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Die politische Rolle der Partei in der Gesellschaft klären

Information über die Beratung des Ältestenrates am 12. Juni 2014

Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE beriet am 12. Juni 2014 über Ergebnisse und die Auswertung der Europawahlen und des Berliner Parteitages. Grundlage der Beratung zu diesem Thema waren ein Bericht und eine differenzierte Einschätzung der Ergebnisse durch den Vorsitzenden Hans Modrow. Der Bundesausschuss hatte Vertreter des Ältestenrates zum gleichen Thema zu seiner Beratung am 1. Juni 2014 eingeladen.

Im Ergebnis einer ausführlichen Diskussion gab es Übereinstimmung, dass die Europawahlen zwar keine Niederlage, aber mit dem Verlust eines Mandates kein besonderer Erfolg für DIE LINKE waren. Als Problem wurde deutlich gemacht, dass offensichtlich viele (potentielle) Wählerinnen und Wähler durch die Debatten zum Wahlprogramm der Partei verunsichert waren und ihre kritische Sicht auf die Europäische Union durch DIE LINKE nicht entsprechend aufgenommen wurde. Das gilt besonders für die Schärfe des Sozialabbaus von Brüssel, der durch aktives Agieren der Bundesregierung erfolgt. Eindeutiger hätte erklärt werden müssen, dass die EU zwar eine Wirtschaftsunion ist, aber keinesfalls eine Sozialunion.

Der Berliner Parteitag wählte entsprechend der Satzung einen neuen Parteivorstand und bestätigte die beiden Vorsitzenden. Er diskutierte Probleme der internationalen Politik und in diesem Rahmen die Situation um die Entwicklung in der Ukraine, leider aber nur relativ kurz und erst, nachdem von verschiedenen Delegierten bzw. Delegiertengruppen entsprechende Forderungen und Anträge gestellt worden waren. Es kam zu einem mit großer Mehrheit angenommenen Beschluss: "Auch für den Ukraine-Konflikt gilt: Internationale Solidarität. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!"

Dennoch machten der Verlauf des Parteitages und viele Reaktionen in den Tagen und Wochen danach auf ernsthafte Probleme in der aktuellen Situation in der Partei und ihres politischen Wirkens im Parlament und in der Öffentlichkeit aufmerksam.

