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Hannoverscher Parteitag

Reden und Grussworte

Hannoverscher Parteitag Rede der Parteivorsitzenden Katja Kipping
Hannoverscher Parteitag

Für eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt!

Rede von Katja Kipping, Vorsitzende der Partei DIE LINKE

Liebe Genossinnen und Genossen, verehrte Gäste, Großbritannien hat gestern gewählt. Zu Beginn des Wahlkampfes lag Jeremy Corbyn, der linke Labour-Vorsitzende, 20 Prozent zurück. Am Ende gab es ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen. Corbyn hat eine grandiose Aufholjagd hingelegt und das ist, finde ich, ein ermutigendes Signal gegen den Rechtsruck in Europa. Denn Corbyn hat bewiesen, mit einem modernen Wahlkampf, mit Haustürbesuchen und mit einem sozialen Programm, das unserem sehr nahe kommt, kann man punkten und aufholen – und das macht uns Mut. Nun hat die deutsche Sozialdemokratie leider keinen Corbyn im Angebot. Wer also hierzulande etwas Ähnliches wählen wollte, kann DIE LINKE wählen.

In 15 Wochen wird gewählt

In 15 Wochen wird in unserem Land gewählt. Und bei dieser Wahl entscheiden wir nicht nur über unser Land – ob es demokratischer, sozialer und friedlicher wird. Wir entscheiden auch über Europa. Denn ich bin mir ganz sicher: Eine soziale Wende in Europa wird es nur geben, wenn wir hierzulande einen Kurswechsel schaffen. Und damit es hierzulande und in Europa einen neuen Anfang geben kann, braucht es eine starke LINKE. Das meint nun ausdrücklich nicht, dass wir einen alten, klassischen Regierungswahlkampf planen. Das heißt nun auch nicht, dass wir einen Lagerwahlkampf der alten Art planen, wo sich mögliche Koalitionspartner schon vorher zueinander bekennen, wie Verlobte vor der Hochzeit. Es heißt aber auch, dass wir uns nicht von uns aus auf die Oppositionsrolle beschränken sollten. Machen wir uns nicht kleiner als wir sind, liebe Genossinnen und Genossen. Denn es geht um mehr. Es geht darum, Mut zu machen, dass sich hierzulande und in Europa etwas Grundlegendes ändern kann. Es geht auch darum, Lust auf eine bessere Gesellschaft zu wecken. Und es geht darum, der gesellschaftlichen Fantasie Futter zu geben, wohin die Reise in diesem Land auch gehen könnte. Und ich schlage Euch deswegen vor, nutzen wie die nächsten Tage auch, um Lust auf Veränderung zu verbreiten. Zeigen wir, dass wir die Kraft der Veränderung sind.

Bilanz Merkel: Armut und Enteignung

Dass es nicht so weitergehen kann wie bisher, das zeigt doch allein die Bilanz der Regierung Merkel. Seit 2005 führt Angela Merkel diese Regierung. Und zu ihrer Bilanz gehört, dass die Armutszahlen kontinuierlich gestiegen sind. Die Zahl der Menschen, die dauerhaft in Armut lebt, hat sich sogar in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Und die Regierung Merkel hat nichts dagegen unternommen. Zur Bilanz der Regierung Merkel gehört, dass die öffentliche Infrastruktur auf Verschleiß gefahren wird. Bei Wolfgang Schäuble heißt das dann Sparkurs. Doch das, was die große Koalition einen Sparkurs nennt, das ist doch in Wahrheit ein Programm der Enteignung. Enteignet werden all jene, die hier arbeiten und hier leben. Sie werden enteignet, weil die Regierung ihnen das vorenthält, was ihnen eigentlich zusteht. Wer die Löhne drückt, der enthält den Beschäftigten den Lohn vor, der ihnen zusteht. Wer die Millionäre und die Konzerne nicht stärker zur Kasse bittet, der betrügt die Menschen, die hier leben. Er betrügt sie um sichere Gemeinden, um einen guten Nahverkehr und um gute Schulen. Die Regierung Merkel hat dieses Land zu einem Land der Millionäre und der Millionen in Armut gemacht. Und wir, wir wollen das ändern.

