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Islamfeindlichkeit

Thesen der Kommission Religionsgemeinschaften, Weltanschauungsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft

Islamfeindlichkeit spielt eine große Rolle in den gesellschaftlichen Debatten und auch in den aktuellen religionspolitischen Auseinandersetzungen. Sie ist mit der Feindbild-Konstruktion einer angeblich fremden und bedrohlichen "islamischen Kultur" verbunden. Wir gehen in diesen Thesen auf Hintergründe, unterschiedliche Dimensionen und praktische Konsequenzen der Islamfeindlichkeit ein. (März 2019/Oktober 2020) [1]

1. Dimensionen der Islamfeindlichkeit.

Musliminnen und Muslime in Deutschland erfahren im Alltag verschiedene Formen der Diskriminierung - beginnend bei der Suche nach guter Arbeit und Wohnung. Dazu kommen vielfältige Formen der institutionellen Islamfeindlichkeit, egal ob durch Strafverfolgung, Justiz oder Bildungseinrichtungen. Diese Vorurteile erstrecken sich auf alle, die als "Muslime" identifiziert werden. Zumeist wird Menschen, die aus mehrheitlich muslimischen Ländern stammen, unterstellt, dass sie muslimischen Glaubens seien - egal ob sie diesem Glauben tatsächlich angehören und ob oder wie sie ihn ausüben. Besonders Frauen mit Kopftuch erleben Herabwürdigung und Gewalt. Dies alles ist mit Menschenwürde nicht vereinbar.

Muslimische Gemeinden und Verbände sind in Deutschland auf sehr unterschiedliche Weise und vor allem anders als Kirchen organisiert. Bisher sind viele von ihnen nicht als Religionsgemeinschaft bzw. als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Dies hat vor allem Gründe im Staatskirchenrecht – den Voraussetzungen für die Verleihung der Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft – und führt zu praktischen Benachteiligungen. Dies betrifft die Erteilung des Religionsunterrichts, die Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen und die Finanzierung. Die institutionelle Benachteiligung fördert den alltäglichen Rassismus.

2. Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus sind in der Bevölkerung weit verbreitet und können im Extremfall bis zu einem völlig entmenschlichten Bild von Musliminnen und Muslimen führen.

Islamfeindlichkeit gehört erstens zunehmend zum herrschenden Mainstream. Verbreitet sind Theorien, die die internationalen Spannungen vor allem als Kulturkampf interpretieren und den Islam als Hauptfeind ausmachen (Samuel Huntington). Die Verkündung eines globalen Kriegs gegen den Terror basiert wesentlich auf der Identifikation des Islam mit einer Ideologie des totalitären Glaubenskriegs. In Deutschland haben z.B. Thilo Sarrazin und Udo Ulfkotte den antimuslimischen Rassismus hoffähig gemacht. Dieses rassistische Bild des Islams als rückständige, gewalttätige und frauenfeindliche Religion hat in breiten Teilen der Gesellschaft Widerhall gefunden Dadurch wurde sowohl die Akzeptanz für die aggressive Militärpolitik westlicher Staaten als auch für den Abbau von Bürgerrechten im Inneren befördert.

Zweitens gehört das Feindbild Islam zur Aufbaustrategie der extremen Rechten in Europa. Sie können dabei auf den Vorurteilen aus den bürgerlichen Parteien aufbauen und bilden Querverbindungen zu sozialen Bewegungen und schaffen rechte Netzwerke wie etwa Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida), Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa), die Identitäre Bewegung. Die AfD transportiert Islamfeindlichkeit in den offiziellen politischen Raum. Sie erhält dabei immer wieder Rückendeckung aus dem rechten Flügel der CDU/CSU.

Drittens gibt es Islamfeindlichkeit auch in Teilen linker und linksliberaler Milieus, sie speist sich aus unterschiedlichen Traditionslinien. Säkulare oder laizistische Positionen sind nicht per se links. Positionen, die sich aus einem Teil antideutscher Theorie- und Politikansätze der 2000er Jahre entwickelt haben, gehören dazu. Diese, sich teilweise als "Ideologiekritiker" bezeichnenden Gruppen, setzen Islam mit Antisemitismus und Hass auf Israel gleich. Einige Vertreterinnen des Feminismus (z.B. Alice Schwarzer) unterstellen dem Islam grundsätzlich Frauenfeindlichkeit. In Teilen der traditionellen, atheistischen LINKEN führt Religionskritik gelegentlich in eine generalisierte Kritik von Musliminnen und Muslimen, bzw. dem Islam. Auch hier gilt, dass die Kritik an konkreten Positionen von religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften und die offensive Verteidigung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit untrennbar zusammengehören.

