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Zur Einschätzung der gegenwärtigen internationalen Lage

Herausforderungen für die Partei DIE LINKE als internationalistische Partei

Die Mitglieder des Ältestenrates lassen sich in ihrer Tätigkeit davon leiten, dass für ein Profil bestimmendes Programm der Partei DIE LINKE eine Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse im Inneren, des Umfelds, der Weltlage sowie die Berücksichtigung der Lehren der revolutionären Bewegung hilfreich sind. In diesem Sinne hat sich der Ältestenrat mit seinen Ausarbeitungen zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der BRD, zur Geschichte, Jugendpolitik und anderen Fragen in die bisherige Programmdiskussion eingebracht. Während in der laufenden Diskussion der vorliegende Entwurf mehrheitlich als Diskussionsgrundlage akzeptiert wird, gibt es Änderungsanträge, Meinungen zur Korrektur, Präzisierung und Ergänzung einer Reihe von inhaltlichen Aussagen. Geäußert wurden auch Meinungen, dass neben wesentlichen Aussagen zur Weltwirtschaftskrise, EU, Militäreinsätzen, die Charakterisierung der Weltlage einer weiteren Klärung und Präzisierung bedarf. Deren gründliche Analyse sei eine wichtige Voraussetzung für die internationalistische Profilierung unserer Partei. Dazu möchte der Ältestenrat mit diesen Überlegungen einen weiteren Beitrag leisten.

Mit der Zerstörung der UdSSR, der Niederlage des Sozialismus in Europa kam es zu einer grundlegenden Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses, zu einem zivilisatorischen Rückschlag im Ringen um eine bessere, gerechtere, friedlichere, ausbeutungs- und unterdrückungsfreie Welt. Anstelle einer militärstrategischen Parität, einer Bipolarität, trat zunächst die Dominanz der USA und ihres politischen Hauptinstruments der NATO. In der Folgezeit entstanden neue Kraftzentren wie China, Indien, Brasilien. Es begann sich zwar eine multipolare Welt herauszubilden, jedoch vor allem mehrere imperialistische Machtzentren, die in Konkurrenz, gemischten Bündnissen und Konflikten miteinander verbunden sind.

Zu welchen Konsequenzen wird diese Multipolarität, falls sie sich durchsetzen kann, führen? Kann es mit ihr zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung, zu einer neuen Weltordnung kommen? Können sich bei Beibehaltung der Dominanz eines kapitaldominierten Systems nicht auch alte und neue zwischenimperialistische Widersprüche zuspitzen? Welche Rolle könnte dabei eine reformierte UNO spielen? Das sind Fragen, mit denen auch die Partei DIE LINKE in ihrem nationalen und internationalen Wirken konfrontiert ist.

Auch unter Mitgliedern unserer Partei halten Diskussionen über Wesen und Konsequenzen dieser Veränderungen an. Gleichzeitig werden insbesondere von kommunistischen Parteien wie in China, Kuba, Russland und anderen auch andere Positionen vertreten, die unter den deutschen Linken umstritten sind wie: Der Sozialismus habe Rückschläge, eine ernste Niederlage bzw. eine zeitweilige Niederlage erlitten, die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus befinde sich noch in der Anfangsphase, behalte aber ihren Charakter bei, auch wenn es gegenwärtig neue vielgestaltige Widersprüche in der Welt gibt. Einige Länder halten weiterhin an ihrer sozialistischen Orientierung fest. Trotz einer breit angelegten Politik der Revision der Ergebnisse des zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsentwicklung, des Strebens der westlichen Staaten nach Revanche lassen sich nicht alle Errungenschaften des Sozialismus ohne weiteres rückgängig machen. Die KP Chinas orientiert sich langfristig auf die Position "ein Erdball – zwei Systeme" sowie darauf, in einer Einheit von Auseinandersetzung und Zusammenarbeit den Kapitalismus für den Aufbau des Sozialismus zu nutzen.

Der Wegfall der Systemkonkurrenz wirkte sich nicht nur auf den Einfluss des sozialen und demokratischen Korrektivs aus. Es kam auch zu einem Verlust an Idealen des gesellschaftlichen Fortschritts, an Ideologie, zu einer Abkehr vieler linker Kräfte vom Ideengut von Marx, Engels und Lenin, zur Anpassung an politischen Zeitgeist, zur Resignation und massenhaften Enttäuschung über Politik, Parteien, Parlamente, Regierungen, über Folgen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. Das entstandene ideologische Vakuum wird ausgefüllt durch das Suchen nach einem anderen, oftmals religiösem Glauben, durch einen zunehmenden Missbrauch religiösen Fundamentalismus und Fanatismus, durch die Verbreitung neuer religiöser, ethnischer und anderer Heilslehren. All dies führte zur Orientierungslosigkeit, Lähmung gesellschaftlicher Aktivität, zu Spaltungs- und Auflösungserscheinungen in linken Parteien und in der Friedensbewegung.