Bilanz Merkel: Gefahr für Zusammenhalt der EU

Die Regierung Merkel hat auch in Europa großen Schaden angerichtet. Seit dem Jahr 2005 erzielte Deutschland einen Handelsüberschuss von 2,2 Billionen Euro; und davon einen guten Teil in der Eurozone. Das heißt, wir haben Waren im Umfang von 2,2 Billionen Euro mehr verkauft, als wir von anderen Ländern eingekauft haben. Nun ist es ist gut, dass „Made in Germany“ gern gekauft wird. Aber es ist schlecht, wen wir es mit Lohnzurückhaltung hierzulande erkaufen und wenn es mit einem beispiellosen öffentlichen Investitionsstau verbunden ist. Auf Dauer kann es einfach keine gute Nachbarschaft mit Ländern geben, wenn es solch ein wirtschaftliches Ungleichgewicht gibt. Es ist dieses Modell von Merkel und Schäuble, das Europa kaputt gemacht hat. Und wie verbohrt Wolfgang Schäuble handelt, wird doch deutlich an dem Streit mit dem Internationalen Währungsfonds um Griechenland. Das, was Schäuble da fordert, das geht selbst dem neoliberalen IWF zu weit. Das zeigt doch eindeutig: Schäuble ist ein fiskalpolitischer Sprengsatz für Europa. Er gefährdet den Zusammenhalt in Europa. Und diese Europapolitik, die darf nicht so weitergehen. Wir leisten Widerstand dagegen.

Bilanz Merkel: AFD-naher Seehofer

Wenn wir über die Bundesregierung reden, dann müssen wir auch darüber reden, dass einige Positionen der AfD längst im Koalitionsausschuss mit vertreten werden. Ich sage nur einen Namen: Horst Seehofer. Und das ist das Problem, auch an Angela Merkel. Angela Merkel gibt es nur im Dreierpakt. Wer Angela Merkel wählt, wählt auch automatisch Wolfgang Schäuble und Horst Seehofer. Und dieses Trio, das gehört abgewählt! An die Adresse der Grünen, sage ich deshalb auch: Wer mit Angela Merkel regieren will, der wacht mit Horst Seehofer im Koalitionsausschuss auf. Das muss man wissen, wenn man allein auf die Macht schielt. Und da wir das hier total streng mit der Zeit haben, müsst ihr einen Schritt zur Seite gehen, damit ich auf die Uhr schauen kann, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Presse. Ich krieg sonst großen Ärger mit meinem Landesverband. Also. Und weil wir gerade dabei sind: Wenn ich Christian Lindner so reden höre von seinem Deutschland, den Ausländern und der Abschiebung, dann denke ich manchmal okay, der Mann hat bessere Manieren als Gauland von der AfD, aber sein Deutschland ist auch ein Land der Ausgrenzung. 

Dieses Land/ Wir sind viele - gegen Ausgrenzung

Wir hingegen stehen ganz klar gegen Ausgrenzung: Wir wollen ein Land für alle, die hier leben. Wir kämpfen für eine soziale Einwanderungsgesellschaft und wir kämpfen dafür, dass die Flüchtenden an den Außengrenzen nicht verhungern, dass sie nicht um’s Leben kommen. Wir helfen ihnen. Und auch darum geht es im September bei den Bundestagswahlen! Dieses Land, dieses Wir, auf das sich die Rechten so gern beziehen – das sind nicht die Zusammenrottungen von PEGIDA und der AfD. Dieses Land, das sind alle, die hier leben. Wir sind Christen und Muslime, Jüdinnen und Konfessionslose. Wir lieben, wen wir wollen und wie wir das  zusammen wollen! Und wir fragen nicht nach nationalen Stammbäumen. Und Wir – das sind auch die jungen Berufsschülerinnen aus Nürnberg, die sich für ihren Mitschüler einsetzten, als dieser abgeschoben werden sollte. Und es ist so beschämend, wie sie dafür angegriffen wurden. Und unsere Botschaft lautet ganz klar: Gleiche Rechte für alle! Schluss mit Diskriminierung. Schluss mit Ausgrenzung!