  1. Der Berliner Parteitag und die öffentliche und parteiinterne Debatte danach signalisieren, dass eine politische Unkultur in der Partei Boden ergreift. Die Bewerbung bei der Wahl des Bundessatzmeisters mit Zweideutigkeiten, die von der Spitze der Partei Unterstützung fand, verhindert Transparenz und schränkt den demokratischen Charakter einer Wahl ein. Schwere Vorwürfe über Papiere zur Manipulierung von Personalentscheidungen mit "Nichtwissen" zu beantworten, setzen Zeichen über Probleme im Apparat und zeugen von ernsten Mängeln in der Führungstätigkeit. Die praktizierte Art und Weise des Umgangs von Genossen untereinander kann und darf nicht hingenommen werden. Was jetzt erforderlich ist, sind nicht nur die "Untersuchungen von Vorgängen", sondern vor allem die Beratung einer gründlichen Analyse der politischen Rolle der Partei in der Gesellschaft, der Situation in der Führung der Partei und in den Landesverbänden, um Vertrauen zu stärken und politische Unkultur, wie sie bei und nach den Wahlen auf dem Parteitag aufgetreten sind, keinen Raum zu lassen. Die Vorsitzenden der Partei und der Parteivorstand stehen hier in einer besonderen Verantwortung, der sie gerecht werden müssen. Wenn hier keine Veränderungen eintreten, kann eine ähnliche Situation eintreten wie vor dem Göttinger Parteitag.
  2. Seit der Konstituierung der PDS 1989/90 und ihrem Zusammenschluss mit der WASG zur Partei DIE LINKE war immer klar, dass der plurale Charakter der Partei ein hohes Gut ist. Was bedeuten soll, unterschiedliche Auffassungen werden als normal empfunden, unterschiedliche Auffassungen werden im Meinungsstreit offen miteinander diskutiert, Solidarität und gegenseitige Achtung prägen die Debatten. Ziel all dessen ist die Erarbeitung gemeinsamer Positionen - wie z.B. bei der Erarbeitung des Erfurter Parteiprogramms geschehen - und auf deren Grundlage das gemeinsame Handeln. Es gab aber z.B. nach der Verabschiedung des Europawahlprogramms Debatten und Interpretationen, die im Nachhinein auf eine teilweise Rücknahme kritischer Bewertungen der EU hinausliefen und damit ein Verlassen gemeinsam erarbeiteter Positionen bedeuteten. Auf dem Hamburger und auch auf dem Berliner Parteitag zeigten sich Erscheinungen, dass an die Stelle des Ringens um gemeinsame inhaltliche Positionen das Streben nach Einfluss, der Kampf um Posten und Funktionen zu treten drohen. Ein "Lagerkampf" an Stelle des Pluralismus ist das Letzte, was unsere Partei braucht! Pluralismus muss heißen: Es geht um einen Dialog für gemeinsame Inhalte und um praktisches gemeinsames politisches Handeln!
  3. Die gegenwärtigen gefährlichen Entwicklungen in der Welt und insbesondere in Europa charakterisieren eine Zäsur in der internationalen Politik, die eine diesen Herausforderungen gerecht werdende Linke erfordert. Die Erklärungen von Bundespräsident Gauck und anderer deutscher Politiker, dass die Bundesrepublik Deutschland auch ggf. mit militärischen Einsätzen, die auch Menschenleben kosten können, mehr Verantwortung übernehmen müsse, zeigt ein gefährliches Neujustieren deutscher Politik dem DIE LINKE noch entschiedener entgegentreten muesste. Und die Tatsache, dass deutsche Regierungspolitiker nicht nur zu Aktivitäten faschistischer Kräfte in der Ukraine schweigen, sondern auch mit deren Repräsentanten verhandeln, ist angesichts deutscher Geschichte absolut nicht hinnehmbar und überschreitet alle Grenzen. Das alles erfordert, in der Politik unserer Partei den Fragen von Krieg und Frieden, des Kampfes gegen aufkommenden Faschismus und der offensiven Auseinandersetzung mit der Politik der Bundesregierung und anderer diese Politik mittragender Kräfte einen neuen, zentralen Platz einzuräumen. Das Auftreten einer Abgeordneten der Fraktion unserer Partei im Deutschen Bundestag von der Spitze der Partei und der Fraktion zu rügen ist hier nur schädlich. Die ganze Partei, ob Vorstände, Abgeordnete und Mitglieder sind herausgefordert, gegen Krieg und für den Frieden einzutreten.

Der Ältestenrat empfiehlt den beiden Vorsitzenden und dem Parteivorstand, sich in Kürze - in absehbarer Zeit - mit den von ihm hier vorgetragenen Problemen zu beschäftigen und über die dabei erarbeiteten Positionen und Schlussfolgerungen für das praktische Handeln der Partei die gesamte Partei in geeigneter Weise zu informieren und einzubeziehen.

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  • Der Ältestenrat unterstützt eine Initiative des Bundesausschusses, der Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament zu empfehlen, einen Vertreter der griechischen linken Partei zum Vorsitzenden zu wählen.
  • Der Ältestenrat begrüßte eine Initiative des Bundesausschusses, aus Anlass von "25 Jahre Herbst 1989" und des Anschlusses der DDR an die BRD eine Stellungnahme / ein Positionspapier zu erarbeiten oder speziell zu diesem Thema eine Beratung durchzuführen. Er erklärte - einer Bitte des Bundesausschusses folgend - seine Bereitschaft, an einem solchen Dokument oder an einer dazu durchzuführenden Beratung des Bundesausschusses mitzuwirken und unterbreitete dazu erste Anregungen und Überlegungen. Über das weitere Vorgehen wird der Bundesausschuss entscheiden.

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Die nächste Beratung des Ältestenrates findet voraussichtlich am Donnerstag, dem 4. September 2014, statt.