Inzwischen beginnen jedoch solche praktischen Erfahrungen zu wirken, wie die Gefahren nicht nur für den Frieden, sondern für die Existenz der Menschheit, die zunehmende Ablehnung der USA-Hegemonie. Vielfach wird auch erkannt, dass die neoliberale Marktwirtschaft nicht nur für solche Länder wie Russland und China, sondern generell zur Lösung globaler Probleme ungeeignet ist, dass der Kapitalismus sich über seine Krisen und die von ihm weltweit praktizierte Ausbeutung von Mensch und Ressourcen reproduziert und zu einer immer größeren Gefahr für die menschliche Zivilisation wird. Es entwickeln sich Antiglobalisierungsbewegungen, die soziale und ökonomische Kernthemen der heutigen kapitalistischen Wirtschaft in ihrem Bezug zu Lebenswelt der Menschen aufgreifen und in der Bevölkerung das Anwachsen des Widerstands gegen den Kurs der sozialen und ökologischen Verantwortungslosigkeit fördern (ATTAC-Bewegung, Porto Alegre, Sao-Paulo-Forum, antikapitalistische Tendenzen in Lateinamerika). Immer mehr wird der soziale Inhalt der heutigen Auseinandersetzung um Sicherung des Friedens und die Existenz der Menschheit erkannt. Regionale Organisationen unterschiedlichen Charakters wie die ALBA, UNASUR, die Afrikanische Union entwickeln sich erfolgreich, und es bilden sich neue Bündnisse in der dritten Welt heraus, wie die Foren Afrika-Lateinamerika und die ökonomischen und politischen Beziehungen zwischen lateinamerikanischen und arabischen Staaten, die von der Suche nach Alternativen der ökonomischen und politischen Zusammenarbeit zeugen. Unter dem Eindruck der Globalisierung und ihrer Gestaltung durch das Großkapital kommt es in vielen Ländern der dritten Welt zu einer Rückbesinnung auf nationale und ethische Werte und Traditionen, die nicht generell als rückwärtsgewandt angesehen werden können, sondern sich gegen den neoliberalen Umbau der gesellschaftlichen Beziehungen, gegen ausländische und rassistische Vorherrschaft richten, zum Erstarken von kommunitären und kooperativistischen Bewegungen mit antikapitalistischem Potential, zur nachdrücklichen Thematisierung ökologischer Überlebensprobleme auf internationale Ebene. Die Berücksichtigung kultureller Faktoren und unterschiedlicher Wertesysteme gewinnt in der Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit wachsende Bedeutung, ihre arrogante Missachtung ist Grundlage der Verschärfung internationaler Konflikte und beschwört ernste Gefahren herauf, wie die gewollte Konfrontation mit der islamischen Welt zeigt.

Diese Prozesse unterstreichen die Rolle von Visionen in unserer Zeit, die aktuelle Verantwortung der Linken für die Förderung sozialer und politischer Aktivitäten der gesellschaftlichen Kräfte, konsequenter antikapitalistischer Positionen und sozial gerechter, humanistischer Alternativen. Es geht um die Entwicklung neuer Inhalte, Methoden und Strukturen, strategischer Wege für antikapitalistische gesellschaftliche Veränderungen.

Die Blockkonfrontation wurde im Ergebnis der Auflösung des Warschauer Vertrages beendet Der Kalte Krieg wird jedoch modifiziert weiterhin fortgesetzt. Neue Runden der Hochrüstung mit modernsten Waffensystemen zeichnen sich ab. Substanzielle Abrüstungsschritte zum Verbot und Abzug von Kern- und anderen Massenvernichtungswaffen bleiben aus. Es werden wieder Kriege geführt (Balkan, Irak, Afghanistan, Libyen) während die Fähigkeit zur politischen Lösung von Konflikten zunehmend verdrängt wird. Deutschland ist nach dem Anschluss der DDR faktisch in zwei aggressiven Blöcken eingebunden—in die NATO und in den Prozess der Militarisierung der EU. Als Mitglied der NATO, als Verbündete der USA, die selbst in innereuropäischen Angelegenheiten entscheidenden Einfluss ausüben, kann die BRD in jede Aggression des westlichen Bündnisses direkt oder indirekt einbezogen werden.

Die Auseinandersetzungen um das Neue Strategische NATO-Konzept, und die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten, um Libyen offenbaren sowohl die sich zuspitzenden Interessengegensätze in diesem Bündnis als auch die zunehmende Schwäche der USA. Neben gemeinsamen Interessen und Zielen, zeitweiligen Bündnissen nimmt die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der einzelnen Kraftzentren, die Konkurrenz zwischen ihnen, insbesondere zwischen den relevanten Mächten wie USA, China, Russland, Japan, Indien, Brasilien, einigen EU-Staaten zu. Gesucht werden Alternativen zum Dollar als Leitwährung, eine stabilere Ordnung durch eine unabhängige Reservewährung.

Die USA verfügen als derzeitige Supermacht über das größte ökonomische, militärische und politische Potenzial zur Durchsetzung ihrer Ziele. Sie haben den höchsten ständig wachsenden Rüstungsetat. 30 Prozent der Dienstleistungen werden in den USA erbracht. Mit einem enormen "Einkauf" allein von 200.000 Wissenschaftlern und Technikern aus Russland und anderen früheren Sowjetrepubliken konnten die USA ihre Stellung als Weltzentrum für die Entwicklung von Wissenschaft und Technik ausbauen. Mit dem großen Potenzial dieses Landes wächst in keiner Weise automatisch Realismus, Verantwortungsgefühl, politische Vernunft seiner Machtelite, sondern eher Arroganz und Aggressivität, wächst der Hang zu kriegerischen Handlungen. Insgesamt bedarf es jedoch einer gründlichen differenzierten Analyse der Möglichkeiten und Grenzen der USA-Politik, der sich zuspitzenden Widersprüche in und zwischen den Machtzentren USA, Russland, China, Japan und Westeuropa. Das Streben der USA nach Weltherrschaft untergräbt deren Lebensfähigkeit und Kräfte, stößt auf zunehmenden Widerstand in der Welt und in den USA selbst. Es überfordert vor allem deren Wirtschaft, die gerade in einer Konjunkturkrise steckt. USA-Bürger verbrauchen bereits heute im Durchschnitt 10 bis 15mal mehr Ressourcen pro Kopf der Bevölkerung als die Chinesen. Dafür entfallen auf die USA mit einem Anteil von vier Prozent an der Weltbevölkerung über 25 Prozent der Schadstoffe der Welt.

