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Erklärungen und Stellungnahmen des Ältestenrates

Der Frieden in Europa ist aufs äußerste gefährdet

Die USA und NATO sind gegenwärtig dabei, Europa unter Einbindung mittel- und osteuropäischer Staaten zur Startrampe eines Präventivschlages, der auch atomare Optionen einschließt, gegen Russland zu machen. Dafür werden die fadenscheinigsten Begründungen und vor allem eine hysterische Russenfeindlichkeit geschürt, Begriffe wie Freiheit, Demokratie, Menschenrechte missbraucht. Bei der Beurteilung von Weltereignissen, der Politik von Staaten geht es kaum, wie oft fälschlich behauptet wird, um Demokratie und Menschenrechte, sondern um Interessen, also auch bei den USA und ihren Verbündeten um deren geostrategische Interessen in einer veränderten Weltlage. Und diese haben sich in den vergangenen 25 Jahren nicht wesentlich verändert, sondern sind eher barbarischer geworden.

Die gegenwärtige bedrohliche Lage, die Ereignisse in und um die Ukraine und Griechenland, die Vielzahl von Konflikten im Grunde auf allen Kontinenten machen deutlich: Um den objektiven Erfordernissen der Zeit gerecht zu werden, ist es für jede linke Partei mit klarem Profil entscheidend, sich eine realistische Sicht auf die Weltlage, ihre Hauptakteure und deren Einfluss auf die Situation im jeweiligen Land zu erarbeiten. Diesem Erfordernis bemühte sich der Ältestenrat im Rahmen seiner Möglichkeiten mit seinen Beiträgen zu innen -und außenpolitischen Fragen, Rechnung zu tragen.

Erinnern wir uns nur an einige einschneidende Ereignisse, die der heutigen Situation vorangegangen sind. Ohne im Einzelnen auf die Fehler, Unzulänglichkeiten und ungenutzte Chancen in den Verhandlungen und im von der BRD, der DDR und den vier Großmächten unterzeichneten 2-plus-4-Vertrag hier eingehen zu können, enthält er dennoch auch heute noch wichtige zu beachtende Bestimmungen.Dazu gehören unter anderem die endgültige Bestimmung der Grenzen Deutschlands, der Verzicht auf Kriegsführung vom deutschen Boden, Verzicht auf Massenvernichtungswaffen(vgl. Artikel 6,2,3) u.a. Es handelt sich somit um Festlegungen, die keinen Raum für Geschichtsfälschung, Revanchismus, Hochrüstung und Kriegsführung bieten. Mehr noch. Mit diesem Vertrag, so die offizielle Lesart, sei die Souveränität uneingeschränkt wiederhergestellt worden. Die Tatsachen sprechen dagegen. Und nicht nur die BND- und USA—Abhör-Affäre bezeugen dies. Vielmehr ist die deutsche Außenpolitik nicht souverän und selbstbestimmt. Selbst ein Mitglied der Stern-Chefredaktion schreibt in der Nr.21/2015: "Deutschland wurde und wird noch immer behandelt wie der Flugzeugträger Amerikas in Europa—ein Relikt des Kalten Krieges".

Aufschlussreich für die gegenwärtige Bewertung der Lage sind auch folgende Ereignisse: Der Warschauer Vertrag wurde aufgelöst, der NATO-Pakt blieb, baute seine Positionen und Ziele gen Osten aus und spann einen aggressiven Gürtel um Russland. Die sowjetischen Streitkräfte verließen deutschen Boden, die amerikanischen Truppen blieben samt ihrer Atomwaffen in Deutschland. Der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe der ehemals sozialistischen Staaten wurde aufgelöst. Die eilige EU-Erweiterung und deren wirtschaftliche Absicherung wurden zum Beginn der NATO-Osterweiterung.

Auch die einseitigen Zugeständnisse und Abrüstungsschritte Russlands brachten die USA und ihre Verbündeten weder zum strategischen Umdenken noch zur Vernunft.

Die noch in der Pariser Charta vom November 1990 verkündete Idee für ein neues Europa wurde ad acta gelegt. Die USA und mit ihnen auch die BRD blieben in ihrer Außenpolitik ihrer Tradition treu, Verträge und Vereinbarungen nicht einzuhalten. Und schon gar nicht zu reden von den ausbleibenden Abrüstungsmaßnahmen, an deren Stelle massive Militarisierung und Hochrüstung traten. Noch lange vor den Ereignissen in der Ukraine, die jahrelang von außen gelenkt und gefördert wurden, fasste der NATO-Gipfel in Chikago 2012 den Beschluss zur Aufrüstung entlang der Grenzen Russlands.

