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Die Personalentscheidungen der SPD werden kein Problem lösen

Auf einer Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus äußerte sich Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zu den Personalentscheidungen der SPD am vergangenen Wochenende, zu der vom Parteivorstand beschlossenen Wahlstrategie der LINKEN für das Jahr 2009 und zum Stand des Wahlkampfes in Bayern

Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, es freut mich, dass sie ein so großes Interesse an den Ergebnissen der Vorstandssitzung der LINKEN haben. Aber ich will Ihre Erwartungen nicht völlig enttäuschen und zuerst etwas zum Wochenende und den Entscheidungen der SPD sagen.

Es war ja für die SPD offensichtlich ein Chaoswochenende. Die Personalentscheidungen, die da getroffen worden sind, werden kein Problem lösen. Die Nominierung von Herrn Steinmeier als Kanzlerkandidaten hat uns nicht überrascht. Das war seit einigen Wochen klar. Dass jetzt auch Franz Müntefering zurückkehrt, ist sehr wohl auch eine politische Entscheidung und Ausdruck der inhaltlichen Zerrissenheit der SPD. Steinmeier und Müntefering sind Garanten der Schröder-Politik. Sie sind Mit-Väter der unsozialen Agenda 2010. Es sind bekennende Schröderianer. Müntefering steht insbesondere für die Rente mit 67, Herr Steinmeier ist der Autor der Agenda 2010 aus dem Kanzleramt gewesen. Dieser Kurs hat zu den vielen Wahlniederlagen der SPD geführt und zu deren Mitgliederschwund. Das wird mit diesen Entscheidungen, nach unserer Einschätzung, fortgesetzt werden.

Mit Kurt Beck hat ein Vorsitzender das Handtuch geworfen, der versucht hat, die auseinanderdriftenden Flügel zusammenzuhalten. Das ist offensichtlich nicht gelungen. Vor allem aber ist es auch eine inhaltliche Entscheidung, weil Kurt Beck auf dem Hamburger Parteitag zumindest den Versuch unternommen hat, die eine oder andere Kurskorrektur vorzunehmen. Hin und wieder ist das auch von Journalistinnen und Journalisten als "Linksruck" beschrieben worden. Ich habe immer von eine "Linksrückchen" gesprochen. Denn viel von den Parteitagsbeschlüssen ist parlamentarisch nicht umgesetzt worden – wenn wir an die Bahnprivatisierung oder an den gesetzlichen Mindestlohn denken. Einzig die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I ist durchgesetzt worden - gegen die Stimme von Herrn Müntefering.

Jetzt gibt es eine neue SPD-Führung, und ich bin gespannt, wie sich das dann auch auf die konkrete Politik der SPD auswirken wird. Der linke Parteiflügel hat an diesem Wochenende verloren. Es gibt weiterhin eine Spaltung zwischen dem Spitzenpersonal und den Mitgliedern der SPD. Das ist offensichtlich, nach allem, was man aus Umfragen kennt. Es gibt eine weitere Entsozialdemokratisierung der SPD.

Ich will deutlich sagen: DIE LINKE freut sich nicht über die Führungskrise in der SPD. Wir bedauern das ausdrücklich, weil es letztlich den Neoliberalen in CDU, CSU und FDP nutzt. Und es ist schon ein  trauriger Höhepunkt, wenn ausgerechnet Frau Merkel mitfühlende Anteilnahme ausdrückt. Diese Frau hat ja immerhin auch die Entscheidung von Herrn Kohl und Herrn Schäuble zum Verlassen des Parteivorsitzes ein bisschen befördert. Dass die SPD diesen Spott jetzt ertragen muss, das freut uns keinesfalls.

Nicht zuletzt bedeutet das für DIE LINKE, dass wir in noch anderer Weise politische Verantwortung für die Entwicklung in diesem Lande und in Europa tragen. Das ist unsere Aufgabe. Und damit bin ich bei den Beschlüssen des Parteivorstandes vom Wochenende. Der Parteivorstand der LINKEN hat die Wahlstrategie für das Wahljahr 2009, mit einer Gegenstimme, beschlossen. Wir haben unsere Wahlziele noch einmal festgehalten. Das Wahlziel 10 plus X bei den Europawahlen und auch 10 plus X bei den Bundestagswahlen, eigene Ministerpräsidentenkandidaten – das alles sind wichtige Ziele, aber es geht im Kern um mehr. In der Summe geht um eine andere Politik in diesem Land. Wir können, wenn wir erfolgreich sind, das Jahr 2009 sehr wohl zu einer Zäsur im politischen System der Bundesrepublik Deutschland gestalten. Wir können mit den Wahlerfolgen viel mehr verändern als Parlamentszusammensetzungen oder Regierungen. Wir treten für eine andere, sozial gerechte Politik ein. Das ist die Herausforderung. Das ist unser Ziel. Mit diesem ehrgeizigen Anspruch werden wir antreten. Details können Sie nachlesen. Die Wahlstrategie ist im Internet veröffentlicht.

