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Gute und verkürzte Arbeit und sanktionsfreie Mindestsicherung statt BGE-Illusionen

In einer reichen Gesellschaft sollen alle Menschen würdig leben können. Das ist ein zentrales Ziel unserer Partei DIE LINKE, über das wir uns alle einig sind.

Viele meinen, darum ginge es auch beim bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Das stimmt aber nicht. Beim BGE geht es darum, dass es unterschiedslos für alle in der Gesellschaft gezahlt werden soll, unabhängig von Einkommen und Vermögen, also an 83 Millionen Menschen in Deutschland. Ein solches BGE wäre nicht not-wendig, nicht geeignet, nicht gerecht und nicht realisierbar im bestehenden Kapitalismus.

Armut lässt sich mit viel weniger Aufwand durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung bekämpfen, für sich gemeinsam mit der LINKEN auch Sozialverbände einsetzen. Diese würde in bedarfsdeckender Höhe an alle Menschen ausgezahlt werden, die sie brauchen. Durch aktives Zugehen auf die Personen kann erreicht werden, dass die Leistung alle erreicht, die einen Anspruch darauf haben.

Ein BGE soll dagegen ganz überwiegend an Menschen gezahlt werden, die es nicht brauchen, weil sie bereits andere hinreichende Einkommen oder größere Vermögen haben. Es müsste ein gigantisches Umverteilungskarussell in Gang gesetzt werden, das weitgehend überflüssig wäre, aber gravierende Probleme aufwerfen würde. In den sozialen Varianten ist die BGE-Vorstellung völlig illusionär, dazu unten mehr.

 

Weder geeignet noch gerecht

Ein BGE wäre ungerecht, weil unabhängig von -- ganz unterschiedlichen Bedarfen alle das -Gleiche bekämen – egal ob jemand in abbezahltem Eigentum wohnt oder hohe Miete zahlen muss, ob j-emand fit und qualifiziert ist oder krank und erwerblos und vielleicht Sonderbedarfe hat.

Die BGE-Vorstellung ignoriert und missachtet die Bedeutung der gesellschaftlich organisierten Arbeit und speziell der Erwerbsarbeit. Sie geht davon aus, es sei beliebig und mit einem BGE lediglich eine Angelegenheit der individuellen Entscheidung, ob die Menschen sich daran beteiligen. Das sei dann »Freiheit« und »Emanzipation«.

Doch ein BGE wäre eine Geldleistung. Alle Güter und Dienstleistungen, die man dafür kaufen könnte, würden nicht vom Himmel fallen oder aus einem vollautomatischen Wirtschaftsprozess, sondern sind Produkte von Arbeit, und zwar von Erwerbsarbeit. Ein gleiches Reichtums- bzw. Einkommensniveau wie heute erfordert auch gleich viel und produktive Erwerbsarbeit. Und zwar nicht nur solche, die Spaß macht, sondern alle die nötig ist um die Bedarfe der Gesellschaft zu befriedigen.

 

Arbeit und Wirtschaft gestalten!

Gerecht und emanzipatorisch wäre es, und das muss das Ziel von Linken sein und bleiben, dass sich alle entsprechend ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten an der gesellschaftlich notwendigen Arbeit beteiligen. An der Erwerbsarbeit und an Sorge und anderer notwendiger Arbeit im Haushalt oder ehrenamtlich. Die Kernaufgabe der Sozialist-innen und Sozialisten ist die Durchsetzung von Bedingungen, unter denen die Menschen dies, wie Marx schrieb: »rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen (…); ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen«.

Es geht also um die Durchsetzung »guter Arbeit« für alle, gut bezahlt und sozial abgesichert und so gestaltet, dass genug Zeit und Kraft und Möglichkeiten bleiben, auch andere Arbeiten und Tätigkeiten außerhalb der Erwerbsarbeit zu leisten. Und alle Arbeiten gerecht verteilt unter alle, Männer wie Frauen. Das erfordert auch entsprechende Einrichtungen und Regelungen für Kinder und Pflegebedürftige. Ein Recht auf Arbeit ist nötig, Erwerbslose brauchen Angebote guter Arbeit, die soziale Integration und Anerkennung bringt und ein angemessenes Einkommen, höher als ein BGE. Bildung und Ausbildung und eine leistungsfähige und auch ökologisch nachhaltige Wirtschaft sind dafür grundlegend. Die BGE-Konzeption trägt dazu nichts bei, sondern lenkt von diesen zentralen Aufgaben ab.

