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Beschluss des Bundesparteitages am 10. Mai 2025

Antrag des Migrantischen Plenums

Die Linke leistet Widerstand – gegen Ausgrenzung, Entrechtung & den autoritären Rechtsruck

Der Koalitionsvertrag ist Ausdruck eines autoritären, reaktionären Kurses. In ihm manifestiert sich der Rechtsruck, der seit Jahren die politische und mediale Landschaft durchzieht. Was hier als politische Einigung verkauft wird, ist in Wahrheit ein massiver Angriff auf Menschenrechte, demokratische Grundprinzipien und die Lebensrealitäten von Millionen Menschen – insbesondere von migrantisierten und geflüchteten Personen und Menschen ohne deutschen Pass. Merz, Söder, Klingbeil C Co schrecken dabei auch vor menschenrechts- und grundgesetzwidrigen Vereinbarungen nicht zurück. Im Gegenteil: Sie verschärfen systematisch eine Politik der Abschottung, Entrechtung und Entsolidarisierung.

Gegen diese Politik gibt es nur eine konsequente Antwort: Widerstand. Die Linke wird sich dieser Politik auf allen Ebenen entgegenstellen. Wir organisieren den Widerstand, bauen Bündnisse und schaffen solidarische Strukturen.

Am sichtbarsten wird dieser autoritäre Umbau in der Asyl- und Migrationspolitik. Die neue Regierung möchte das menschenfeindliche GEAS nicht nur in nationales Recht umsetzen, sondern weiter verschärfen. Mit der Einführung von sogenannten Ausreisezentren schafft die Regierung nicht nur die Bewegungsfreiheit für Geflüchtete ab, sie ermöglicht faktisch eine Präventivhaft: Die Bundespolizei soll nun ohne Umweg über gerichtliche Instanzen Ausreisegewahrsam anordnen. Doch damit nicht genug: Die Regierung schreibt Grenzkontrollen und Pushbacks an deutschen Außengrenzen fest – dies ist und bleibt schlicht rechtswidrig.

Immer und immer wieder werden grundsätzliche Verfahrensstandards für migrantisierte Menschen außer Kraft gesetzt und durch Sonderrecht geregelt. Der Gebrauch von Sonderrecht wird von der neuen Koalition verfestigt, zum Beispiel durch die rechtswidrige Abschaffung des Amtsermittlungsgrundsatzes in Asylverfahren, die Menschen den Zugang zu einem fairen Asylverfahren weiter erschweren wird. Mit der Aussetzung des Familiennachzugs und dem faktischen Ende staatlicher Aufnahmeprogramme werden die letzten sicheren Einreisewege aufgegeben und zwingt Schutzsuchende auf unsichere, lebensgefährliche Routen. Damit macht sich die Regierung mitschuldig an tausenden Toten auf den Fluchtrouten. Fluchtbewegungen werden angesichts von der eskalierenden Klimakrise, imperialen Kriegen, wirtschaftlicher Ausbeutung und autoritären Regime zunehmen. Eine Politik, die nicht Fluchtursachen sondern Fliehende bekämpft, ist verantwortungslos – und tödlich. Auch migrantisierte Menschen, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und arbeiten, sind Ziel dieser Politik. Menschen mit Migrationsgeschichte fühlen sich in diesem Land längst nicht mehr sicher. Die Zahl rassistisch motivierter Übergriffe steigt, rechte Gewalt nimmt zu und institutioneller Rassismus wird normalisiert statt bekämpft. Doch die Regierung hat keine Antwort, es fehlt ein entschlossener Plan zur Bekämpfung rechter Gewalt.

Die Realität, dass Polizeigewalt gegen migrantisierte Menschen zunimmt, wird ausgeklammert. Das beginnt beim Einprügeln auf teils minderjährige Teilnehmende von pro-palästinensischen Demonstrationen oder von FLINTA*. Es gipfelt darin, dass immer mehr Menschen von der Polizei erschossen werden. Zuletzt hat der Tod von Lorenz A. in Oldenburg die Bundesrepublik erschüttert, der – mutmaßlich ohne gefährliche Waffe in der Hand – durch Schüsse in den Rücken getötet wurde. Die Bodycam war währenddessen ausgeschaltet. Die Ermittlungen obliegen der Polizei Delmenhorst, in deren Gewahrsam vor vier Jahren der ebenfalls junge PoC Qosay K. verstarb. Damals ermittelte die Polizei Oldenburg, und es wurde niemand zur Rechenschaft gezogen.

Die Koalition plädiert selbst in dieser Situation auf mehr Vertrauen in Sicherheitsbehörden – welches viele migrantisierte Menschen in Deutschland längst nicht mehr haben. Wir fordern – gemeinsam mit vielen Menschenrechtsaktivist*innen -unabhängige Instanzen für die Ermittlung, Strafverfolgung, Kontrolle und Beschwerdeführung bei Fehlverhalten von Polizei und Verfassungsschutz anstatt Korpsgeist und Straffreiheit für ihre Angehörigen.