Im Gespräch mit den Menschen

Liebe Genossinnen, liebe Genossen, wir wissen um die Alltagssorgen hierzulande. Während andere bevorzugt Lobbyisten treffen, suchen wir immer wieder das Gespräch mit den Menschen. Und es war Bernd und mir auch immer ein ganz persönliches Anliegen, unsere Grundsätze dem Praxistest unterziehen. Nicht nur von der Bühne herab, sondern auch dort, wo es erst mal nur heißt zuzuhören: vor Jobcentern, bei Haustürgesprächen, in Wohnzimmern, vor Einkaufscentern. Und ich kam dabei in Häuser, wo einem schon im Hausflur die Perspektivlosigkeit anspringt. Ich traf dabei großartige Menschen und hörte berührende Geschichten.

Jeden Morgen um fünf raus und das mit schmerzenden Knien

Und bei einem dieser Besuche, kam ich in Dresden mit einer 63jährigen Frau ins Gespräch, die mir Folgendes sagte: „An den Arbeitstagen muss ich früh um fünf Uhr raus aus dem Haus – und das mit schmerzenden Knien. Ich habe meine Arbeit als Pflegerin gern gemacht. Und nun mit 63, bei meinen Knieproblemen, habe ich eine tiefe Sehnsucht, mein Arbeitsleben zu beenden und meine Rente zu genießen.“ Als ich bei ihnen klingelte, saßen sie gerade mit einem Taschenrechner und Aktenordnern in ihrem Wohnzimmer und rechneten aus, ob diese Frau es sich leisten kann, eher in Rente zu gehen. Und sie waren gerade zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht geht. Sie hatte zwar viel gearbeitet, aber immer zu einem niedrigen Lohn. Es reichte einfach nicht, um eher aufzuhören. Und als ich wieder vor der Tür war, dann musste ich an all das Gerede von den Politikern denken, die uns jedes Jahr ein späteres Jahr Renteneintritt verkaufen wollen. Und ich musste an all diese Lobbyisten denken, die von Alterspyramiden reden, wenn sie doch in Wahrheit nur ihre privaten Rentenfonds im Blick haben. Und ich muss euch sagen, ich kann diesen Gequatsche nicht mehr hören. Ich würde all diese Leute, gerne in das Wohnzimmer der Frau schleifen, dass sie dort einfach nur mal zuhören, was ihre Politik anrichtet.

In wessen Interesse?

Dieses Gespräch hat mir wieder einmal deutlich vor Augen geführt, wie entscheidend es ist, in wessen Interesse wir Politik machen. Es ist eben ein Unterschied, ob du in der Rentenpolitik zuerst die Interessen der Rentnerinnen und Rentner – auch der zukünftigen – im Blick hast. Oder ob es eher darum geht, dass Rentenfonds mehr Umsatz machen. Bei uns stehen die Interessen der Mittelschicht und der Ärmeren im Mittelpunkt. Da können sich alle bei uns drauf verlassen. Denn wir sind die Gerechtigkeitspartei. Und wir jagen dabei nicht jedem Trend, jeder vermeintlichen „Stimmung“ hinterher. Nein, wir sind da einfach schlicht weg verlässlich. Die feste Burg der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens in diesem Lande. Und genau deshalb ist es auch so wichtig, dass wir einen engagierten Wahlkampf hinlegen und aus den Wahlen gestärkt hervorgehen. Und ich finde, dafür sind wir gut aufgestellt. Auch personell. Wir ziehen mit unseren Spitzenkandidaten Dietmar und Sahra in den Wahlkampf. Wir als Vorsitzende stehen hinter euch. So wie die gesamte Partei mit uns zusammen in diesen großartigen Wahlkampf ziehen wird.  