 

Neoliberale BGE-Modelle und Linke

Es gibt viele unterschiedliche Modelle eines BGE, darunter ausgeprägt neoliberale, die auch etliche Konzernchefs gut finden. Denen geht es darum, mit einem BGE auf Hartz-IV-Niveau zugleich Arbeitnehmerrechte und Sozialstaat zu schleifen. Denn mit einem BGE bräuchte man das alles angeblich nicht mehr, man sei frei und abgesichert. Auch linke BGE-Anhänger*innen behaupten, dann seien die Beschäftigten »auf Augenhöhe« mit den Chefs. Wer etwas Ahnung vom Arbeitsleben hat weiß, dass das Unfug ist. Ein BGE würde nicht im mindesten die Einbußen beim Verlust des Arbeitsplatzes verhindern. Akzeptable Löhne und Arbeitsbedingungen gibt es nur durch gewerkschaftliche Organisation, Tarifverträge, Mitbestimmung und politisch erkämpfte Gesetzesregelungen.

DIE LINKE soll nun ein »emanzipatorisches bedingungsloses Grundeinkommen« fordern, wie es die BAG Grundeinkommen in der Partei vorschlägt, und neoliberale Grundeinkommensmodelle ablehnen. So die Abstimmungsfrage. Doch auch manche Behauptungen, mit denen ein linkes BGE begründet wird, leisten neoliberalen Bestrebungen Vorschub, indem sie die Bedeutung der Arbeit missachten und einem falschen Individualismus das Wort reden. Zudem lenken sie ab von den sozialen Forderungen, für die es reale Kämpfe und Durchsetzungsmöglichkeiten gibt, etwa für bezahlbares Wohnen, bessere Pflege, höhere Löhne und Renten.

 

Erwerbsarbeit ist die Quelle aller Einkommen

Es ist nicht wahr, wie aus BGE-Kreisen behauptet wird, dass die Arbeit weniger wird, durch Digitalisierung. Wir hatten nie so viele Erwerbstätige und die Erwerbsarbeit war noch nie so bestimmend für die ganze Gesellschaft wie heute, und das wird absehbar auch so bleiben. Eine Entkopplung, Einkommen ohne Arbeit, geht nur für Einzelne, für eine Minderheit, sie geht nicht für die Gesellschaft insgesamt und die Mehrheit. Auch die Einkommen der Nichtarbeitenden beruhen immer auf der Arbeit der Erwerbstätigen.

Dieser Zusammenhang, an dem kein Weg vorbeiführt, macht sich geltend bei der Finanzierung. Für ein BGE in existenzsichernder Höhe müsste jährlich ein gigantisches Finanzvolumen von weit über 1 000 Milliarden Euro umverteilt werden. Mehr als Bund, Länder und Gemeinden zusammen jedes Jahr ausgeben. Man kann das BGE nicht aus den Vermögen holen, sondern muss es aus den laufenden Einkommen umverteilen, weil es ja jedes Jahr erneut aufgebracht werden muss. Letztlich ist dafür wie für alle öffentlichen und Sozialausgaben das laufende Volkseinkommen die Quelle.

Die BAG Bedingungsloses Grundeinkommen sagt selbst, dass dann etwa 40 Prozent des Volkseinkommens für ein BGE umverteilt werden müssten – zusätzlich zu den bisherigen und weiter bestehenden öffentlichen Ausgaben und Sozialleistungen. Denn im linken BGE-Konzept soll der bestehende Sozialstaat ja weitgehend erhalten bleiben. Das Volkseinkommen verteilt sich zu etwa 70 Prozent auf Löhne und zu 30 Prozent auf Gewinne und Vermögenseinkommen. Bereits jetzt fließen etwa 40 Prozent des Volkseinkommens in Steuern und Sozialbeiträge.

