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Gesine Lötzsch

Kommunalpolitik ist das Herzstück der Partei

Beim Parteienabend der LINKEN anlässlich der 36. ordentlichen Hauptversammlung des Städtetages trafen sich im Stuttgarter Kunstgebäude mehr als 80 Kommunalpolitiker unserer Partei zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch. Zu Beginn ihrer Rede gratulierte die Parteivorsitzende, Gesine Lötzsch, Stefan Weigler, Bürgermeister aus Wolgast, zu seiner Wahl ins Präsidium des Städtetages.

Liebe Genossinnen und Genossen, wenn ich in Stuttgart bin, dann muss ich immer an den Werbespruch denken: "Wir können alles, außer Hochdeutsch." Dieser Spruch gilt auch für unsere Genossinnen und Genossen in Baden-Württemberg, die einen sehr gut organisierten Wahlkampf geführt haben. Auch wenn die Enttäuschung groß war, dass wir nicht mit einer Fraktion in den Landtag eingezogen sind, ist die Leistung des Landesverbandes Baden-Württemberg nicht hoch genug einzuschätzen. Ich bin auch beeindruckt, wie sich die Genossen hier gleich nach dem Wahltag wieder aufgerappelt haben und weiter kämpfen.Es gibt keinen Grund zu verzagen! DIE LINKE wird gebraucht, dass weiß jeder, der sich nur die aktuellen Schlagzeilen in der Zeitung anschaut. Hier nur ein paar Beispiele:

  • "Die Zahl der Niedriglöhner steigt auf 7 Millionen."
  • "Deutschland will sich an Libyenmission beteiligen."
  • "Größtes Finanzdefizit der Kommunen in der Geschichte der Bundesrepublik."

Linke Politik wird in diesem Land dringender gebraucht als je zuvor!

Kommunalpolitik Herzstück der Partei

Ich freue mich, dass so viele Kommunalpolitiker gekommen sind und wir die Möglichkeit haben, über unsere gemeinsame Arbeit zu sprechen. Ich möchte mich bei Euch für Eure Arbeit als Kommunalpolitiker der Partei DIE LINKE bedanken. Ein besonderer Dank gilt heute den Präsidumsmitgliedern des Städtetages Angelika Gramkow (OB Schwerin) und Dieter Holtz (BM Sassnitz). Ihre Arbeit wird nun auch durch Stefan Weigler, unserem Bürgermeister aus Wolgast, verstärkt. Er wurde heute ins Präsidium des Städtetages gewählt. Dazu gratuliere ich ihm, sicherlich auch in Eurem Namen sehr herzlich. Ich betone ausdrücklich die gemeinsame Arbeit, weil ich der festen Überzeugung bin, dass eine Partei nur so erfolgreich ist, wie ihre Kommunalpolitiker vor Ort. In meinen Sprechstunden im Wahlkreis stelle ich immer wieder fest, dass die Bürgerinnen und Bürger natürlich erst wissen wollen, wie es mit ihrem Wohngeld, mit dem Bildungsgutschein, mit der Müllentsorgung, mit der Schule oder der Schwimmhalle weitergeht, doch dann sind sie in der Regel sehr offen mit mir über sehr grundsätzliche Gesellschaftsthemen zu sprechen. Da geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Krieg und Frieden!

Deshalb ist es mir wichtig, dass wir uns gemeinsam über die grundsätzliche Politik der Partei verständigen, denn Ihr werdet vor Ort gefragt, welche Ziele unsere Partei verfolgt und wie ein demokratischer Sozialismus aussehen soll. Auf diese Fragen müssen wir alle eine gemeinsame Antwort geben können.