Mittelschichten besserstellen und alle vor Armut schützen

Wir haben auch tolle inhaltliche Angebote. Mit unserem Rentenkonzept, der solidarischen Gesundheitsversicherung, und unserem Steuermodell wollen wir die Mittelschicht deutlich besser stellen. Was das konkret heißt, will ich nur an zwei Beispielen verdeutlichen. Eine Facharbeiterin mit 3.400 Euro brutto, behält bei uns rund 200 Euro mehr auf dem Konto. Unser Rentenkonzept sieht zudem eine Aufwertung von niedrigen Löhnen vor. Das heißt, eine Verkäuferin hat bei uns eine Rente, die um 270 Euro höher ausfällt. Keine andere Partei hat so konkrete und so seriös durchgerechnete Vorschläge wie wir. Wir sind die Partei, die die Mittelschicht wirklich besser stellen will. Aber wir verbinden dies mit dem klaren Ziel, das garantiert niemand in diesem Land in Armut fallen darf. Keiner soll unter 1.050 Euro fallen im Bedarfsfall. Dafür stehen die solidarische Mindestrente und die sanktionsfreie Mindestsicherung. Ich finde, das ist eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt! Sorgen wir nun dafür, dass sich das rumspricht! Sagt das allen, mit denen ihr in den nächsten 15 Wochen ins Gespräch kommt:  DIE LINKE kämpft dafür, dass dein Leben besser wird! Egal, ob du eine gute Arbeit hast oder einen miesen Job machen musst. Egal, ob du aufgegeben hast, eine Stelle zu finden oder bereits in Rente bist: DIE LINKE sorgt dafür, dass das Land gerechter wird und du profitierst davon, denn du verdienst mehr. Und wenn viele mehr bekommen, dann nehmen auch der Neid, die Angst und der Stress ab. Und dann haben die rechten Hetzer weniger Futter und dann wird das Leben für alle besser. Also werben wir ab sofort mit Freude, mit Zuversicht um jede Stimme. Denn: Je stärker die LINKE, desto sozialer das Land!

Millionärssteuer als Gerechtigkeitssteuer

Natürlich kriegen mit uns nicht alle mehr. Es gibt welche, die haben so viel, dass sie es gar nicht ausgeben können. Zum Beispiel Susanne Klatten, die quasi allein für ein Aktienpaket im Jahr, zusätzlich eine Milliarde Euro bekommt. Die wird bei uns nicht entlastet. Da muss sie durch.

Gerechtigkeitswende nur mit Sanktionsfreiheit

Wer meint, Hartz-IV sei allein ein Problem der Abgehängten, der irrt. Denn wer Angst hat, der sagt bei der nächsten Lohnkürzung nicht nein. Wer Angst hat, der ist weniger bereit zu teilen. Und das wirkt sich auf alle aus. Deswegen fällt der lange Schatten von Hartz IV bereits jetzt auf die ganze Gesellschaft. Und wer nun meint, die sanktionsfreie Mindestsicherung, das sei nur was für die Hartz-IV-Betroffenen, auch der irrt. Soziale Garantien nützen auch denjenigen, die jetzt noch eine gute Arbeit haben. Womöglich steht nur eine betriebsbedingte Kündigung oder bei Selbstständigen eine schwere Krankheit zwischen dem jetzt und dem freien Fall in ein System der Schikane. Und das, von dem man dachte, das betreffe nur die anderen, dieses Hartz IV, das betrifft einen auf einmal persönlich. Und deswegen sage ich in aller Deutlichkeit: Eine Gerechtigkeitswende ist für mich nur vorstellbar mit Sanktionsfreiheit, mit der Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen. Ein Politikwechsel ist für mich nur vorstellbar, wenn wir die Situation der Millionen Hartz-IV-Betroffenen in diesem Land deutlich verbessern. Wer die Mitte besser stellen will. Wer alle vor Armut und vor Hartz-IV-Sanktionen schützen will, der findet in uns einen verlässlichen Bündnispartner.

