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Klaus Ernst

Schwarz-Gelb ist jetzt am Ende

Statement von Klaus Ernst, Vorsitzender der Partei DIE LINKE, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus im Anschluss an die Beratung des Geschäftsführenden Parteivorstandes:

Guten Tag. Ich möchte mich zu drei Themen äußern. Zunächst zum Rücktritt von Ole von Beust in Hamburg. Aus unserer Sicht ist Schwarz-Gelb jetzt am Ende. Sein Rücktritt hinterlässt zwei Verlierer, Schwarz-Gelb und Schwarz-Grün:

Schwarz-Grün ist nach dem Rücktritt von Beust gefühlt am Ende. Die Vorgänge rund um den Rücktritt zeigen, dass die Vertrauensbasis unter den Koalitionären schwer gestört ist. Die Grünen stehen jetzt vor einer bundesweiten Richtungsentscheidung. Sie müssen sich jetzt entscheiden: Wollen sie weiter an der Seite der CDU kleben bleiben und sich einige Rosinen herauspicken, oder wollen sie einen Politikwechsel. Die Politik der nach allen Seiten offenen Beliebigkeit ist gescheitert. Wenn der Volksentscheid in Hamburg nicht das Ende des Kampfes für längeres gemeinsames Lernen markieren soll, dann müssen die Grünen die CDU in die Wüste schicken.

Ein Politikwechsel geht – aus unserer Sicht - nicht mit der CDU, die sich unter dem Konservativen Ahlhaus schnell von der Schulreform verabschieden wird. Die Grünen müssen jetzt schnell einen Klärungsprozess beginnen. Die Menschen wollen schließlich vor den nächsten Wahlen wissen, ob bei Grün Schwarz drin ist. Neuwahlen wären die beste Lösung für Hamburg.

Einige Worte zum Scheitern der Primarschule durch den Volksentscheid. Das bedauern wir sehr. Aber wir respektieren das Ergebnis. DIE LINKE ist die Partei, die sich immer sehr deutlich für die Abstimmung durch Bürgerinnen und Bürger selbst ausgesprochen hat. Für uns ist das nicht das Ende des Kampfs für längeres gemeinsames Lernen. Das ist und bleibt der richtige Weg. Im Übrigen ist das Ergebnis in Hamburg auch dem geschuldet, dass große Teile derer, die für längeres gemeinsames Lernen eingetreten sind, gar nicht mitstimmen durften. Das sind zum Beispiel Migrantinnen und Migranten, die bei dieser Frage nicht abstimmungsberechtigt waren, den ein anderes Ergebnis aber zu Gute gekommen wäre.

Längeres gemeinsames Lernen bleibt unser Kernthema auch in den kommenden Wahlkämpfen – zum Beispiel in Sachsen-Anhalt und Bremen. Das längere gemeinsame Lernen bleibt unsere Messlatte für die Bildungspolitik in den Ländern. Zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wo bald ähnliche Richtungsentscheidungen anstehen.

Ein bundespolitisches Wort auch dazu: Es zeigt sich immer mehr, dass SPD und CDU/CSU bei der Föderalismusreform einen schweren Fehler gemacht haben, als sie die Bildungspolitik komplett in Länderhand gegeben haben und den Bund durch das Kooperationsverbot ausgeschlossen haben. Wir müssen etwas gegen den Flickenteppich in der Bildungslandschaft tun. Bundesweite Standards wären auch nicht viel mehr als der Anschluss an europäische Normalität.

Zweites Thema ist Nordrhein-Westfalen: In Nordrhein-Westfalen ist in der letzten Woche die Abwahl von Schwarz-Gelb geglückt. Das freut uns natürlich sehr. Es muss an dieser Stelle daran erinnert werden, wem Frau Kraft es zu verdanken hat, dass sie heute Ministerpräsidentin ist. Rot-Grün hat den Machtwechsel nicht aus eigener Kraft geschafft, sondern weil die Linke ihre Zusagen eingehalten hat und sich im zweiten Wahlgang geschlossen enthalten hat. Höflich erzogene Menschen würden in so einer Situation wenigstens mal Danke sagen. Es ist mehr als ungezogen, dass die SPD-Führung von dieser Tatsache jetzt ablenken will, indem sie uns Etiketten wie "unberechenbar", "fundamentaloppositionell", "gespalten" an den Hals hängt. So entsteht kein Vertrauen.

Fakt ist: Frau Kraft ist dank unserer Geschlossenheit und Zuverlässigkeit Ministerpräsidentin geworden. Wie lange sie das bleibt, hängt von ihr selbst ab. Es liegt in ihrer Hand, ob sie drei oder zwei Parteien als Opposition gegen sich hat. Unsere Hand für eine Kooperation bleibt ausgestreckt. Wenn Frau Kraft ihre Regierung stabilisieren will, dann sollte sie diese Hand ergreifen. Sie wäre gut beraten, ihre Gesetzgebungsvorhaben vorab mit uns zu beraten, anstatt jedes Mal neu nach Mehrheiten zu suchen. Das ist keine neue Qualität der Demokratie. Das sind chaotische Verhältnisse, die niemand wollen kann.

