die Verächter des Sozialstaates stehen doch schon jetzt mit dem Kürzungshammer in den Startlöchern. Und ihnen bieten wir die Stirn!

Die Menschen haben die Pandemie satt. Aber sie sind es auch leid, eine Bundesregierung zu erleben, die sich als unfähig erweist, das Land gut durch die Krise zu navigieren. Ich will nur wenige Beispiele nennen.

Die Bundesregierung hat 150 Euro einmalig für Menschen im Hartz IV- und Grundsicherungsbezug beschlossen. Nach mehr als einem Jahr Krise. Was für ein Hohn, wenn man das vergleicht damit, dass der Eigentümer von LIDL in dieser Zeit sein Vermögen um 14 Milliarden Euro gesteigert hat. Und das sind nicht seine Gewinne, die er erwirtschaftet hat, sondern eher die, die die Verkäuferinnen und Verkäufer erwirtschaftet haben. Das ist doch unfassbar!

Wenn ich mir angucke, was letzte Woche bei der Bilanz-Pressekonferenz von Daimler erzählt worden ist – und ich bin nun wirklich kein Gegner des Auto-Standorts Deutschlands im Gegensatz zu dem einen oder anderen. 6,6 Milliarden Euro Gewinn. Obwohl der Umsatz um 11 Prozent und der Absatz um 15 Prozent eingebrochen sind. Die Erhöhung der Dividende um 3,6 Milliarden Euro. Und der Konzern hat Kurzarbeitergeld abgefasst und Corona-Staatshilfen abgefasst. Da ist doch etwas nicht in Ordnung!

11 von 12 DAX-Konzernen, die Kurzarbeitergeld abgefasst haben, haben 13 Milliarden Dividende ausgeschüttet. Das ist unfassbar, wenn eine Bundesregierung da einfach zuschaut! Es ist eine Sauerei ohne Ende, wenn wir nach der Krise mehr Milliardäre haben als vor der Krise. Und gleichzeitig zugelassen haben, dass in der Krise Kinder aus den ärmsten Familien zu den Verlierern geworden sind.

Ich will Frau Karliczek nicht mit Herrn Scheuer vergleichen, der hat Hunderte Millionen versenkt und hätte lange, lange weg sein müssen. Aber wer in der größten Bildungskrise der letzten Jahre so abtaucht, der hat in diesem Amt nichts verloren. Meine Kollegin Gesine Lötzsch hat bei einer Rede, die ich im Bundestag gehalten hab, die schlichte Frage gestellt: Was macht diese Frau eigentlich beruflich? Und damit hat sie sehr recht gehabt.

Aber die Kanzlerin, die schleppt sie alle durch. Augen zu und durch bis zur politischen Rente im September. Und, liebe Genossinnen und Genossen, das können wir nicht akzeptieren!

Wenn ich dann noch Herrn Altmaier sehe. Die November- und Dezember-Hilfen sind immer noch nicht voll ausgezahlt. Am Montag haben wir März und Altmaier hängt immer noch im Jahr 2020 fest. Sein Krisenmanagement ist Beihilfe zum Sterben unserer Innenstädte, liebe Genossinnen und Genossen!

Die Menschen im Land wünschen sich ein Ende der Krise. Aber ein Ende der Krise bedeutet nicht zurück zu den Zuständen vor der Krise. Nach der Krise dürfen eben nicht die DAX-Vorstände im Fokus der Politik stehen, sondern es muss um die Zurückdrängung von Kinder- und Altersarmut gehen. Es muss darum gehen, was die Beschäftigten und Selbständigen tun, die von der Hand in den Mund leben müssen. Und um die Rentner, die kein Geld für die Heizung haben. Und es muss vor allen Dingen auch um das Gesundheitssystem gehen, das durchkommerzialisiert und auf Kante genäht worden ist. Hier braucht es ganz dringend einen Kurswechsel!