Familienpolitik heißt Zeit gewinnen

Ich finde, wir sollten den Wahlkampf auch nutzen, um über Familienfreundlichkeit zu sprechen. Wirkliche Familienfreundlichkeit erfordert eine ganz andere Verteilung der Tätigkeiten, auch zwischen den Geschlechtern, und eine andere Zeitpolitik. Frauen leisten heute im Durchschnitt immer noch doppelt so viel unbezahlte Arbeit in Pflege und der Erziehung. Konservative wenden nun gerne ein, na das ist halt die Wahlfreiheit, die Leute wollen das so. Wir wissen aber dank verschiedener Studien, dass die Wünsche der Menschen inzwischen in eine ganz andere Richtung gehen. Viele Frauen wollen aktive Elternschaft und beruflichen Erfolg ganz selbstverständlich verbinden. Viele Väter wünschen sich aus tiefstem Herzen mehr Zeit für die Familie. Ja, das Modell des Alleinernährers, der höchstens mal spät abends, wenn alles schon schläft, im Kinderzimmer vorbeischaut, ist ein Auslaufmodell – auch in den Herzen der Menschen. Und gerade diesen Lebensabschnitt, wenn die Kinder klein sind, den sollten beide Eltern zusammen genießen können. Mit möglichst viel Zeit. Und als Mutter weiß ich, diese Zeit vergeht schließlich viel zu schnell und sie kommt nicht wieder zurück. Meine kleine Tochter führt mir immer wieder vor Augen, wie schnell die Kleinen größer werden. Gerade freuten wir uns noch über ihre ersten Worte und inzwischen, sozusagen, ist sie groß genug, sich wortreich zu beschweren, wenn ich sie meine Kleine nenne. Eine Arbeitswelt, die nun die Menschen zwingt, diesen Lebensabschnitt auf der ständigen Überholspur zu absolvieren, der versündigt sich an den Familien. Und auch deshalb kämpfen wir mit aller Energie für Arbeitszeitverkürzung. Die Arbeitswoche der Zukunft muss um die 30 Stunden kreisen. Alle arbeiten weniger im Job, dafür gibt es Erwerbsarbeit für alle, die wollen, plus mehr Zeit für Familie, für Freunde, für politisches Engagement und ja auch für Muße. Und ich finde, in Zeiten der digitalen Verfügbarkeit, da brauchen wir auch das Recht auf einen echten Feierabend und Feiertage ohne E-Mails. Eine moderne familienfreundliche Politik kämpft deshalb auch für das Recht auf Nichterreichbarkeit und auf gelegentliche selbstgewählte digitale Stille.

Glühende Europäerin

Liebe Genossinnen und Genossen, wie Ihr wisst, bin ich eine glühende Europäerin. Und als glühende Europäerin finde ich zwei Dinge unerträglich: den aufkeimenden Nationalismus und den aktuellen Kurs der EU. Die jetzige EU steht für mehr Abschottung, Sozialabbau und mehr Austerität. Das ist nicht pro-europäisch, das ist unsozial und anti-europäisch. Jeder Demonstrant in Athen, jede Flüchtlingshelferin im Mittelmeer, leistet mehr für die Rettung der europäischen Idee, als dass Schäuble und Juncker jemals tun werden. Das ist die Wahrheit, die ich immer verteidigen werde! Auf die Krise der EU nun mit einem Rückzug ins Nationale zu reagieren, wäre die schlechteste Antwort überhaupt. Was bitteschön, hätten wir denn gewonnen, wenn die EU auseinanderfällt? Alle Aufgaben müssten dann wieder zwischen den Regierungen der einzelnen Länder bearbeitet werden. Ja glaube doch keiner, dass das Ergebnis dann transparenter, friedlicher oder sozialer wäre!