3. DIE LINKE weist Islamfeindlichkeit entschieden zurück:

  1. DIE LINKE bekämpft jede Form der Diskriminierung und des Rassismus. Sie steht auf der Seite der Unterdrückten. Das Recht auf Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Es beinhaltet, seine Religion oder Weltanschauung frei wählen oder keiner angehören und seine Religion oder Weltanschauung in der Öffentlichkeit leben zu können.
  2. DIE LINKE tritt gegen eine Homogenisierung und Abwertung "des Islam" ein. Sie geht davon aus, dass der Islam vielfältig und - wie jede andere Religion - in einem steten Wandel begriffen ist. Der Islam gehört zu Deutschland, zu den geistigen Quellen Europas und prägt gemeinsam mit anderen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen das Leben in der Bundesrepublik. Es bedarf in der Partei DIE LINKE einer eigenen umfassenden Aufklärung und Weiterbildung über die Problematik der Islamfeindlichkeit. Die Parteimedien sollten dem einen verstärkten Raum geben und Parteigruppierungen dies zum Gegenstand ihrer internen Diskussionen machen.
  3. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass Musliminnen und Muslime als Musliminnen und Muslime in den Medien, den Schulen und im öffentlichen Raum auftreten können. Damit werden sie als Subjekte sichtbar und ihre Darstellung als Objekte, denen "Fremdheit" zugeschrieben wird, kann durchbrochen werden. Mit diesem Ziel soll auch konkret und differenziert über den Islam in seinen vielen Gestalten berichtet werden. Besondere Berücksichtigung sollen dabei Berührungspunkte des Islams mit Demokratie, Frieden und Emanzipation finden.
  4. DIE LINKE sucht den Kontakt zu muslimischen Personen, Gemeinden und Organisationen ohne Vorurteile. Sie gesteht ihnen die gleichen Rechte zu wie christlichen Kirchen, jüdischen Gemeinden und Weltanschauungsgemeinschaften. Die Parteigruppen der LINKEN, ihre Ortsverbände und kommunalen wie parlamentarischen Vertretungen werden ermutigt, diese Kontakte auszubauen und Formen praktischer Kooperation zu entwickeln.
  5. DIE LINKE kämpft für gleiche Rechte für alle Religionen. Das schließt die Anerkennung des Islam in Deutschland in seiner Vielfalt ein und gilt - wie beim Christentum und dem Judentum - nicht nur für die liberalen Strömungen. Die Anerkennung der Religionsfreiheit macht eine Weiterentwicklung des Staats-Kirchenrechtes notwendig. Das gilt insbesondere angesichts einer Gesellschaft, die religiös vielfältiger und säkularer zugleich wird.
  6. DIE LINKE als Partei bezieht keine Stellung zu theologischen Debatten. Sie unterstützt diejenigen in den Gemeinden und Organisationen, die sich für menschenrechtliche Positionen innerhalb der Religionen einsetzen.
  7. Generalisierungen müssen zurückgewiesen werden; Kritik an bestimmten Ausprägungen des Islam und an dem Verhalten oder Äußerungen von Personen aus dem muslimischen Spektrum müssen konkret geäußert und benannt werden.
  8. Wir treten ein für Selbstbestimmung einer jeden Person. Wir sind gegen den Zwang, Kopftuch zu tragen und gegen den Zwang, das Kopftuch abzulegen. Wir sind gegen die Einschränkung von Arbeitnehmer/innenrechten aufgrund der Religion.
  9. Wir werben unter Musliminnen und Muslimen, wie bei anderen auch, für die Positionen der LINKEN und wollen jene, die sich mit unseren politischen Zielen identifizieren, als Mitglieder gewinnen.

Anmerkung

[1] Wir verweisen auf den Beschluss der 1. Tagung des 2. Parteitages der Partei DIE LINKE am 15. und 16. Mai 2010 in Rostock "Für Solidarität und gegen antimuslimischen Rassismus" sowie auf die Arbeitsdefinition der Britischen Parlamentskommission zu Islamophobie bzw. Antimuslimischem Hass von 2018