Die USA sind besonders verwundbar in der Rohstoff- und Energiefrage. Sie zeigen sich daher sehr "besorgt" um den "vitalen" Zugang zu den entsprechenden Quellen im Persischen Golf, im Kaspischen Raum, im Mittleren Osten. Sie befürchten angesichts geostrategischer und militärpolitischer Interessen anderer Staaten, wie zum Beispiel China, Russland, die BRICS, die Herausbildung potenzieller Gegenpole auch in Form anderer Staatenkoalitionen.

Russland befindet sich im Zentrum der Weltwidersprüche und setzt unter Nutzung seiner natürlichen Ressourcen auf ein Wiedererlangen seiner Rolle als Weltmacht. Im Zuge der Überwindung seiner derzeitigen Schwäche konzentriert sich die derzeitige Machtelite (eine Symbiose von Oligarchen und Staatsbeamteten) in ihrem Verständnis auf nationale Interessen des Landes, vermeidet Konfrontation und setzt auf Dialog. Gegenwärtig gibt es keine gesicherte Erkenntnis darüber, wie Russland im Jahr 2015 aussehen wird. Auf sein reiches Potential an Ressourcen haben es viele Länder und vor allem die anderen Machtzentren abgesehen. In einigen wenigen Bereichen der Rüstung und der Kosmosforschung ist Russland mit den USA ebenbürtig Insgesamt dominiert in der russischen Politik jedoch die Position, dass das Land mit den USA derzeit nicht konkurrenzfähig ist. In der Außenpolitik ist damit zu rechnen, dass die Wahrnehmung geostrategischer Interessen in dem Maße weiter zunehmen wird, wie es gelingt, vor allem auf ökonomischem Gebiet Boden gutzumachen. In den internationalen Beziehungen wird es wohl keine einseitigen Prioritäten, sondern eher das Bestreben geben, am Weltgeschehen gleichberechtigt mit den anderen Kraftzentren teilzunehmen. Das heißt, dass eine Partnerschaft Russlands mit den USA als politischer Akteur und Rivale mit Bestrebungen einhergehen wird, insbesondere die Beziehungen zur EU und Deutschland, sowie zu den anderen Regionalmächten als Gegengewicht zu fördern. In diesem Zusammenhang wird Russland auf der Entwicklung neuer Sicherheitssysteme in der Welt und insbesondere in Europa bestehen und zugleich eine umfassende Konfrontation mit islamischen Staaten zu vermeiden suchen.

China konnte infolge seiner beeindruckenden wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen zwei Jahrzehnten seine Stellung als zweite Wirtschaftsmacht in der Welt ausbauen und ist zu einem entscheidenden Faktor in der Weltpolitik geworden. Es stellt in seiner Innen- und Außenpolitik die wirtschaftlichen und die nationalen, alle Chinesen in- und außerhalb des Landes erfassenden Interessen und den pragmatischen Einsatz für möglichst günstige äußere Bedingungen für den Durchbruch zu einer ökonomisch und strategisch ebenbürtigen Großmacht in den Mittelpunkt. Sie sucht dabei ihren eigenen Weg und lehnt eine totale Übernahme des westlichen Wertesystems ab. Es wird sich schon in der nächsten Zeit zeigen, inwieweit es gelingt, den Reform- und Öffnungskurs bei Erhalt der inneren Stabilität und des ökonomischen Wachstums fortzusetzen und die ernsten Probleme der sozialen und territorialen Unterschiede, der Korruption, der anstehenden Veränderungen im politischen System zu lösen.

Japan steht angesichts der atomaren Katastrophe vor ernsten Konsequenzen, die zur Schwächung seine Rolle in der Welt führen wird. Die Überwindung seiner ökonomischen Schwierigkeiten durch forcierte Privatisierung, Strukturreformen in der Verwaltung des Staates wird nicht ausreichen, um den dritten Platz in der Wirtschaft zu halten. Neben einer zunehmenden ökonomischen Konkurrenz mit den USA und der EU werden auch die sicherheitspolitischen Differenzen und Interessengegensätze zwischen Japan und China, Japan und Russland eine bedeutende Rolle spielen.

Es existieren zahllose "abrufbare" Konfliktherde praktisch auf allen Kontinenten. Auch nach dem Wegfall der Blockkonfrontation kann von einer Entideologisierung der internationalen Beziehungen keine Rede sein. Davon zeugt auch der Missbrauch Jahrhunderte alter Konflikte zwischen den sieben existierenden Konfessionen, Konflikte dort, wo ethnische Gegensätze mit Grenzen zwischen Kulturen zusammenfallen.

Früher konnte man sich bei der Einschätzung der Weltlage auf zwei Weltsysteme, zwei Blöcke mit zwei Supermächten konzentrieren. Heute gilt es, eine Vielzahl von geostrategischen Interessen verschiedener Kraftzentren, vieler anderer Akteure, geopolitische, sozialökonomische, nationale Faktoren, globale Probleme, die gemeinsame internationale Lösungen erfordern, zu berücksichtigen und dies unter Bedingungen eines außerordentlich harten Kampfes um Wissen und Informationen, einer Informationsrevolution globalen Ausmaßes.

Die neoliberale Globalisierung ist einerseits eine Folge der Internationalisierung des Kapitals, andererseits beinhaltet sie eine Reihe für die menschliche Existenz ernster globaler Probleme. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer. Die Krise des kapitalistischen Systems hat alle Lebensbereiche erfasst und erheischt eine Alternative zur vorherrschend nicht mehr funktionierenden kapitaldominierten Ordnung.