Der Koalitionsvertrag schweigt nicht nur zur Aufarbeitung rassistischer Strukturen in Polizei, Behörden und Justiz – er reproduziert selbst rassistische Narrative. Die Regierung stellt Muslime und Muslima nicht als Teil dieser Gesellschaft, sondern als potenzielle Bedrohung dar. Während die rund 6 Millionen Muslim*innen in Deutschland nicht einmal als schützenswerte Gruppe erwähnt werden, wird der Fokus ausschließlich auf die „islamistische Gefahr“ gelegt – eine gefährliche Verschiebung, die strukturelle Diskriminierung legitimiert und gesellschaftliche Spaltung fördert.

Die Politik der neuen Regierung trifft migrantisierte Menschen auch als Teil der lohnabhängigen Klasse. Die Angriffe auf die Höchstarbeitszeit, das fehlende Bekenntnis zu einem armutsfesten Mindestlohn, die Drangsalierung von Bürgergeldempfänger*innen, weiter explodierende Mieten – von alldem sind migrantisierte Menschen in besonderer Härte betroffen, denn sie arbeiten überdurchschnittlich oft in prekären Beschäftigungsverhältnissen im Care- und Niedriglohnsektor. 

Die Linke wird dieser Politik entschlossen entgegentreten.

Die Linke hat in den vergangenen Jahren deutlich gemacht, dass sie stabil steht und nicht nach rechts rückt – als einzige der etablierten Parteien. Die Linke ist der Pol des Widerstands. Wir stehen für ein solidarisches Miteinander, für soziale Gerechtigkeit und gegen die Normalisierung von Rassismus und Entrechtung.

Wir werden unsere Rolle als Partei der gesellschaftlichen Vielfalt stärken. Während die Koalitionsverhandlungen ohne Menschen mit Migrationsgeschichte geführt wurden und ein Kartoffelkabinett über das Leben von Millionen migrantisierten Menschen entscheidet, organisieren wir den Widerstand – aus der Perspektive der Vielfalt und von denen, die von dieser Politik betroffen sind. Dafür gehen wir weiter in die Umsetzung früherer Beschlüsse, damit mehr migrantisierte Menschen Zugang in unsere Partei finden. Wir sprechen gezielt migrantische und migrantisierte Menschen an, sich für ihre Belange einzusetzen und sich politisch zu organisieren – nicht nur, aber auch in der Partei Die Linke. Wir organisieren praktische Solidarität und direkte Hilfe, unterstützen weiterhin Bezahlkartentauschs, unterlaufen die Entrechtung von Geflüchteten und versuchen, für sie und alle migrantisierten Menschen Schutzräume aufzubauen.

Dieser Widerstand ist notwendig. Dieser Widerstand ist möglich. Und: Dieser Widerstand wird von uns ausgehen.

Dazu gehört auch der Widerstand gegen die AfD. Sie zu bekämpfen ist für migrantisierte Menschen Selbstschutz und mit ihnen für uns als Partei Auftrag. Die AfD hat wesentlich die Faschisierung der Politik in Deutschland vorangetrieben. Sie hat Rassismus, Antisemitismus, die Verharmlosung des NS-Faschismus, die Angriffe auf KZ- Gedenkstätten, Sozialdarwinismus und Transfeindlichkeit normalisiert. Die inzwischen etablierten rassistische Narrative werden inzwischen nicht nur von anderen Parteien, sondern auch von den Medien allzu oft aufgegriffen, so dass die AfD gar nicht regieren braucht- sie hat auch so schon die politischen Diskurse massiv beeinflusst. Die gemeinsame Abstimmung der Unionsfraktion mit der AfD vor der Bundestagswahl und der Vorschlag, die AfD bei Ausschussvorsitzen und Bundestagspräsidium wie andere Parteien zu behandeln, lassen viele vermuten, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die AfD mitregiert. Diese Aussicht lässt vielen das Blut in den Adern gerinnen. Als Linke müssen wir deshalb Bündnisse schmieden für ein AfD- Verbot und Kräfte sammeln.

Vor dem Hintergrund, dass inzwischen selbst der sogenannte Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft, wäre es eine demokratische Bankrotterklärung, keinen Verbotsantrag zu stellen. Nur durch ein Verbot kann die AfD strukturell geschwächt werden, könnte sie Parlamente nicht mehr als Ressource für Faschisten benutzen, demokratische Institutionen und Instrumente nicht mehr zur Verächtlichmachung derselben benutzen, Millionen an Parteienfinanzierung einstreichen, Millionenspenden sammeln, der parlamentarische Arm der Rechtsextremen in Deutschland sein. Nur so können ihr Gedankengut und ihre Forderungen, die teilweise Einzug gefunden haben in die Programmatik und parlamentarische Arbeit anderer Parteien, zurückgedrängt werden auf den Platz wohin sie gehört: auf die Anklagebank. Denn Rassismus, Antisemitismus und Faschismus sind keine Meinung, sondern ein Verbrechen.