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Detail

Katja Kipping u.a.

Die Corona-Krise solidarisch bewältigen

Für ein Pandemie-Überbrückungsgeld und ein pandemiefestes Gesundheitssystem

In den kommenden Monaten wird sich die Zahl der Corona-Infizierten drastisch erhöhen. In Frage steht nicht, ob dies geschieht, sondern wie schnell. Darum muss jetzt im Mittelpunkt stehen, die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung, so gut es geht, zu verlangsamen. Das wird unser Gemeinwesen und die Bevölkerung vor eine große Gedulds- und Belastungsprobe stellen. Daher ist es jetzt nötig, die Menschen für die Gefahren der Pandemie zu sensibilisieren, ohne sie in Panik zu versetzen. Eine rasante Ausbreitung des Corona-Virus, ähnlich der aktuellen Situation in Italien, kann auch das deutsche Gesundheitssystem schnell überlasten und ist daher tunlichst zu verhindern. Die Pandemie, eine Ausnahmesituation, die einer Naturkatastrophe gleichkommt, eignet sich nicht, um Profit daraus zu schlagen, weder wirtschaftlich, noch politisch. Nur gemeinsam und solidarisch können wir diese Herausforderung meistern.

 

Gesundheitssystem pandemiefest machen

Die Sparrunden haben die kommunalen Gesundheitsämter an den Rand der Funktionsfähigkeit gebracht. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Zahl der Ärzt*innen in den Gesundheitsämtern um ein Drittel reduziert worden. Die Kommunen müssen dringend bei der Aufstockung des verfügbaren Personals unterstützt werden. Spätestens jetzt rächt es sich, dass in der Bundesrepublik in den letzten Jahren massenhaft Krankenhäuser geschlossen wurden und in einigen (besonders ländlichen) Regionen dadurch die Grundversorgung eingeschränkt ist.

Eine Lehre für die Zukunft, die wir schon heute ziehen können, lautet: Gesundheitswesen und Pflegebereich dürfen niemals kaputtgespart oder durch Privatisierungen dem Profitstreben untergeordnet werden.

Darüber hinaus muss die Koordinierung und Zusammenführung von Daten verbessert werden, damit im Ernstfall zur Verfügung stehende Isolationsbetten und Verfügbarkeit von zusätzlich benötigtem medizinischem Personal möglich ist. Wir schlagen vor, wie in vereinzelten Bundesländern bereits erfolgt, eine freiwillige Registrierung von medizinischem Personal vorzunehmen (Ärzt*innen, Ärzt*innen im Ruhestand, Krankenpfleger*innen, Arzthelfer*innen, Laborpersonal, Medizinstudent*innen ab dem 5. Semester). Hierfür braucht es eine zentrale Krisenkoordination auf Bundesebene.

 

Beschäftigte schützen

Beschäftigte müssen flächendeckend über Gesundheitsgefahren aufgeklärt werden. Gegen Unternehmen, die erkrankte Arbeitnehmer nicht umgehend nach Hause schicken und keine Maßnahmen zum Schutz ihrer Beschäftigten einleiten, müssen Bußgelder verhängt werden.

Besonders gefährdet sind Pflegekräfte und medizinisches Personal. Während der SARS-Epidemie waren zwanzig Prozent der Verstorbenen Angehörige dieser Berufsgruppen. Sie müssen in besonderem Maße geschützt werden.

 

Gesundheit geht vor Profitinteresse

Bereits jetzt ist zu beobachten, dass Schutzmasken und Desinfektionsmittel als Spekulationsobjekte genutzt, gehortet und zu überhöhten Preisen abgegeben werden. Die Beschaffung muss koordiniert werden. Die Möglichkeit, dringend benötigte Güter notfalls auch zu beschlagnahmen, ist zu prüfen.

 

Strukturen zur Bewältigung der Care-Krise schaffen

Pflege- und Gesundheitsberufe sind vielfach weiblich. Der Anteil des Personals im Gesundheits- und Sozialsektor mit betreuungsbedürftigen Kindern ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung fast doppelt so hoch. In dem Moment, wo Schul- und Kita-Schließungen notwendig werden, fehlt dieses Personal in Krankenhäusern und Arztpraxen. Hier müssen dringend Notfallstrukturen für die Betreuung von Kindern, deren Eltern im Pflege- und Gesundheitsbereich arbeiten, aufgebaut werden.