Die höchstexplosive Kluft zwischen Nord und Süd, die Militarisierung der internationalen Politik, eine neue Runde der Hochrüstung und die Entwicklung neuer High-Tech-Waffen machen die Welt um Vieles verwundbarer. Man spricht von einer asymmetrischen Kriegsführung, von kybernetischen Kriegen als internationalem Problem, biologischen Kriegen, bioterroristischen Anschlägen (allein die Lasertechnik reicht zum Beispiel um Sputniks abzuschießen). Gefahren können auch von einer militärischen Nutzung der Biotechnologie, der Nanotechnologie, der Entwicklung neuer Materialien ausgehen. Zielscheibe von Anschlägen mit unübersehbaren Folgen können Computernetze und die Infrastruktur werden. Die im Kosmos sich gegenwärtig befindenden über 500 kosmischen Systeme ermöglichen eine äußerst gefährliche Kriegsführung über riesige Entfernungen.

Die besondere Gefährlichkeit des Neuen Strategischen Konzepts der NATO besteht in der Erweiterung des sogenannten Verteidigungsfalles. Über territoriale Grenzen hinaus wird er um den Einsatz militärischer Gewalt zur Verteidigung weitgefasster nationaler, "vitaler" Sicherheitsinteressen, geostrategischer Positionen (wie Zugang zu Rohstoffen, Märkten, Transport – und Handelswegen), der Einsetzung "genehmer" Regierungen erweitert.

In den nächsten Jahren sind innere regionale Konflikte als die am meisten auftretende Bedrohung für die Stabilität der Welt zu erwarten. Selbst Kriege zwischen Staaten offenbaren die Gefahr des Hinübergleitens der Konflikte in einen neuen Weltkrieg. Der bereits zur Praxis gewordene Staatsterrorismus verhindert bis heute eindeutige internationale Abkommen zum Terrorismus. Absolute Priorität haben Machtkalkül und Interessen der USA mit der Position "Menschenrecht geht vor Völkerrecht."

Im Zuge einer umfassenden historischen Revanche werden die demokratischen Prinzipien des Völkerrechts, der UN-Charta ausgehöhlt. Das betrifft insbesondere den Gewaltverzicht. Mit der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates und die auf dieser Grundlage erfolgte militärische Intervention in Libyen zunächst seitens der "Willigen" und schließlich durch die NATO hat die Verletzung des allgemeinen Völkerrechts eine neue Dimension erfahren. In grober Missachtung der Festlegungen zur Sicherung von Weltfrieden und internationaler Sicherheit in Kapiteln VI und VII der UN-Charta hat der Sicherheitsrat einen Präzedenzfall geschaffen, der die Anwendung militärischer Gewalt zur Lösung innerstaatlicher Konflikte sanktioniert. Anstelle politischer Lösungen von Konflikten und von Konfliktprävention tritt mit sogenannten "humanitären Interventionen" die Gewalt als Hauptinstrument zur Durchsetzung eigennütziger Interessen. Mit dem Angriffskrieg gegen Libyen wächst die Notwendigkeit, im Interesse des Weltfriedens das allgemeine Völkerrecht zu verteidigen und jeglicher Kriegspropaganda (ob direkt oder unter dem Deckmantel "humanitärer Interventionen") entgegenzutreten. Die Anwendung von Gewalt gegen Zivilisten, wie andere Verletzungen der internationalen humanen Prinzipien und der Missbrauch der Menschenrechte und die Verletzung ihrer Unteilbarkeit müssen sofort verboten werden. Das Ausbleiben kollektiver Sicherheitssysteme, einer neuen Weltordnung birgt die Gefahr friedensgefährdender Ersatzlösungen in Form von Staatsterrorismus, des Diktats über Völker und Ressourcen, über Mensch und Natur.

Die kapitaldominierte Globalisierung der Wirtschaft stößt auf gravierende Probleme, die für das neoliberalistische System unlösbar sind. So die Probleme des Bevölkerungswachstums und des sinkenden Lebensniveaus, der Diskrepanz zwischen der Erschließung und dem Verbrauch von natürlichen Ressourcen, der Ökologie u. a. m. Die Globalisierung ist an sich ein objektiver Prozess, der maßgeblich von der Entwicklung der Produktivkräfte bestimmt wird. Die gegenwärtig bestimmende neoliberale ökonomische Globalisierung globalisiert jedoch die Grundwidersprüche des Kapitalismus, internationale Konzerne verschärfen die Konkurrenz und Anarchie auf dem Weltmarkt. Das führte bisher unter anderem dazu, dass mindestens 60 Staaten in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zurückgefallen sind.

Ernste globale Probleme erwachsen aus der demografischen Situation, aus einem ausufernden Urbanisierungsprozess, aus dem wachsenden Getreide- und- Energiebedarf, der Nutzung von Nuklearenergie, der Wasserversorgung, im Gesundheitswesen, aus ökologischen Katastrophen. Der Kampf um Nahrungsmittel, Energie und Wasser führt zur Verschärfung der Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern und Zentren sowie zwischen Nord und Süd. Die wachsenden ökologischen Belastungen des Konsum- und Wachstumswahns fordern einen ökonomischen Strategiewechsel, eine den Erfordernissen der Gegenwart und Zukunft entsprechende neue Lebensweise. Die Fratze der kapitalistischen Welt ist die Ressourcenausbeutung – maskiert vom Eintreten für Demokratie und Menschenrechte.

Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise, die sich zuspitzenden globalen Probleme, stellen mit allem Nachdruck die Systemfrage und damit für Die Partei DIE LINKE, sowie für alle Fortschrittskräfte national wie international die Eigentumsfrage und damit die Frage nach den eigentlichen Werten des menschlichen Lebens. Der Frieden, die internationale Sicherheit und damit die ureigensten Menschenrechte sind heute gefährdeter denn je. Eine aggressive Außenpolitik des Westens geht einher mit einer regressiven Politik im Inneren der Staaten, mit Demokratie- und Sozialabbau. Faschistische Tendenzen nehmen zu. Damit und mit den sich zuspitzenden globalen Problemen sind die natürlichen Existenzbedingungen der Menschheit äußerst ernsten Gefahren ausgesetzt. Diesen Gefahren entgegen zu wirken, für ein gleichberechtigtes System der ungeteilten und allumfassenden Sicherheit im Rahmen einer neuen Weltwirtschaftsordnung, einer neuen Weltordnung einzutreten, bleibt ein Gebot der Vernunft und des Realismus und daher auch erstrangiges Anliegen unser Partei.

