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betrieb & gewerkschaft

Vom Streiken in einer Einrichtung der württembergischen Diakonie

Martin Auerbach

Nicht nur auf die Segnungen von oben warten

Streiken - gerade in diakonischen Einrichtungen - ist sehr anstrengend! Zum Glück allerdings nur vor dem Streiktag. Da wollen Klinken geputzt, Mitglieder geworben und Bedenken zerstreut werden. Wohl dem, der schon im Vorhinein in vielen kurzen Einzelgesprächen die Grundlage für solch ein fulminantes Vorhaben gelegt hat.

Auch schon umgesetzte kleinere Aktionen zahlen sich nun aus. Kolleginnen und Kollegen, die schon mal an einer Unterschriftenaktion teilgenommen haben oder in ihrer Freizeit demonstrierten, sind natürlich leichter zur aktiven Teilnahme an einem Streik zu verführen, als Beschäftigte, die immer nur auf die Segnungen von oben warten.

Wir in Württemberg haben das Glück, dass wir den TVöD mit einigen diakonischen Besonderheiten direkt anwenden und deshalb im März 2012 auch zum Partizipationsstreik aufgerufen worden sind.

Unsere Einrichtung nahm an beiden Warnstreiktagen teil, am zweiten Tag mit ungefähr doppelt so vielen Streikenden, weil die "Aktivierten" sehr bunt und schillernd von ihren individuellen Erlebnissen berichteten.

Das Thema "Streiken" hat dadurch eine eigene Dynamik in unserer Einrichtung entwickelt. Häufig grinst man sich verschwörerisch an und zwinkerte sich vielsagend zu.

Belegschaft enger zusammen gewachsen

In der Tat ist unsere Belegschaft in diesen Tagen enger zusammen gewachsen. Dadurch, dass die Leitung von Repressalien absah und stattdessen mit ver.di eine Notdienstvereinbarung abschloss(!), stieg meiner Meinung nach auch die Identifikation mit der Einrichtung.

Allerdings haben Streiks und Kundgebungen in unserer Einrichtung eine lange Geschichte und schöne Tradition. Schon 2007 unterstützten die Beschäftigten die AGMAV Württemberg bei der Forderung nach 1:1 Übernahme des TVöD - ver.di hatte zum Warnstreik aufgerufen. 2008 unterstützen Kolleginnen und Kollegen der Einrichtung die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, als diese darauf aufmerksam machten: "Soziale Arbeit ist mehr wert!". Den erkämpften Tarifvertrag für den Sozial- und Erziehungsdienst enthält man uns in der Diakonie allerdings noch vor!

2010 gab es dann in Herrenberg eine Kundgebung mit dem Titel "Arbeite in der Diakonie - bettle um mehr Lohn". Einige hundert Meter entfernt feierten die Spitzen der Diakonie sich selbst und ihren sogenannten dritten Weg. 2011 machten sich 500 Beschäftigte aus Württemberg auf den Weg nach Magdeburg und demonstrierten vor der Synode, dass sie künftig "Lieber Streiken als betteln" wollten.

Die Teilnahme am Warnstreik des öffentlichen Dienstes war deshalb nur eine konsequente Folge. Die diakonischen Beschäftigten konnten viel von den Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes in Gesprächen lernen - über Aktionen zum Thema "Mein frei gehört mir!" beispielsweise. Der diakonische Blick auf die Arbeitswelt könnte umgekehrt allerdings auch die Gewerkschaft befruchten. So waren viele Kolleginnen und Kollegen aus Diakonie und Kirche beispielsweise enttäuscht, dass die soziale Komponente (Sockelbetrag von 200 Euro für alle.) nicht verhandelt werden konnte.

Streik wirbt für sich selber! Eine entscheidende Frage in der Diakonie wird aber stets sein: "Wer betreut die uns Anvertrauten, wenn wir für unsere Rechte, Tariferhöhungen, Gesundheitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen?

Martin Auerbach, GMAV Vorsitzender Stiftung Jugendhilfe AKTIV, Esslingen am Neckar