Krieg und Krise

Die LINKE ist die einzige Partei in Deutschland, die unmissverständlich und eindeutig für die Lösung aller Konflikte mit friedlichen Mitteln steht. Ich finde, das müssen wir immer wieder sagen, nicht nur in Bundestagswahlkämpfen, sondern auch in Landtagswahlkämpfen, eigentlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Denn Frieden ist nur scheinbar ein Bundesthema. Der Krieg in Afghanistan ist gar nicht so weit weg von unseren Städten und Gemeinden. Nicht nur, dass das Geld der Steuerzahler am Hindukusch aus dem Fenster geworfen wird, immer mehr Menschen werden Opfer des Krieges und immer mehr Familien trauern um ihre Söhne und Töchter, die sie in Afghanistan verloren haben. Und wenn die Soldaten vom Einsatz in Afghanistan zurückkehren, sorgen sich die Familien oft auch um ihre Angehörigen, weil sie traumatisiert von Kriegsgeschehen sind. Die Friedensfrage ist so grundsätzlich wichtig, dass wir sie immer wieder zum Thema machen müssen. In meinem Bezirk Berlin-Lichtenberg werden wir am 8.Mai auf den Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus anstoßen. Ich finde, diesen Tag sollten wir in jeder Stadt und jeder Kommune feiern. Dass wir in Frieden leben können, verdanken wir der Anti-Hitler-Koalition, auch daran müssen wir immer wieder erinnern.

Konjunktur und Krise

Die Bundesregierung freut sich über die Konjunktur und vermittelt den Eindruck, dass alles wunderbar laufe. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen sinken und die Finanzkrise scheint überwunden. In den Kommunen seht Ihr, dass trotz Konjunktur die Finanzprobleme weiter existieren und grundsätzliche Strukturentscheidungen getroffen werden müssen. Die Kommunen brauchen mehr Geld, um die Folgen einer falschen Steuer-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik zu bewältigen.

Unsere Losung "Hartz IV ist Armut per Gesetz" stimmt immer noch.

Sie trifft nicht nur auf den einzelnen Hartz-IV-Empfänger zu, sondern auch auf viele Kommunen, die mit den Hartz-IV-Kosten völlig überfordert sind. Ich nenne hier als Stichwort nur die Auswirkungen bei Umsetzung des Bildungspakets. Die Finanzkrise ist noch längst nicht überwunden und auch die Konjunktur ist immer noch gespalten. Ich will nur eine Zahl nennen, um das zu verdeutlichen: 11 Prozent der Leiharbeiter bekommen so wenig Lohn, dass sie davon nicht ihr Leben bestreiten können. Sie müssen zum Amt gehen und "aufstocken".

Die Lohnsubvention an Unternehmen, die keine ehrlichen Löhne zahlen wollen, ist ein Skandal! "Gute Arbeit" - das ist ein Markenzeichen der Linken - dafür kämpfen wir auf der Bundesebene genauso wie in den Ländern. Eine aktuelle Prognos-Studie hat gezeigt, dass schon ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € in der Stunde eine Entlastung der öffentlichen Haushalte von 7 Mrd. € im Jahr bewirken würde. DIE LINKE wird so lange für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 € eintreten, bis er endlich in Deutschland eingeführt wird. Mindestlöhne gibt es bereits in 20 von 27 EU-Mitgliedsländern.

Situation der Kommunen

Liebe Genossinnen und Genossen, Euch brauche ich nicht die Situation der Kommunen erklären, damit habt ihr jeden Tag intensiv zu tun. Ich will ein paar Kernforderungen nennen, die wir uns als Partei auf die Fahnen geschrieben haben:

  1. Gemeinsam kämpfen wir für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen. Die Gewerbesteuer muss bleiben und noch weiter ausgebaut werden.
  2. Wir brauchen in den Kommunen einen öffentlichen Beschäftigungssektor. Die Milliarden-Kürzungen der Bundesregierung bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen sind indiskutabel.
  3. Wir wollen keinen weiteren Verkauf von öffentlichem Eigentum. Die Daseinsvorsorge ist zu wichtig, um sie den Profitinteressen einzelner Konzerne zu überlassen.

Immer dann, wenn ich Kommunalpolitiker frage, was aus ihrer Sicht die drei wichtigsten Forderungen der Linken in ihrer Stadt sind, werde ich etwas nachdenklich angeschaut. Das liegt natürlich daran, dass unsere Kommunalpolitiker mit tausend kleinen Dingen befasst sind, um das Leben in einer Stadt zu organisieren. Trotzdem ist es wichtig, dass wir als Partei in jeder Stadt und in jeder Kommune sagen können, was für uns die drei wichtigsten Ziele sind, die dann auch noch bei den Bürgern ankommen müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Eigentumsfragen in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle in den Kommunen spielen werden. Der finanzielle Druck der Bundesregierung auf die Kommunen wird noch größer werden. Die Schuldenbremse wird dazu genutzt, die Bürgerinnen und Bürger weiter zu enteignen. In Hessen stimmten 30% der Wählerinnen und Wähler gegen die Schuldenbremse! Diese Wählerinnen und Wähler haben den Pferdefuß der Schuldenbremse erkannt.