Im Zusammenhang mit seinen Überlegungen zur Einschätzung der gegenwärtigen internationalen Lage hat sich der Ältestenrat auch mit den Antikriegs- und Friedenspositionen im Entwurf des Parteiprogramms befasst.

Wir erklären unsere Zustimmung dazu, dass der Entwurf des Wahlprogramms das Profil der Partei DIE LINKE als Antikriegs- und Friedenspartei ausprägt. Wir begrüßen es, dass schon in der Präambel deutlich bekundet wird, dass DIE LINKE für Frieden und Abrüstung, gegen Imperialismus und Krieg kämpft, dass auch die Kriterien zur internationalen Politik für die Frage einer Regierungsbeteiligung betont werden.

Im Teil I. "Woher wir kommen, wer wir sind" wird mit Recht der antimilitaristische Kampf der deutschen Linken als eine unserer Traditionslinien hervorgehoben. Es sollte auch zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Friedens- und Entspannungspolitik der DDR als deren positives Markenzeichen zu unserem Erbe gehört (und nicht nur die von Willi Brandt).

Im Abschnitt "Imperialismus und Krieg" des Teils II. "Krisen des Kapitalismus – Krisen der Zivilisation" werden der Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg und der imperialistische Charakter von Kriegen der Gegenwart dargestellt. Wir erwarten, dass diese Aussagen bei der Überarbeitung des Programmentwurfs erhalten bleiben.

Teil III. "Demokratischer Sozialismus im 21. Jahrhundert" kann den Eindruck erwecken, als hielte DIE LINKE den "transformatorischen Prozess" hin zu einem demokratischen Sozialismus auf nationale Ebene für machbar. Die internationale, zumindest europäische Dimension dieses Prozesses und des Kampfes dafür sollten betont werden.

Zum Abschnitt 4. "Wie schaffen wir Frieden? Abrüstung, kollektive Sicherheit und gemeinsame Entwicklung" werfen wir die Frage auf, ob die dort behandelten internationalen Probleme im Teil IV. "Linke Reformprojekte – Schritte gesellschaftlicher Umgestaltung" im richtigen Zusammenhang stehen. Reform der UNO, Kampf um Frieden, Abrüstung, andere EU sind keine Reformprojekte der Linkspartei. Es würde dem Stellenwert der internationalen Politik gerecht werden, wenn diesen Problemen ein eigener Teil im Programm gewidmet würde.

Der Ältestenrat hält die strikte Ablehnung jeglicher Kampfeinsätze der Bundeswehr, auch solcher, die vom UN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der Charta oder von NATO und EU beschlossen sind, im Parteiprogramm für unverzichtbar. Es geht hier um die eindeutige Festschreibung eines Alleinstellungsmerkmals unserer Partei im Friedenskampf. Die Bundeswehr dient – solange sie noch besteht – ausschließlich der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta. Das entspricht auch den Buchstaben und der ursprünglichen Intention des Grundgesetzes.

Es genügt nach unserer Meinung nicht, das Verbot von Waffenexporten in Krisengebiete zu fordern. Durch Waffenexporte werden Krisengebiete erst geschaffen. DIE LINKE sollte das Verbot jeglicher Waffenexporte, und das zuerst aus Deutschland, fordern und für die Abschaffung der Rüstungsindustrie bei sozialverträglicher Konversion in der Perspektive eintreten.

Das "Setzen" auf "Abrüstung und Rüstungskontrolle" ist eine schwache Formel für ein friedenspolitisches Grundproblem, ohne dessen Lösung Frieden nicht garantiert werden kann. Solange es Kriegswaffen gibt, besteht latente Kriegsgefahr. DIE LINKE sollte nicht hinter völkerrechtlichen Vereinbarungen der 60er Jahre zurückfallen, mit denen "Allgemeine und vollständige Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle" angestrebt wird. Wir sollten eine "Welt ohne Waffen" in unsere Programmatik aufnehmen.

Die Forderung nach Auflösung der NATO und Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands ist richtig. Zu überlegen ist, ob diese Forderung nicht durch die Forderung nach Austritt Deutschlands aus der NATO ergänzt werden sollte. Insgesamt sollte (insbesondere im Teil V, wo es um Politikwechsel geht, die Rolle des internationale Kräfteverhältnisses deutlicher und als wirklich relevant auch für DIE LINKE aller Ebenen z. B. in den Bundesländern betont werden).

Linke sollten sich auf den aufstrebenden Osten und Süden einstellen, sich Vorurteilen in den Weg stellen, den Dialog suchen. Viele identische oder ähnliche Positionen werden sich finden, vornehmlich auf internationalem Gebiet: Gewaltfreiheit und Ablehnung von Kriegen, bedingungslose Respektierung des Völkerrechts und des Primats der UNO, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten und Unverletzlichkeit der territorialen Integrität, Ablehnung hegemonialer Bestrebungen, und Blockbildungen, also auch der NATO, eintreten für eine demokratische, pluralistische Weltordnung, in der Armut und Hunger und damit die Wurzeln für Terror und Drogenkriminalität wirkungsvoll bekämpft werden.

Dies sollte im Vordergrund stehen und nicht Unterschiedliches, selbst wenn es um solche substantiellen Streitfragen, wie politische Menschenrechte, staatliche Dominanz, Machtpolitik, Demokratiedefizite geht. Linke sollten hier nicht auf scheinheilige ideologisierende Gefechte, doppelte Standards, und Einmischungsbestrebungen westlicher Politiker und Medien hereinfallen, die in der Regel hegemoniale Motive haben.