Für ein Europa, das begeistert

Deshalb sage ich: lasst uns nicht nur bei Europa über das reden, was uns aufregt, sondern lasst uns über eine linke Idee von Europa reden, über ein Europa, das begeistert. Das wäre meiner Meinung nach

  • Ein Europa, das alle vor Armut schützt. Z.B. mit einer Mindestsicherung, die sich jeweils an den regionalen Armutsgrenzen orientiert. Solch eine soziale Garantie wäre der materielle Ausdruck einer sozialen Unionsbürgerschaft.
  • Ein Europa, das wirtschaftspolitisch nicht auf Handelsüberschüsse, sondern auf Ausgleich setzt.
  • Ein Europa, das sich in den Dienst des Klimaschutzes stellt.
  • Ein Europa, das die Fluchtfrage solidarisch bearbeitet, z.B. mittels einer Fluchtumlage, mit der besonders die Länder finanziell unterstützt werden, die mehr Geflüchtete aufnehmen.
  • Ein Europa, das auf Abrüstung und Entspannungspolitik setzt.

Liebe Genossinnen und Genossen, lasst uns für dieses Europa mit heißem Herzen kämpfen. Wir wissen doch, wozu Kriege in Europa einstmals geführt haben. Eine linke Idee von Europa ist nicht nur eine Mahnung aus der Vergangenheit. Nein, das ist auch ein Auftrag für die Zukunft. Wenn es Hoffnung für diesen Kontinent gibt, dann liegt sie weder bei den Rechten noch bei den Neoliberalen. Die Hoffnung ist links. Sie liegt bei uns. 

Unser verlässlicher Friedens-Kurs als Chance

Uns wird vorgeworfen, unsere außenpolitischen Leitlinien seien unzumutbar für SPD und Grüne. Ich meine, eine verlässliche Friedenspolitik wäre für SPD und Grüne doch auch eine Chance. Seit über 16 Jahren haben wir jetzt den Krieg gegen den Terror. Die Zahl der Terroristen ist nicht kleiner geworden. Im Gegenteil, der Terror hat sich globalisiert. Und angesichts dieser Bilanz frage ich ganz ernsthaft: Wäre es nicht an der Zeit, einen anderen Weg auszuprobieren?

Einen Weg ohne Kriegseinsätze. Einen Weg ohne Rüstungsexporte

Uns wird unterstellt, wir würden alle internationalen Vereinbarungen über den Haufen werfen wollen. Das ist eine Lüge. Denn:

  • Wir wollen das Nicht-Angriffsgebot des Völkerrechts umfassend stärken.
  • Wir wollen die multilateralen Abkommen zur Abrüstung und zur Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit stärken.
  • Wir machen uns für die internationalen Vereinbarungen zum Klimaschutz und zur Entwicklungszusammenarbeit stark. 

Wir sind die Partei des Völkerrechts. Wir verteidigen das Völkerrecht gegen seine Verächter in der Regierung und in der Rüstungslobby!

Europa als Friedensmacht oder als Weltpolizist?

Angela Merkel sagt nun, Europa müsse nun stärker zusammenrücken wegen Trump. Das hört sich erstmal gut an. Aber man muss genau hinschauen. Sie meint nämlich mehr militärische Zusammenarbeit. Sie will also, dass Deutschland auch so eine Art Weltpolizist wird, der als Militärmacht überall eingreift, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Und ich sage dazu: Das Modell Weltpolizist hat ausgedient. Es ist gescheitert, noch bevor Donald Trump gewählt wurde. Und deshalb frage ich nun SPD und Grüne: wollt Ihr wirklich zusammen mit der CDU die EU zu einer Militärmacht ausbauen oder wollt ihr mit uns zusammen die EU zu einer Friedensmacht umbauen? Ich frage SPD und Grüne: Wollt Ihr wirklich, dass Europa, das Modell Weltpolizist kopiert? Oder wollt Ihr nicht lieber Euch mit uns gemeinsam dafür stark machen, dass Europa im Geiste des Mulitlateralismus auftritt als ausgleichende Kraft für den Frieden? Womöglich ist diese Entscheidung für sie unbequem. Aber erst unser verlässlicher Kurs macht es möglich, dass überhaupt eine Wahl besteht.