Was ist das für eine Arroganz: Frau Merkel und Herr Spahn applaudieren im Bundestag den Pflegerinnen und Pflegern, tun aber letztlich nichts dafür, um die Löhne deutlich anzuheben und mehr Menschen für diesen Job zu begeistern. Jetzt gibt es nicht einmal einen bundeseinheitlichen Tarifvertrag in der Pflege! Das war doch das Mittel, was Hubertus Heil, Frau Giffey und Herr Spahn genannt haben zur Lohnerhöhung. Das ist ein solcher Skandal! Sie sind grandios gescheitert und damit auch die Bundeskanzlerin!

Aber die 119 Milliardäre in Deutschland, die haben in der Krise hundert Milliarden Euro mehr. Das ist nur noch pervers. Die Wirtschaft liegt am Boden, je kleiner der Betrieb, desto dramatischer ist die Lage und desto weniger Hilfe gibt es von Scholz und Altmaier.

Gleichzeitig wird auf dem Oberdeck aus den Magnus-Flaschen Schampus getrunken und werden Jobs ins Ausland verlagert. In diesem Land tragen die stärksten Schultern den kleinsten Rucksack. Das kann nicht so bleiben. Unser Land kann sich das nicht länger leisten. Wir müssen der Mehrzahl der Menschen die Last von den Schultern nehmen. Die Mehrzahl der Menschen muss entlastet werden, liebe Genossinnen und Genossen!

Deswegen haben wir im Übrigen in der Bundestagsfraktion entschieden, ein Konzept zur einmaligen Vermögensabgabe zu entwickeln, was wir gemeinsam mit dem DIW gemacht haben. Danke dafür auch noch einmal an Fabio de Masi, der leider aufhört, der hier einen hervorragenden Beitrag geleistet hat. Das ist wichtig: bei denen zu nehmen und anderen zu geben, das ist die dringende Aufgabe, die wir als Linke haben.

Und ganz nebenbei, weil das heute vielfach eine Rolle gespielt hat, müssen wir auch feststellen, dass bei der Bundeswehr und bei der Rüstungsindustrie unter Schwarz-Rot weiter die Korken knallen. Mitten in der Krise – mitten in der Krise! – werden für die Verteidigung im nächsten Jahr nach NATO-Angaben 53 Milliarden bereitgestellt. Das ist doch ein unfassbarer Vorgang! Niemand braucht eine Regierung, die aufrüstet bis sich die Balken biegen. Und niemand braucht eine Regierung, die die Bundeswehr in 12 Auslandseinsätze schickt und bei Waffen-Exporten gegen ihren eigenen Koalitionsvertrag handelt. Da steht "restriktiver" und sie haben höhere Rüstungsexporte als jemals zuvor!

Wir haben jetzt gerade 20 Jahre Afghanistan und da gibt es sogar einige, die reden wirklich von einem Erfolg. Nein! Diese 20 Jahre sind ein einziges Desaster. Tausende tote Zivilisten, über 50 tote Bundeswehr-Soldaten, Milliarden sind dort versenkt worden. Das einzige, was dort funktioniert, ist der Mohnanbau. Nein, ich sage ganz deutlich: mit uns wird es keine Fortsetzung eines Afghanistan-Einsatzes geben, liebe Genossinnen und Genossen, und zwar ohne Wenn und Aber! Mit uns wird abgerüstet und der Verteidigungshaushalt reduziert! Uns bedroht nämlich keine fremde Armee, uns bedroht ein Virus und uns bedroht die soziale Spaltung. Und dagegen helfen keine Panzer, sondern nur Solidarität und soziale Sicherheit!

Liebe Genossinnen und Genossen! 16 Jahre Angela Merkel bedeuten eine Zäsur. Und ich sage ganz klar: diese Politik darf so nicht weitergehen! Ich will die Kanzlerschaft in zwei Zahlen zusammenfassen:

In den Jahren der Kanzlerschaft von Angela Merkel hat sich die Zahl der Vermögensmillionäre verdoppelt. Und in dieser Zeit hat sich die Zahl der Kinder in Armut genauso verdoppelt. 16 Jahre Angela Merkel haben das Land gespalten!