Ausgehend von den oben getroffenen Einschätzungen und aufgeführten Problemen gilt es, Inhalt und Erfordernisse des Internationalismus einer linken Partei unter den gegenwärtigen Bedingungen zu bestimmen und daraus ihr internationalistisches Profil abzuleiten. Dabei ist davon auszugehen, dass die Linkspartei sich sowohl über einen längeren Zeitraum unter den gegenwärtigen vom Kapital und seinen Widersprüchen bestimmten Bedingungen behauptet, als auch auf jähe Wendungen in der Entwicklung der Gesellschaft und der Weltlage eingestellt sein muss. Nicht passives Warten auf ein plötzliches Umschwenken von sozialen und politischen Spannungen zum aktiven Handeln von großen Teilen der Bevölkerung, sondern stetes Ringen um antikapitalistische Lösungen, auch um Teilziele auf dem Weg zu einer gerechten ausbeutungs- und unterdrückungsfreien Gesellschaft ist gefragt. Dies umso mehr, da sich wie in der Friedensfrage, so auch bei allen anderen globalen Problemen deren sozialer Inhalt immer deutlicher zutage tritt.

Die Partei sollte sich auf allen Ebenen wieder mehr zu Fragen der internationalen Politik engagieren, mobilisieren, z. B. gegen Krieg und Aufrüstung. Betroffen sind alle Bürger immer mehr von der internationale Entwicklung und da müsste auf allen Ebenen mit Sachargumenten, die bis in jede Kommune reichen, gearbeitet werden. Das würde auch an beste Traditionen der Arbeiterbewegung anknüpfen.

In diesem Verständnis unterbreitet der Ältestenrat für die weitere Diskussion nachfolgende Überlegungen:

1. Er geht dabei davon aus, dass eine verantwortungsvolle Bewertung der gegenwärtigen Weltlage nicht umhin kommt. Sich auch mit Lehren aus Erfahrungen in der Einschätzung des internationalen Kräfteverhältnisses, in der internationalen Politik der sozialistischen Staaten und anderer linker Kräfte im 20. Jahrhundert auseinander zu setzen. Dies umso mehr, da heute über die Geschichte ein wahrer ideologischer Krieg entfacht wird, Revanchestreben und historischer Revisionismus sind auf dem Vormarsch.

Der objektive, verantwortungsvolle Umgang mit Geschichte ist somit auch für DIE LINKE zu einer höchst aktuellen Herausforderung geworden. Ohne Wissen um Erfahrungen und Lehren aus vergangenen Auseinandersetzungen um den gesellschaftlichen Fortschritt, um eine friedliche und ausbeutungsfreie Welt lassen sich nicht die Ziele in Gegenwart und Zukunft realistisch abstecken. Dazu gehört vor allem auch das Wissen um den Einfluss, um die Erfahrungen der Arbeiterbewegung der sozialistischen Staaten, vor allem um:

  • die Errungenschaften der UdSSR, der DDR und anderer Länder beim Beschreiten des Neulands auf dem Weg des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft;
  • die neue Qualität des Lebens, die neuen Werte des Lebens unter antikapitalistischen Verhältnissen;
  • die Überwindung des Kolonialsystems, die Entwicklung national befreiter Staaten;
  • der Sieg über den Faschismus;
  • die Erfolge der Weltfriedensbewegung und die internationale Solidarität, des WGB, des WBdJ, IDFF;
  • der Zwang des kapitalistischen Systems zur Anpassung an das veränderte internationale Kräfteverhältnis und der Wettstreit mit einer alternativen Gesellschaftsordnung;
  • der Aufschwung der Antikriegs- und Protestbewegung in den entwickelten kapitalistischen Staaten.

Zugleich gilt es notwendige Schlussfolgerungen auch aus Fehleinschätzungen der internationalen Lage und beim Zusammenwirken revolutionärer Kräfte zu ziehen, die vor allem die Entwicklung der sozialistischen Staaten und der kommunistischen und Arbeiterparteien beeinflussten.