Deshalb halte ich es für sinnvoll, wenn wir die Eigentumsfrage auch in den Kommunen immer wieder in den Mittelpunkt stellen. Krankenhäuser, Schulen, Wasserbetriebe oder Verkehrsbetriebe gehören in die Hände der Bürgerinnen und Bürger. Öffentliches Eigentum ist Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Wenn eine Bürgermeisterin oder ein Dezernent all sein öffentliches Eigentum verkauft hat, dann sind seine Handlungsspielräume so eng, dass er kaum noch eine wirksame Sozial- oder Umweltpolitik betreiben kann.

Ich sage unseren jungen Kommunalpolitikern in Lichtenberg immer, dass die Arbeit von Kommunalpolitiker etwas der von Kanalarbeitern ähnelt. Sie arbeiten fleißig und wenn alles gut läuft, bekommt es keiner mit, dass überhaupt gearbeitet wird. Doch wenn dann mal ein Wasserrohr platzt, die Heizung ausfällt, dann ist die Aufregung groß! Dann stehen die Verantwortlichen am Pranger und keiner dankt ihnen, dass sie ansonsten eine vorbildliche Arbeit gemacht haben. Das ist für jeden Kommunalpolitiker sehr bitter! Deshalb bin ich schon der Meinung, dass in regelmäßigen Abständen mal der Gully-Deckel weggeschoben werden muss, um sich der Öffentlichkeit zu zeigen und deutlich zu machen, was man tut und für wen man das macht und zur welcher Partei man gehört. Ich war Ende des vergangenen Jahres in Hildburghausen. Dort wissen beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger, dass der Erhalt ihres Stadttheaters eng mit dem Namen Steffen Harzer, ihrem Bürgermeister von der LINKEN verbunden ist.

Übrigens erlebe ich immer wieder, wie intensiv Bürgermeister der anderen Parteien auf ihre politische Herkunft verweisen. Bei linken Kommunalpolitikern spüre ich da oft eine gewisse Zurückhaltung. Nach der Devise: Es geht doch um die Sache und nicht um die Partei. Nein, es geht immer um die Sache und die Partei.

Analyse der Landtagswahlen

Liebe Genossinnen und Genossen, wir waren uns nach den Ergebnissen der Landtagswahlen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Parteivorstand einig, dass wir die Parteistrukturen im Südwesten unserer Republik stärken müssen. In Rheinland-Pfalz gibt es weniger Genossen als in meinem Wahlkreis Lichtenberg, aber dafür ist das Bundesland 380mal größer als Lichtenberg. Dann kann man sich vorstellen, mit welchem Einsatz die Genossinnen und Genossen in Flächenländern ihr Material an die Frau und den Mann bringen muss. Ja, Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Klaus Ernst und ich haben uns sehr in den Wahlkämpfen engagiert und gemeinsam mit unseren Genossen vor Ort gekämpft. Es hat dennoch nicht gereicht für den Einzug in die beiden Landtage. Wir brauchen jede Genossin und jeden Genossen, wenn wir wieder erfolgreicher werden wollen! Insbesondere brauchen wir Euch in den Kommunen, nur mit Euch wird uns eine weitere kommunale Verankerung gelingen! Linke Politik zum Anfassen ist die Voraussetzung für Wahlerfolge, dafür brauchen wir Kommunalpolitiker vor Ort. Egal ob wir in der Regierung oder in der Opposition sind, wir müssen uns wieder stärker mit den außerparlamentarischen Bewegungen verbünden. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern unsere Politik erklären- gerade weil Bundespolitik und Kommunalpolitik komplexe Themen und Entscheidungen beinhalten. Unsere Aufgabe ist es, Sachkunde so zu vermitteln, dass die Menschen die Inhalte unserer Politik verstehen und dann motiviert mit uns zusammen die Gesellschaft ändern wollen. Wir müssen in den Kommunen über den Atomausstieg reden und konkret fragen, wie wir die Energiewende sozial gestalten können.

Wir müssen die Eigentumsfrage mit der Demokratiefrage verbinden und in den Kommunen die Frage stellen, wie wir öffentliches Eigentum sichern und wie wir ehemaliges öffentliches Eigentum zurückgewinnen können. Für mich ist die entscheidende Frage, ob es uns gelingt, die weitere Spaltung der Gesellschaft aufzuhalten.