Aber um das auch ganz klar zu sagen: in diesem Wahlkampf sollten wir nicht, wie heute hin und wieder, über Konstellationen reden. Über Konstellationen – da kann ich nur jedem empfehlen noch einmal nachzulesen bei Bernstein und Luxemburg – ist alles gesagt und alles andere ist nur ein Aufguss! In diesem Wahlkampf kämpfen wir nur für uns! Die LINKE muss stark werden und keine andere Partei ist unser Bezugspunkt. Maximierung unseres Wahlkampfes!

Eines unterscheidet uns von vielen anderen. Wir können gesichert sagen – ganz sicher und das glaubt uns auch jeder – wir werden niemals mit der Union koalieren. Das sagt im Übrigen die Union zu uns auch. Und wenn ich noch eine Bemerkung zur Union machen darf: der Skandal, der da gestern aufgeploppt ist. Herr Nüßlein aus Bayern. Hunderttausende. Im Kern ist das Korruption. Und es ist nicht der erste Fall. Es war da schon Frau Strenz aus meinem Bundesland und über Philipp Amthor will ich gar nicht reden.

Wenn die Grünen sich mit Söder und Laschet in die Federn legen wollen, dann sagt das über die was. Und wenn bei der SPD das Nein zur GroKo immer nur bis zum Wahlabend hält, dann sagt das über die etwas.

Wir sagen gesichert: mit denen nicht! Wir machen Politik für die Portemonnaies derjenigen, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Wir sind die Sozialstaatspartei, liebe Genossinnen und Genossen!

Wir werden als Bundestagsfraktion die nächsten Wochen nutzen, wie auch schon in der Vergangenheit, das haben Bernd, Katja und Amira heute schon deutlich gemacht: ob eine Rente für alle, ein Ende der Hartz-IV-Sanktionen oder ein Ende der Ausgaben für Rüstung – wir stehen an der Seite des Sozialstaates und wir stehen für Klimagerechtigkeit ohne Wenn und Aber. Dafür lohnt es sich! Gerechtigkeit ist wählbar in diesem Jahr! Und geschlossen und gemeinsam können wir viel erreichen!

Wir werden am Tag der Bundestagswahl auch in Thüringen wählen, in Berlin wählen und auch in meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, wo wir mit Simone Oldenburg eine tolle Spitzenkandidatin haben. Aber wir werden davor auch noch zwei Schlüssel-Wahlen haben. Zum einen die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Die Spitzenkandidatin hat heute hier geredet. Wir stehen in Sachsen-Anhalt als LINKE wirklich hervorragend da. Wir haben eine Frau als Spitzenkandidatin, die CDU hat unter den ersten 10 Plätzen 9 Männer. Und die CDU hat unter den ersten 5 Plätzen 4, die das Soziale mit dem Nationalen versöhnen wollen. Ein unfassbarer Vorgang! Nein, die gehören abgewählt und wir müssen so stark wie möglich werden!

Und bei den Kommunalwahlen, die wir in Niedersachsen haben am 12. September, kurz vor der Bundestagswahl, sind wir auch alle gefordert! Niedersachsen hat das große Glück, die Fraktionsvorsitzende in ihren Reihen zu haben. Lasst uns dort gemeinsam kämpfen, dass wir erfolgreich sind!

Die Umfragen von heute sind nicht die Ergebnisse von morgen. Ich bin überzeugt davon, dass wir deutlich stärker abschneiden können, als manche meinen. Dafür müssen wir den Leuten zuhören, ihre Probleme hören und Lösungen anbieten. Die Menschen zu belehren, ist nicht unsere Aufgabe.

Lasst uns diesen Weg ab Montag gemeinsam und geschlossen gehen! Bündeln wir unsere Kräfte, dann ist viel möglich. Mein Ziel ist zweistellig zu werden und das ist wirklich drin.

Ein Erfolg der LINKEN würde weit über Deutschland hinaus Bedeutung haben, viele schauen auf uns.

Lasst uns gemeinsam die politischen Gegner in den Fokus nehmen! Lasst uns positiv über unser Spitzenpersonal reden! Packen wir´s gemeinsam an!

Herzlichen Dank und auf geht's!

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