  • Die Definition der Epoche als gesetzmäßiger Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus entsprach in vielem nicht den Realitäten. Der Sozialismus wurde frühzeitig zum ausschlaggebenden Faktor erklärt, obwohl er nicht die Gesamtentwicklung in der Welt zu bestimmen vermochte. Ungeachtet dessen wurden allgemeine "Gesetzmäßigkeiten" der Entwicklung zum Sozialismus zur Richtschnur der Politik erklärt. Ein solches Herangehen an gesellschaftliche und internationale Entwicklung trug oft mechanistischen Charakter und lief in Verkennung der Dialektik auf eine Art Automatismus hinaus.
  • Der Stellenwert der Ökonomie in der Systemauseinandersetzung wurde unterschätzt. Das kapitalistische System dominierte die weltwirtschaftliche Entwicklung. Es ist nicht gelungen, die Errungenschaften des Sozialismus mit den Erfordernissen der wissenschaftlich-technischen Revolution zu verbinden. Die sozialen Errungenschaften allein vermochten nicht, die internationale Auseinandersetzung entscheidend und nachhaltig zu beeinflussen.
  • Das Militärische überlagerte alle anderen Politikbereiche. Die aufgezwungene Hochrüstung überforderte die Sowjetunion und führte schließlich zu einer ernsten Krise im realen Sozialismus. Mit dem Erringen des militärstrategischen Gleichgewichts allein konnte der in allen wesentlichen Lebensbereichen geführte Wettstreit zwischen den beiden Weltsystemen nicht zu Gunsten des Sozialismus entschieden werden. Er erlitt eine strategische Niederlage. Eine grobe Unterschätzung der enormen Potenzen des kapitaldominierten Systems im Wettbewerb mit den sozialistischen Staaten und der Anpassungsfähigkeit des Imperialismus begünstigte die Niederlage des sozialistischen Systems in Europa.
  • Über viele Jahrzehnte hatte unter Internationalismus und internationalistischem Verhalten der proletarische Internationalismus oberste Priorität. Die Haltung zur Sowjetunion galt als entscheidender Prüfstein des Internationalismus. Alle kommunistischen und Arbeiterparteien waren angehalten, sich im Kampf beim "gesetzmäßigen" Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus gegenseitig solidarisch, d.h. internationalistisch zu verhalten. Die praktische Umsetzung dieser Grundposition offenbarte eine nicht unproblematische Gestaltung der Parteibeziehungen. Eine bedeutende Rolle spielte über Jahrzehnte die Kommunistische Internationale (Komintern), von der die Herausbildung von Parteien neuen Typus initiiert und organisiert wurde. Unter maßgeblichem Einfluss der KPdSU wurde dieses Profil den Parteien durch diese Zentrale dekretiert und wie wir heute wissen, mit zum Teil ernsten Folgen für die gesamte Bewegung durchgesetzt. Im Laufe der Zeit und wesentlicher Veränderungen in den nationalen und internationalen Kampfbedingungen wurde eine durchaus zunächst richtige und den Anfängen der kommunistischen Bewegung entsprechende Absicht des Zusammenwirkens im Interesse einer anderen besseren Welt, zunehmend zum Hemmnis.
  • Die Partei DIE LINKE, die sich zum demokratischen Sozialismus bekennt, ist somit angehalten, besonders verantwortungsbewusst mit der Dialektik des Nationalen und Internationalen in der Politik jeder Partei und jeder linken Bewegung umzugehen. Das betrifft sowohl die Analyse der Ursachen für Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen als auch eine differenzierte Auseinandersetzung mit Tendenzen des Dogmatismus und des Opportunismus. Das zunehmende Interesse insbesondere unter der Jugend, sich Grundkenntnisse der Theorie und der Geschichte der revolutionären Bewegung seit Marx und Engels anzueignen, sollte gefördert werden. Linke Parteien können sich im Interesse ihres erfolgreichen Wirkens auch nicht, wie Marx meinte, willkürlich und selektiv von dem "umfangreichen Gepäck", auch von schweren, schmerzlichen historischen Erfahrungen befreien. Fehler in der Beachtung dieser Erfahrungen, in der praktischen Umsetzung von Zielen und Idealen einer ausbeutungs- und unterdrückungsfreien Gesellschaftsordnung , das Ausbleiben einer zielstrebigen schöpferischen Anwendung und Weiterentwicklung der Theorie förderten nicht nur die Stagnation , sondern vor allem eine fehlerhafte Praxis.

Ausgehend von einer realistischen Analyse der jeweiligen Situation und des Kräfteverhältnisses befördert die Partei DIE LINKE eine solidarische Zusammenarbeit mit Parteien und anderen Kräften auf gleichberechtigter und demokratischer Grundlage und erteilt Entartungen der Vergangenheit eine eindeutige Absage.

2. Geht es um ein möglich breites Zusammenwirken der zum Erhalt der menschlichen Zivilisation bereiten Kräfte, um Bündnispartner und koordinierte Aktionen auf nationaler und internationaler Ebene. Das internationale Kapital, das heute eine nie da gewesene Verflechtung erfährt und dessen Hauptziel darin sieht, das kapital- und profitdominierte System dauerhaft und um jeden Preis zu erhalten und allen Völkern aufzuzwingen, ist letzten Endes nur international zu bezwingen. Ihn zu schwächen, bedarf es nationaler wie internationaler Aktivitäten, eines ständigen Erfahrungsaustausches und über nationale Grenzen hinausgehender Initiativen.

3. Die soziale Basis für antikapitalistische Alternativen sind jene Kräfte, die sowohl im Arbeitsprozess stehen, als auch jene, die um ihre Perspektive bangen oder als Arbeitslose, als sozial Behinderte ,als Migranten und am Rande der Gesellschaft zu den Benachteiligten und Verlierern des kapitalistischen Systems gehören. Internationalistisches Handeln erfordert, dass die Linkskräfte sich notwendiges Wissen um nationale wie internationale Zusammenhänge, um historische, philosophische, kulturelle Wurzeln und ökonomische Vorgänge aneignen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten politikwirksam zur Geltung bringen. Auch dazu bedarf es der Pflege internationaler Kontakte. Andernfalls kann man dem Informationskrieg, Faschismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, der gnadenlosen Massenmanipulierung und den Verdummungskampagnen der herrschenden Medien nicht erfolgreich widerstehen. Wiederum schafft die Informationsrevolution auch für die linken Kräfte zusätzliche Möglichkeiten für die Wirksamkeit und die Internationalisierung ihres Kampfes.

4. Natürlich führen die Linken wie auch andere progressive Kräfte den Kampf um gesellschaftliche Veränderungen in erster Linie im nationalen Rahmen. Angesichts der globalisierten Welt wird dieser Kampf jedoch umso erfolgreicher sein, je mehr es gelingt, ihn über die Ländergrenzen hinaus zu internationalisieren. Dabei kommt es darauf an, die national spezifischen Aspekte mit den gemeinsamen internationalen Gegebenheiten zu verbinden. Dies erhöht die Wirksamkeit des Kampfes, hilft nationale Begrenztheit zu überwinden und möglichen nationalistischen Entgleisungen vorzubeugen. Gleichzeitig setzt es jedoch ein ausgewogenes und feinfühliges Vorgehen und somit das Erfassen der Dialektik von Nationalem und Internationalem voraus.