In vielen Medien wird die Spaltung der Gesellschaft immer mehr ausgeblendet und damit auch die Partei, die sich gegen diese Ausblendung wendet. Doch wir verschließen nicht die Augen vor dieser Spaltung, denn sie setzt negative Energien frei, wie Hass, Gewalt, Neid und Gier. Diese negativen Energien können eine Gesellschaft sprengen und das wollen wir verhindern! Wir fordern soziale Gerechtigkeit, d.h. gesetzliche Mindestlöhne, gerechte Renten, Überwindung von Hartz IV, eine gute Gesundheitsversorgung und gute Bildung unabhängig vom Geldbeutel.

Dafür brauchen wir ein gerechtes Steuersystem, das die Umverteilung in dieser Gesellschaft wieder vom Kopf auf die Füße stellt. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört bei uns natürlich immer, dass wir Kriege ablehnen – sie sind zutiefst ungerecht und zerstören die Umwelt.

Liebe Genossinnen und Genossen, die Stärke einer Partei zeigt sich nicht darin, wie sie mit Erfolgen umgeht, sondern mit Niederlagen. Wir dürfen unsere Stärke als junge Partei nicht geringschätzen. Wir werden bei den nächsten Wahlen wieder erfolgreich sein. Wir sind stark und wir werden bei den nächsten Wahlen wieder erfolgreich sein. Aber noch wichtiger als Wahlsiege sind wirklich positive Veränderungen für die Menschen, die mit ihrer Stimme all ihre Hoffnung in uns gesetzt haben! Ich glaube, manchmal unterschätzen wir, wie schwierig es ist, unter ständig schlechter werdenden finanziellen Bedingungen, linke Kommunalpolitik zu machen. Vielleicht haben wir auch manchmal nicht genau genug hingeschaut und deshalb zu wenig die kleinen und großen Erfolge gewürdigt.

Die Partei steht und fällt mit ihren Kommunalpolitikern. Dort wo wir kommunalpolitisch fest verankert sind, dort werden wir immer wieder gewählt. Darauf könnt ihr stolz sein, dafür möchte ich euch im Namen der ganzen Partei danken! Für mich ist Kommunalpolitik Chefsache! Das ist keine Selbstverständlichkeit und auch nicht nur so daher geredet. Als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete aus Berlin-Lichtenberg habe ich nie eine Arbeitsteilung akzeptiert, die darauf hinausläuft, dass wir im Bundestag die Weltpolitik bestimmen oder wenigstens erklären und die Kommunalpolitiker sich mit den absurden Ergebnissen der Weltpolitik abfinden müssen. Auf diese Arbeitsteilung werde ich mich nie einlassen, darauf dürfen wir uns als Partei nie einlassen! Im Gegenteil, ich bin dafür, dass ihr euch viel mehr in die öffentliche Diskussion einmischt. Ich wünsche mir, dass ihr euch öfter zu Wort meldet, wenn es um die Zukunft unserer Partei geht.

Liebe Genossinnen und Genossen, unsere Partei ist in einer schwierigen Phase. Erfolge lösen immer Euphorie aus, Euphorie trägt einen eine ganze Weile, manchmal vernebelt sie auch ein wenig die Gedanken. Ich glaube aber, eine Partei kann sich auch dadurch beweisen, dass sie nicht nur zeigt, wie sie mit Siegen, sondern auch, wie sie mit Niederlagen umgeht. Sich aus einem Tal wieder hinaufzuarbeiten, ist kein Spaziergang, dazu braucht man Ausdauer, dazu braucht man Disziplin, dazu braucht man gute Nerven, dazu braucht man Zusammenarbeit, und dazu braucht man vor allem eine gemeinsame Idee. Und unsere Idee ist die einer gerechten Gesellschaft, in der alle in Würde, Solidarität und Gleichheit miteinander leben können. Wir sind die Partei der Solidarität. Und wir sind die Partei der demokratischen Erneuerung, denn ohne Demokratie kann eine solidarische Gesellschaft nicht leben.

Darum, liebe Genossinnen und Genossen, lasst euch nicht entmutigen, arbeiten wir zusammen für eine demokratische Erneuerung unseres Landes, arbeiten wir zusammen für eine neue soziale Idee.