 

Wolkenkuckucksheim mit falschen Berechnungen

Die BAG erfindet in ihrem Konzept diverse neue Steuern und Umbauten der bisherigen Systeme. Die geschätzten Einnahmen sind unrealistisch überhöht, Überwälzungseffekte, rechtliche und politökonomische Grenzen und Zusammenhänge werden ignoriert. Das Finanzierungskonzept geht nicht mal auf dem Papier auf, schon gar nicht in der Realität. Es ergäbe sich eine gigantische Finanzlücke von mehreren hundert Milliarden Euro jährlich. Die Abgabenbelastungen müssten durchgehend etwa 16 Prozentpunkte höher sein.1

Alle Beispielrechnungen im BAG-Konzept über vermeintliche Verteilungswirkungen, Gewinner und Verlierer eines solchen BGE sind daher Makulatur. Das Bruttoeinkommen, ab dem per Saldo ein Minus herauskäme, läge nicht wie im BAG-Konzept behauptet bei 6 500, sondern bei etwa 3 000 Euro monatlich. Hinzu kommt, dass die Unternehmen so hohe Abgaben in die Preise überwälzen würden. Dann läge das Einkommen, ab dem ein Verlust aufträte, noch deutlich niedriger.

Wir LINKE wollen durch eine gerechte Besteuerung hoher Einkommen, von Millionenvermögen und großen Erbschaften, von Unternehmensgewinnen und Finanztransaktionen sowie mit konsequentem Kampf gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung jährlich an die 200 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen. Das ist sehr viel Geld, aber nur ein Bruchteil dessen, was für ein BGE erforderlich wäre. Zudem sind diese Mittel für öffentliche Investitionen, mehr Personal in Bildung und Pflege und bessere Sozialleistungen verplant.

Ein BGE müsste immer zu Lasten der Erwerbseinkommen bzw. ihrer Kaufkraft finanziert werden. Den meisten Lohnarbeitenden und kleinen Selbstständigen würde ein BGE in die eine Tasche hineingesteckt und mindestens ebenso viel aus der anderen Tasche durch höhere Abgaben wieder herausgezogen. Viele würden per Saldo verlieren. Weil von jedem zusätzlich verdienten Euro vielleicht noch 20 Cent übrig blieben, müsste es flächen-deckend scharfe Kontrollen gegen Schwarzarbeit und Steuerflucht geben – und damit mehr Bürokratie als heute.

Die notwendigen extrem erhöhten Abgabenbelastungen wären in der Realität nicht durchsetzbar. Im Kapitalismus, erst recht bei freiem internationalem Kapitalverkehr sowie Personenfreizügigkeit, ist ein soziales oder »emanzipatorisches« BGE eine völlig illusionäre Vorstellung. Und in einem Sozialismus, in dem das Recht auf gute Arbeit und Mindestsicherung verwirklicht würde, wäre es sinnlos.

 

Das notwendige Votum: NEIN!

Sehr viele Mitglieder der LINKEN finden die Forderungen nach einem BGE grundsätzlich falsch. Darunter die Organisation der betrieblich und gewerkschaftlich Aktiven in der Partei und auch die BAG Hartz IV. Wir lehnen es strikt ab, dass unsere Partei sich die BGE-Forderung zu eigen machen soll. Das würde den Gründungskonsens dieser -Partei aufkündigen und es vielen von uns unmöglich machen, DIE LINKE weiter zu unterstützen.

 

Ein NEIN beim Mitgliederentscheid bedeutet nicht, dass DIE LINKE sich künftig gegen Forderungen nach einem BGE ausspricht, sondern dass es bei der bisherigen Haltung bleibt. Menschen, die ein BGE gut fänden, können und sollen weiter in der und für die Partei aktiv sein und sie wählen. Sie müssen allerdings akzeptieren, dass DIE LINKE keine Pro-BGE-Partei ist. Auch die Anhänger:innen eines BGE in der LINKEN, denen die Einheit und Breite der Partei am Herzen liegt, müssen daher beim Mitgliederentscheid mit NEIN stimmen.