 

Liquiditätssicherung für besonders verwundbare Bevölkerungsgruppen

Die Regelsätze für von Armut betroffene Rentner*innen und Hartz-IV-Betroffene sind schon im Alltag viel zu niedrig. Individuelle Bewältigungsstrategien wie der Gang zu Lebensmitteltafeln oder Suppenküchen stehen vielfach nicht mehr zur Verfügung, weil dort die Freiwilligen fehlen oder Desinfektionsmittel knapp werden. Von kurzfristigen Preissteigerungen bei spezifischen Lebensmittelknappheiten und notwendigen Dienstleistungen bei Krankheitsverdacht und im Quarantänefall sind daher insbesondere die ärmsten Bevölkerungsgruppen besonders betroffen. Hier muss ein schneller und unbürokratischer Krisenmechanismus, wie z. B. ein Pandemiezuschlag auf alle Sozialleistungen, gefunden werden.

 

Soziale Garantien für Menschen in prekären Lebenslagen und für Kleinstunternehmen

Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden viele hart treffen. Die Absage von Messen, Festivals und Großveranstaltungen bringt viele insbesondere kleinere Unternehmen an den Rand der Insolvenz. Soloselbstständige, Kulturbetriebe, Arbeiter*innen der Kreativwirtschaft, Messebauer*innen und Handwerker*innen können in Folge der Pandemie in enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Hier braucht es unbürokratische Hilfen und soziale Garantien.

Wir schlagen hierfür ein Pandemie-Überbrückungsgeld für alle vor, deren Einkommen durch die Pandemie gefährdet sind. Die bei Hartz IV üblichen Regeln, wonach zunächst alles Angesparte inklusive der eigenen Altersvorsorge aufzubrauchen ist, treffen viele hart. Als Sofortmaßnahme muss daher bei Beantragung von Grundsicherungen für die Dauer der Pandemie die Vermögensprüfung ausgesetzt werden.

 

Ansteckungsgefahren minimieren – Massenunterbringung vermeiden

In vielen Bundesländern ist noch immer Heimunterbringung für Geflüchtete der Regelfall. In sogenannten AnkER-Zentren dienen sie der Abschreckung von Schutzsuchenden durch möglichst unwirtliche Lebensbedingungen. Dazu gehört, dass es keine Möglichkeit gibt, selbst zu kochen. Die Angewiesenheit auf Massenspeisung in Großkantinen setzt die Betroffenen einer unnötigen Infektionsgefahr aus. Dezentrale Unterbringung ist daher nicht nur ein Gebot der Humanität, sondern auch des Schutzes vor Ansteckung.

 

Vor Wohnungslosigkeit schützen, Ersatzwohnraum für Wohnungslose schaffen

Menschen werden aufgefordert, zu Hause zu bleiben. In dieser Situation sind Zwangsräumungen von Wohnungen sofort auszusetzen. Wohnungslose sind aufgrund ihrer Lebenssituation eine gesundheitlich hoch belastete Bevölkerungsgruppe und gehören vielfach zur Risikogruppe. Um die Belegungsdichte in Notunterkünften zu reduzieren, müssen zusätzliche Räumlichkeiten akquiriert werden.

 

Für einander da sein …

Im Zuge von Corona kommen schwere Zeiten auf uns zu. In solchen Zeiten entscheidet sich auch der grundsätzliche Charakter einer Gesellschaft. Gewinnen die gelebte Solidarität, das Aufeinander-Achtgeben und die gegenseitige Unterstützung die Oberhand oder dominieren kaltherziger Egoismus und reines Profitstreben. Hier sind wir alle gefragt.

Zu einem solidarischen Handeln gehört: kein Hamstern von Produkten, die alle benötigen. Kein massenhaftes Aufkaufen von Medizinprodukten. Kein Diebstahl von Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern und Altersheimen. Achtsam sein und jene schützen und unterstützen, die zu Risikogruppen gehören.

 

Ein Diskussionspapier von

Katja Kipping, Ko-Vorsitzende der Partei DIE LINKE

Stefan Gebhardt, Vorsitzender der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt, gelernter Krankenpfleger

Stefan Hartmann, Vorsitzender der Partei DIE LINKE. Sachsen

Anja Mayer, Vorsitzende der Partei DIE LINKE. Brandenburg, ehemalige Arzthelferin

Susanne Schaper, Vorsitzende der Partei DIE LINKE. Sachsen, Diplom-Pflegewirtin und Krankenschwester

Katharina Slanina, Vorsitzende der Partei DIE LINKE. Brandenburg