5. Um den Inhalt und den Begriff des proletarischen Internationalismus gab es bereits in der Vergangenheit heftige Auseinandersetzungen Vordergründig rückte in die Diskussion, welche von den beiden Seiten erstrangig und welche zweitrangig wäre. Allein die Analyse der Begriffsbestandteile besagt jedoch etwas anderes. Einen Internationalismus an sich, abstrahiert von der Wirklichkeit, von seinen sozialen Grundlagen gibt es nicht. Betrachten wir die Wortbestandteile "inter" und "national" so offenbaren sie unmittelbar das Wesen in der dialektischen Einheit von Nationalem und Internationalem. Ausgehend von der Tatsache, dass es Nationen und mit ihnen nationale Organisationsformen der Gesellschaft, nationale Entwicklungen usw. gibt, führt uns der Begriff des Internationalismus zu den Beziehungen "zwischen" (und nicht über) den Nationen, zwischen dem bestehenden Nationalen verschiedener Länder. Es liegt im nationalen wie internationalen Interesse gegen das Kapital, das ebenfalls international seine Macht durchsetzt, über Ländergrenzen hinweg wirksam zu werden. Internationalismus unter den heutigen Bedingungen beinhaltet nicht nur den maximal wirkungsvollen nationalen Beitrag, die gegenseitigen Solidarität. Vielmehr geht es darum das Nationale, die eigene Politik und Programmatik mit den internationalen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Internationalistisches Handeln einer linken Partei schließt somit gemeinsame oder zumindest koordinierte Aktionen ein.

6. Ausgehend vom Profil einer Linkspartei und bei Berücksichtigung der Herausforderungen unserer Zeit kommt es daher im Programm der LINKEN darauf an, die innenpolitischen Prämissen ebenso festzulegen wie die Position zu internationalen Fragen. Zur Realisierung der Programmziele sind günstigere innere wie äußere Rahmenbedingungen von wesentlicher Bedeutung. Ihre internationalistische solidarische Profilierung sollte daher auch beinhalten, wie und mit wem heute die künftige Entwicklung der menschlichen Zivilisation, der Erhalt unseres Planeten mit seinen Ressourcen gewährleistet und nachhaltig für die künftigen Generationen gesichert werden können. Wir sollten deutlicher machen, wer in den internationalen Kämpfen unsere Verbündeten sein könnten, wer die Akteure für progressive Veränderungen sind. Dazu gehören Gewerkschaften und internationale Gewerkschaftsorganisationen (für uns z. B. Seeleutegewerkschaft mit Blockaden gegen Kriegsmaterialtransporte), Bewegungen/Netzwerke aller Art gegen imperialistische Politik und Ausbeutung von Mensch und Natur, Kirchen, kleine kapitalistische Staaten, die am Kriegskurs der Großen nicht partizipieren können, Menschen, die zwar nicht sozial bedingt auf unserer Seite stehen, aber aus humanistischen Grundüberzeugungen objektiv unsere Verbündeten sind. Bei Vorherrschen von gegensätzlichen Klasseninteressen in der internationalen Politik gibt es auch ein allgemein menschliches Interesse an Kriegsverhinderung, an dem wir anknüpfen müssen.

7. Einer solchen internationalistischen Profilierung könnten somit sehr unterschiedliche Kräfte zustimmen. Voraussetzung dafür ist aber auch, dass die Partei DIE LINKE sich nicht als alleinige Vertreterin der Wahrheit bzw. als Kern einer unbestimmten pluralistischen Bewegung betrachtet. Auch die Partei "Europäische Linke"(EL) stellt eine Gemeinsamkeit lediglich einer Partei in Europa dar. Aber zu den europäischen Linken gehören auch andere Parteien und Organisationen. Die Gefahr der Ausgrenzung der einen oder anderen Partei beginnt schon dort, wo man auf jegliche Solidarität gegen Verfolgungen kommunistischer Parteien, auf eine entschiedene Verurteilung des Antikommunismus verzichtet.

8. Die Linkspartei setzt sich prinzipiell mit dem neoliberalistischen Turboliberalismus auseinander. Sie geht auf Kompromisse nur in dem Maße ein, in dem sie langfristig auf eine Überwindung eines kapitalistischen Systems gerichtet bleiben. Dazu gehört jedoch keine Gemeinsamkeit mit den Herrschenden. Es gilt eine zielgerichtete Bündnispolitik im Inneren des Landes durch ein internationalistisches Vorgehen mit allen für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Demokratie europa- und weltweit eintretenden Parteien und Bewegungen zu verbinden. Dabei profiliert sich die LINKE im Sinne einer solidarischen Zusammenarbeit auf gleichberechtigter und demokratischer Grundlage, wobei sie alle Organisationen, Parteien und Bewegungen und damit auch ihre Bündnispartner nach deren sozialem Inhalt bewertet.

9. Solidarischer Internationalismus stellt den Kern auch der ihrer nationalen Verantwortung bewussten Linken dar, deren Mitglieder sowohl Patrioten als auch Internationalisten sein sollten. Die eigentlichen nationalen Interessen dürfen nicht antidemokratischen, nationalistischen Kräften überlassen werden, zumal Nationalstaaten noch für lange Zeit eine entscheidende Rolle in den sozialen und politischen Kämpfen unserer Zeit, einschließlich im Rahmen und außerhalb der EU spielen werden. Der Erhalt der nationalen Souveränität und Identität bleibt eine entscheidende Voraussetzung für eine demokratische EU. Damit bleibt auch das Verhältnis EU—Nationalstaat eine Kernfrage für eine internationalistische Politik der Partei DIE LINKE.

10. International, besonders in Lateinamerika begeben sich linke Kräfte auf den Weg zur Suche nach neuen Lösungen der sozialen Frage. Sozialismus im 21. Jahrhundert wird mehr und mehr zu einer internationalen Debatte, an der sich auch die Partei DIE LINKE kritisch und konstruktiv beteiligen sollte.