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Ates Gürpinar

Europawahl 2019

Stichpunkte Ates Gürpinar, Landessprecher DIE LINKE. Bayern

Uns geht es nicht um ein bisschen hier, ein bisschen dort: Es geht nicht um ein bisschen weniger Armut, es geht um keine Armut, es geht nicht um ein Kratzen am Klimawandel, es geht um eine Welt, in der alle leben können, und es geht nicht um ein bisschen Frieden in Europa, sondern um Frieden in der Welt. Im Gegensatz zu anderen Parteien haben wir eine wirkliche Aufgabe, eine Vision von einer besseren Welt. In Anbetracht dessen können wir mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein.

Folgende Analyseansätze beruhen vor allem auf Zahlen aus Bayern:

  • Wahlergebnis in Ost und West: Der Anstieg in absoluten Zahlen im Westen und die Schwächung im Osten korreliert mit den Mitgliederzahlen und sollte nicht als Vorwurf verwandt werden, im Gegenteil: Der Westen hat es leider bislang nicht genügend geschafft, den absehbaren Wegfall der Mitglieder im Osten trotz anhaltender Finanzierung aus dem Osten auszugleichen.
    Der Abstand der Städte zu ländlichen Gebieten bleibt, nimmt aber ein wenig ab, weil in den Städten vor allem die Kleinstparteien, insbesondere DIE PARTEI WählerInnen von der LINKEN zog. Die kleineren Parteien wirkten auf dem Land nicht so stark.
  • Wahlentscheidend war erstens die Frage nach einem Pro und Contra-Europa (wahlweise EU). Diese Frage entpolitisierte, weil sie eine ähnlich gelagerte Frage überlagerte, nämlich den Kampf gegen Rechts, der bei den Wahlen 2017 und 2018 noch im Vordergrund stand. So galten spaltende Rechtsausleger wie die CSU ohne Schamesröte als glühende Europäer. Alle weiteren Parteien, die Geflüchtete auf hoher See sterben lassen, ebenso.
  • Wahlentscheidend war zweitens die in den vergangenen Monaten durch jüngere Menschen etablierte Fridays-for-Future-Bewegung den Klimawandel in den Mittelpunkt. Zwar nicht in direktem Zusammenhang, aber als zusätzliche Jugendmobilisierung darf die vor der Wahl erfolgreiche Aktion vieler YoutuberInnen gelten. Erstere hat eine politisch sehr bewusste, zweitere zumindest gegen die ehemaligen Volksparteien junge WählerInnengruppe mobilisiert.
  • Es profitierten einfache Antworten: DIE LINKE kann jeweils nicht die prägnantesten Antworten liefern. Die europabejahende, Bienen plakatierende Grüne lieferte. Bevor Vorwürfe laut werden: Dieser bundesweite Trend ist von der Partei nicht bestimmbar. Auch die großartigste Arbeit der Partei kann großen Stimmungslagen nichts entgegensetzen. Sicherlich gäbe es die ein oder andere Stellschraube in der Kampagnenplanung, die hätte besser laufen können: Aber in der Gemengelage hätten wir es weder zur ökologischsten, noch zur pro- oder antieuropäischsten Partei geschafft – egal, wie wir es haben wollen.
  • Eigene Mobilisierung schwach: Die Wahlen waren für viele Linke – von der StammwählerInnenschaft über die Aktiven bis hin zu den höheren Gremien – keine entscheidende Wahl. Wir haben es nicht geschafft, sie von der Notwendigkeit LINKER Kräfte im EU-Parlament zu überzeugen.
    • Bsp: I: Exemplarisch dafür steht die Anzahl derjenigen, die anstelle von uns die Partei DIE PARTEI gewählt haben. Martin Sonneborn wusste das Parlament zu nutzen wie niemand anderes.
    • Bsp. II: Wir schnitten überall dort, wo es Parallelwahlen zur Europawahl gab, besser ab als bei der Europawahl selbst: Bei den Wahlen in Bremen mit über 3%-Differenz.
  • Aufgabe I: Die Partei wird und darf ihre Existenzgrundlage nicht aufweichen: Wir bleiben selbstverständlich bei der sozialen Frage. Dies bedeutet nicht, dass wir die Frage von Nachhaltigkeit und Klima den Grünen ‚überlassen‘ – wir müssen dort sogar klarer werden, denn der Klimawandel ist eine der zentralen sozialen Fragen weltweit, mehr und mehr auch in Deutschland. Gleichzeitig ist es wahrscheinlich, dass die Grünen bei der Ökologie den Weg gehen werden, den die SPD beim Sozialen gegangen ist, da sie die Probleme nicht grundlegend angehen wollen/werden. Die Grünen würden dann in der Klimafrage die Hoffnungen der Generation zerschlagen. Wir müssen dafür bereitstehen. 
  • Aufgabe II: In den prekären Vierteln/Gegenden/Städten, wo Parteiaktivitäten generell abnehmen – in München insbesondere die der SPD – dort wird die AfD stärker. Einen Rechtstrend stoppen wir mit der (Wieder-)Verankerung vor Ort – durch lokale thematische Auseinandersetzungen, wo möglich.
  • Aufgabe III: In Zeiten, in denen die große Stimmungslage nicht für uns spricht, wird deutlich, dass wir schlicht zu wenige sind: LINKE Parteien bestehen insbesondere aus den Menschen vor Ort, in den Betrieben, in den Vierteln und Bewegungen. Wir müssen schlicht und ergreifend mehr werden und dafür Strukturen schaffen. In Bayern wird die zentrale Arbeit des nächsten Jahres darin bestehen, kommunal in den ‚Parlamenten‘ vertreten zu sein (Kommunalwahl im März 2020) – und dies mit den Bewegungen zu verbinden.