Ich möchte aber eins noch in besonderer Weise hervorheben: Wir werden einen Pro-Wahlkampf für unsere Ziele führen. Konstellationen werden keine Rolle spielen, weil alle anderen Parteien politische Gegner sind. Das Problem der Alleinstellungsmerkmale wird in diesem Wahlkampf unser geringstes sein.

Eine Bemerkung sei mir zur Wahlstrategie noch gestattet: Auf Landesebene sieht es so aus, dass wir in Thüringen und im Saarland eigenständige Ministerpräsidentenkandidaten haben, die bereits nominiert sind. Weitere Länder können dazukommen. Ich möchte das ganz vorsichtig formulieren und nicht etwa Entscheidungen von Landesparteitagen vorwegnehmen. Ich sage das vielmehr mit Blick auf Hessen. Denn das, was dort abläuft, was ich auch heute Morgen vernommen habe, wie die Bundesspitze der SPD mit fragwürdigen Äußerungen, mit Verleumdungen und Unterstellungen für Frau Ypsilanti einen Scheiterhaufen bereiten will, ist völlig unakzeptabel. In Hessen gibt es einen klaren Wählerauftrag – die Abwahl von Roland Koch. Das, was Herr Struck heute früh gesagt hat und andere auch, das sehe ich als höchst problematisch an, denn es soll ja offensichtlich eine Politikveränderung in Hessen unmöglich machen.

Zwei abschließende kurze Bemerkungen: Der Parteivorstand hat sich am Sonnabend auch mit dem Thema Bildungspolitik befasst. Wir haben ein relativ umfangreiches Papier mit Positionen zur Bildungspolitik verabschiedet. Die SPD hat ja aufgrund der aktuellen Ereignisse ihre Bildungskonferenz abgesagt. DIE LINKE sieht im Vorfeld des von der Kanzlerin angekündigten "Bildungsgipfels" akuten Handlungsbedarf von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung. Frau Merkel ist ja auf permanenter Bildungsreise… Ich will klar und deutlich sagen: Appelle und Versprechen können die Bildungsmisere nicht beenden, es bedarf konkreter Maßnahmen. Dies muss ein Bildungsgipfel leisten – sonst kann man ihn sich sparen.

Eine zentrale Forderung der LINKEN ist ein nationaler Bildungspakt. Wir fordern, dass die öffentlichen Ausgaben auf mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandproduktes gesteigert werden und die personelle sowie sachliche Ausstattung der Kindertagesbetreuung, der allgemeinbildenden Schulen, der schulischen Berufsausbildung und der Hochschulen verbessert wird. Bildung ist ein Menschenrecht. Darum müssen öffentliche Bildungsangebote unentgeltlich zugänglich sein - von der Kindertagesstätte über die allgemeinbildende Schule bis zum Abitur bzw. beruflicher Ausbildung und Hochschule. DIE LINKE fordert eine Schule für alle Kinder. Der "Bildungsgipfel" der Kanzlerin muss Schritte zur Abschaffung des gegliederten Schulsystems einleiten und einen Weg hin zu einer Gemeinschaftsschule eröffnen. (Den genauen Beschlusstext können Sie auf unserer Internetseite nachlesen.)

Eine letzte Bemerkung: Sie wissen, der 28. September wird wieder ein wahlpolitisch wichtiger Tag – Landtagswahlen in Bayern und Kommunalwahlen in Brandenburg. Ich sehe eine riesige Nervosität bei der CSU. Das, was da in den letzten Tagen in Bayern zu hören war, zeugt vor allem von der Unsouveränität der Herrn Huber und Beckstein. Allerdings ist das, was sie dort uns gegenüber äußern, unverschämt. "Kreuzzug" – da kann man ja noch lächeln. Aber eine Gleichsetzung mit Rechtsextremisten, das ist völlig unakzeptabel, zumal dieses dann auch solche Auswirkungen hat, dass Wahlplakate von uns zerstört werden, dass sie überklebt werden. Es sind diverse Wahlplakate beschädigt worden. DIE LINKE in Bayern hat Anzeige erstattet, wie sich das gehört, und wird das auch weiterhin tun. Ich fordere die CSU-Spitze auf, zu einem Wahlkampf in der Sache zurückzukehren. Dass die Herren Huber und Beckstein letztlich auch die SPD treffen wollen, liegt auf der Hand. DIE LINKE wird in Bayern weiterhin engagiert um Wählerstimmen kämpfen. Wir haben die realistische Chance, in den bayerischen Landtag einzuziehen. Und wir werden uns auf gar keinen Fall von dem, was Huber und Beckstein erzählen, in irgendeiner Weise abschrecken lassen. Ab morgen ist die Linksfraktion des Deutschen Bundestages zur Fraktionsklausur in München.