Dies auch zur Klarstellung unserer Forderung, dass die Beobachtung der LINKEN durch den Verfassungsschutz in NRW eingestellt werden soll. Das ist kein Junktim: Es geht um eine Selbstverständlichkeit. Man kann nicht bei einer Partei gleichzeitig um Stimmen für die demokratische Gesetzgebung werben, wenn man sie gleichzeitig durch den Geheimdienst beobachten lässt. Entweder wir sind Verfassungsfeinde, oder wir sind Partner für die Verabschiedung verfassungsgemäßer Gesetze. Das ist ein Widerspruch, auf den ich hinweisen möchte. Wir fordern ein Ende der Unkultur, dass der Verfassungsschutz für politische Zwecke instrumentalisiert wird.

Ein Wort zu Herrn Gabriel und seinen nicht abreißenden Beschimpfungen gegen unsere Partei: Ich kann Herrn Gabriel nur raten, endlich im Fünf-Parteien-Systems anzukommen. Es wird ihm nicht gelingen, die Linke weg- oder kaputt zu reden. Die SPD muss ihr Verhältnis zur Linken endlich entkrampfen, wenn sie strategisch aus der Defensive heraus kommen will. Es ist eine Tragik, dass dieses Land keine Regierungschefin hat, die führt, aber leider eben auch keinen Oppositionsführer, der die Gegenkräfte eint. Herr Gabriel spaltet sie eher. Herr Gabriel ist im Moment die Lebensversicherung von Frau Merkel. Würde er die Opposition einigen, hätte er eine Chance, seiner Rolle gerecht zu werden und politische Veränderungen einzuleiten.

Ich verlange von der SPD eine Klärung ihres Verhältnisses zur Linken. Das betrifft mehrere Fragen: Wem steht die SPD näher? Den Sozialabbauparteien CDU, CSU und FDP oder der Linken. Sozialabbau oder Politikwechsel lautet diese Richtungsentscheidung. Ist die SPD bereit, in einer rot-roten Regierung einen linken Ministerpräsidenten zu wählen, wenn die Linke die stärkere Kraft ist, wie es demokratische Spielregel ist?

Wie ist die Haltung der SPD zu einer Minderheitsregierung im Bund? Kalkuliert sie dieses Abenteuer in ihre Überlegungen ein, wie Parteichef Gabriel sagt, oder ist das "Quatsch", wie Fraktionschef Steinmeier sagt?

Ist die SPD bereit, in wichtigen Fragen eine gemeinsame Haltung der Oppositionsparteien zu befördern, um Schwarz-Gelb auf Kernfeldern Niederlagen beizubringen?

Zu einem letzten Thema: Gesundheitspolitik und was DIE LINKE vorhat. Die letzte der obigen Fragen wird bereits im Herbst sehr konkret. Der schwarz-gelbe Gesundheitskompromiss liegt auf dem Tisch. Er bedeutet im Wesentlichen: die Versicherten müssen sofort erhebliche Mehrbelastungen tragen und sollen künftig alle Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein tragen. Die nach oben offenen Zusatzbeiträge sind eine Kopfpauschale durch die Hintertür. Der Beitrag der Arbeitnehmer steigt auf 8,2 Prozent, rechnet man die möglichen Zusatzbeiträge von 2 Prozent hinzu, ist man bei möglichen 10 Prozent Beitrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Sozialausgleich ist ein bürokratisches Monstrum, das Millionen unverschuldet zu Bittstellern des Staates macht.

Wir haben sehr einfache kurz- und langfristige Alternativen. Kurzfristig stellen wir gegen den schwarz-gelben Gesundheitskompromiss unsere Forderung nach einer Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge. Wenn auch die Arbeitgeber einen Beitragssatz von 7,9 Prozent statt jetzt 7,0 Prozent zahlen müssten, dann brächte das dauerhaft knapp 10 Milliarden Euro jährliche Mehreinnahmen für die Krankenkassen. Wenn das nicht ausreicht, um die Defizite zu decken, dann sollte es ein Sonderopfer der Arbeitgeber, also einen zeitlich befristeten Zusatzbeitrag geben, den die Arbeitgeber allein tragen.

Langfristig wollen wir die Krankenkassen durch die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung auf stabile finanzielle Füße stellen. Die funktioniert nach einem einfachen Prinzip. Alle sind versichert. Alle – also auch Beamte, Bundestagsabgeordnete, Manager und Millionäre – zahlen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit, also ihres Einkommens ein und erhalten eine zuzahlungsfreie und verlässliche medizinische Versorgung.

Wir wollen die Gesundheitspolitik zu einem Aktionsschwerpunkt im Sommer und im Herbst machen. Wir haben unsere Positionen in einem Positionspapier zusammen gefasst und machen damit ein Diskussionsangebot, das sich an unsere eigenen Mitglieder und Aktiven, aber ausdrücklich auch an alle anderen Parteien und Verbände richtet. Wir stehen zu unserem Vorschlag: mit einem breiten Bündnis für soziale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen kann es uns gelingen, die schwarz-gelben Pläne zu stoppen.

Wir werden im Sommer mit ersten Aktionen gegen die schwarz-gelben Gesundheitspläne unter dem Motto "Gesundheit ist keine Ware" beginnen. Jetzt ist die Zeit der Aufklärung und Mobilisierung. Unsere Aktiven werden mit Plakaten vor Krankenhäusern, Arztpraxen und Gesundheitszentren präsent sein und auf die Menschen zugehen, um sie über die dramatischen Folgen der schwarz-gelben Pläne und unsere Alternativen aufzuklären. Das ist erst der Beginn der Aktionen. Im Herbst muss sich die Regierung auf massive Proteste einstellen, an denen sich DIE LINKE beteiligen wird.