Zum Hauptinhalt springen
betrieb & gewerkschaft

"Streiken macht selbstbewusst"

Interview mit Fanny Zeise

Weitestgehend unbemerkt gab es in den letzten Jahren viele Streiks mit jungen, selbstbewussten Aktiven. So traten beim Streik in der Gebäudereinigung 2009 erstmals die Reinigungskräfte mit ihren Forderungen an die Öffentlichkeit.

Zu langen Konflikten und engagierten Streiks kam es auch im Einzelhandel, bei den ErzieherInnen und an der Charité in Berlin. In vielen Bereichen sind die Streiks weiblicher geworden und oft spielen Migrantinnen und Migranten darin eine aktive Rolle.

Romin Khan sprach mit Fanny Zeise über die Frage, wie eine aktivierende und demokratische Streikkultur zur Erneuerung der Gewerkschaften beitragen kann.

Im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen heißt es meistens, dass der Streik das letzte Mittel ist, um die eigenen Forderungen durchzusetzen. Warum kommt dem Streiken eine wichtige Bedeutung für die Erneuerung der Gewerkschaften zu und sollte mehr als eine Drohgebärde sein?

Die Zeiten in denen der Streik als "das Schwert an der Wand" hing, sind definitiv vorbei. Streiks sind zentral, um sich durchzusetzen. Wenn Arbeitgeber uns den Kampf erklären wie jetzt mit der Aufkündigung der Tarifverträge im Einzelhandel, sind sie der Beginn eines Konflikts und nicht das letzte Mittel. Außerdem durchbricht jeder Streik die Herrschaftsordnung im Betrieb. Streikende nehmen ihr Schicksal in die eigene Hand. Das macht selbstbewusst. Daher sollten wir öfter streiken.

Bei der Konferenz werden auch Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen davon berichten, was sie den Versuchen entgegensetzen, ihre Streiks durch den Einsatz von Streikbrechern zu unterlaufen. Welche konkreten Erfahrungen wollt ihr hier zusammentragen?

Der kommende Großkonflikt im Einzelhandel wird auf der Konferenz eine wichtige Rolle spielen. Angesichts der Aggressivität der Arbeitgeber und der Unsicherheit der Beschäftigten ist es wichtig, effektive Gegenstrategien zu entwickeln. Bei der Konferenz werden KollegInnen berichten, wie sie im letzten großen Einzelhandelsstreik gezielt öffentlichen Druck aufgebaut haben. Auf der großen Einkaufsstraße in Stuttgart - auf der sonst Demonstrationsverbot herrscht - wurden während des Streiks immer wieder Kundgebungen abgehalten. Wichtig war auch die Streiktaktik, die die KollegInnen in Stuttgart entwickelt haben. Sie haben einfach während der Arbeit zu einem verabredeten Zeitpunkt den Streik verkündet und sich vor die Filiale gestellt. So spontan konnten keine Leiharbeiter mehr eingesetzt werden, um den Streik zu brechen.

Leider wird zu wenig über Streiks und Streiktaktiken geredet. Unsere Konferenz soll da ein Forum bieten für den Austausch von Streikerfahrungen - auch in anderen Bereichen mit vielen prekär Beschäftigten wie die Gebäudereinigung, Call Center oder der Tourismusbereich.

Ein wichtiges Thema der Konferenz ist das Verhältnis zwischen ökonomischen und politischen Streiks. Welche Ansätze finden sich bei den zurückliegenden Streiks, bei denen über die betriebliche Ebene hinaus Einfluss auf die politischen Verhältnisse genommen wurde?

Streiks im sozialen Bereich sind dafür ein gutes Beispiel. Die Erzieherinnen und Erzieher haben beispielsweise für eine Aufwertung ihrer Arbeit gekämpft und damit für eine bessere Betreuung der Kinder - an vielen Orten im Bündnis mit betroffenen Eltern.

An der Berliner Charité machen sich die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus für eine bessere Pflege stark. Sie fordern eine Mindestbesetzung und greifen damit das System der neoliberalen Krankenhausfinanzierung frontal an, das auf kontinuierliche Personaleinsparungen setzt. Ein Streik für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ist ein Streik für eine bessere Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.

Zuletzt: Wie geht's weiter und wie werden die Diskussionen und Ergebnisse der Konferenz weitergetragen?

Ich denke die Ergebnisse der Konferenz werden in Betrieben, Gewerkschaftsgliederungen und auch online weiter diskutiert. Wir wollen einige Beiträge der Konferenz in einem Sammelband zusammenfassen und auf regionalen Veranstaltungen vorstellen.

Das Interview wurde von Romin Khan für das verdi-interne Mitgliedernetz durchgeführt und zur Veröffentlichung in unserer Zeitung freigegeben.

Fanny Zeise ist Referentin für Arbeit, Produktion, Gewerkschaften bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.