Eine Linke auf Höhe der Zeit/ Digitalisierung als Chance

Liebe Genossinnen und Genossen, in einer Woche feiern wir, DIE LINKE, unseren 10. Geburtstag. Das ist ein schöner Anlass, um zu Feiern. Auch, weil seit Jahresbeginn schon 3.000 neue Mitglieder eingetreten sind. Wir werden also wieder mehr. 10 Jahre DIE LINKE, das ist aber auch Anlass, um uns zu fragen, wo soll es hingehen. Wie Bernd und ich schon in unserem Zukunftsmanifest geschrieben haben, wir sollten deutlich machen: Wir sind eine Linke auf der Höhe der Zeit. Wir sind Sozialistinnen und Sozialisten, die um eine andere Zukunft kämpfen. Und ich meine, eine Linke auf der Höhe der Zeit, die stellt sich dem Thema Digitalisierung offensiv von links. Ja, in der Arbeitswelt stehen Umwälzungen an und diese rufen nach sozialen Garantien, nach Arbeitszeitverkürzung und anderen Eigentumsformen. Wissen ist schließlich ein Gut, das nicht knapper wird, wenn man es teilt. Im Gegenteil. Und so gesehen ist Digitalisierung auch eine große Chance – gerade für Linke. Letztlich geht es darum, die Kreativität der Vielen aus der Zwangsjacke der kapitalistischen Produktionsweise zu befreien. Alle, die an diesen Zukunftsthemen mit uns weiterarbeiten wollen, sind herzlich eingeladen. 

Wir legen uns mit mächtigen Gegnern an

Liebe Genossinnen und Genossen, in 15 Wochen wird gewählt. Und wir haben viel vor: Wir wollen nicht nur die Rechten schlagen und sie hinter uns lassen. Wir wollen nicht nur wieder die drittstärkste Partei im Bundestag werden. Nein, wir wollen darüber hinaus das Land und Europa verändern. Und weil wir das ernst meinen, legen wir uns mit mächtigen Gegnern an. Machen wir uns nichts vor. 

  • Wer bezahlbares Wohnen möchte, der muss den Mietspekulanten eine Grenze setzen.
  • Wer eine solidarische Gesundheitsversicherung möchte, der legt sich automatisch mit den privaten Krankenkassen an.
  • Wer möchte, dass diese Welt friedlicher wird, der hat die Rüstungslobby zum Gegner.

Und wer wirklich soziale Sicherheit für alle will, der muss sich mit den Mächtigen anlegen. Anders geht es nicht. Sonst tuckert die Fregatte Merkel weiter auf ihrem Kurs, ob nun mit Martin Schulz als neuem Offizier, oder mit Christian Lindner als Schiffsjunge an Bord. Wir, wir wollen da nicht einfach die Mannschaft austauschen, wir wollen den Kurs ändern. Und das ist so notwendig. Gerade wenn wir bewahren wollen, was gut ist, dann darf es kein Weiter so geben.

Eine Partei, die kämpft und auf die Verlass ist

Liebe Genossinnen und Genossen, gerade, wenn alles offen ist und nichts mehr sicher scheint, dann braucht es eine Partei, die verlässlich kämpft. Und wir kämpfen mit aller Energie dafür, dass die Mittelschicht besser dran ist und kein Mensch, kein Kind hierzulande in Armut leben muss. Gerade in Zeiten wie diesen, braucht es eine Partei, auf die Verlass ist. Wir streiten verlässlich für Frieden - den großen Frieden wie den einfachen Frieden, um den es bekanntlich seit tausenden von Jahren ein beschwerlich‘ Ding ist. Und eins können wir allen sagen: Auf unser Nein zum Krieg ist Verlass.

Liebe Genossinnen und Genossen, es liegen aufregende 15 Wochen Wahlkampf vor uns. Nutzen wir sie! Nutzen wir sie für ein Wahlergebnis, das uns Rückenwind gibt. Nutzen wir es für ein Wahlergebnis, das uns Rückenwind gibt, die Regeln zu ändern. Die Regeln, nach denen die Vielen meist verlieren und nur wenige gewinnen.

Nutzen wir die kommenden Wochen, um Lust zu machen auf eine andere, eine bessere Gesellschaft!

Für eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt!

Vielen Dank!