Im Februar d. J. unterschrieb Barack Obama die neu redigierte Fassung der nationalen Sicherheitsstrategie der USA, in der auf 30 Seiten Russland als Bezugspunkt potenzieller Feind oder Aggressor sechsmal und keine einzige konstruktive Idee vorkommt.

Kürzlich erklärten die USA, dass sie Panzer und andere schwere Waffen in Europa stationieren. Dafür ist das Territorium der drei baltischen Staaten, Polens, Rumäniens und Bulgariens und vor allem an den Grenzen zu Russland ausersehen. Gebaut und geliefert werden soll ein neuer Bomber vom Typ "Raubtier", der sowohl mit gewöhnlichen als auch mit Kernwaffenbomben bestückt werden kann. Die NATO vervielfachte ihre Aktivitäten im Luftraum gegenüber Russland um das 1240-fache, die Zahl der NATO-Manöver entlang der Grenzen Russlands hat sich in den letzten anderthalb Jahren verdoppelt. Mit fadenscheinigem Bezug auf einen drohenden Angriff Russlands auf baltische oder andere osteuropäische Staaten haben die USA und NATO nicht nur massive Lieferungen schwerer Waffen und die Bildung einer 40.000 Mann starken "schnellen Eingreiftruppe" beschlossen. An den Grenzen Russlands sollen auch neue atomare Mittelstreckenraketen stationiert werden. Geschürt wird als geeignetes Stimmungsinstrument eine hysterische Russenfeindlichkeit. Verbunden werden diese Schritte mit der Planung "vorbeugender Schläge", d.h. präventiver nuklearer Angriffe auf russische Raketenbasen und darüber hinaus auch auf mögliche andere Ziele. Dass Russland all diese, die nationale Sicherheit des Landes gefährdende, provokatorischen Angriffe nicht hinnehmen kann, war abzusehen. Schließlich gehört zur russischen Militärdoktrin auch der mögliche Einsatz taktischer Atomwaffen im Falle der Gefährdung des Schicksals des Landes. Als offensive Verteidigungsmaßnahme gilt auch die für dieses Jahr angekündigte Indienststellung von 40 Interkontinentalraketen, mit denen NATO-Gegenmaßnahmen unmöglich gemacht werden können. Die westliche expansive Politik macht die Lage in Europa immer unsicherer. Selbst kleine Konflikte an der russischen Grenze in Reichweite von Sankt Petersburg oder Moskau, Fehleinschätzungen und Informationen können unbeherrschbar werden. Zum Beispiel bei NATO-Manövern in 300 Meter Entfernung von der russischen Grenze oder bei NATO-Flügen, die in weniger als 10 Minuten Sankt Petersburg erreichen (und dazu noch mit taktischen Atomwaffen ausgerüstet sein können). Allein Belarus, das mit Russland in einem Unionsstaat verbunden und sich ständiger Einmischungsversuche zu erwehren hat, bietet mit ihren Grenzen zur EU, baltischen Staaten, Polen, Ukraine und Russland und den Auswirkungen innerer Probleme und außenpolitischer Positionen ihrer Nachbarn ausreichend Raum für Einmischung und eine weitere Eskalation der Spannungen.

Anstelle der "sowjetischen Gefahr" trat für die westlichen Politiker als Hauptfeind und Rivale "das böse Russland", der eurasische Raum, dessen Stärkung man mit allen Mitteln zu verhindern sucht. Dabei glaubt Washington selbst nicht ernsthaft, dass Russland das wehrlose Europa angreifen will. Keine Aufklärung vermochte eine Konzentration Dutzender Divisionen.an der russischen Westgrenze zu entdecken. Und die heutigen technischen Mittel sind in der Lage, selbst Gefahren, die vom einzelnen Armeeangehörigen ausgehen, aufzuklären.

Die Ursachen für das Vorgehen der USA als Hauptverantwortlicher für die friedensgefährdende Lage ist deren hegemoniale Politik, ihr Streben nach Rohstoffen und Einfluss im ganzen postsowjetischen Raum und zwar unter Einsatz aller Mittel. Sie verbinden dies mit der Disziplinierung ihrer Verbündeten, denen sie zusätzliche finanzielle und andere Forderungen, die teuersten Waffen und Stellvertreterkriege aufzwingen. Sie brauchen eine solche Politik zur Rechtfertigung von Militarisierung und Hochrüstung, zur Lösung eigener Krisenprobleme. Und dabei scheren sich die USA nicht um das Schicksal Europas und die Stärkung der EU oder Deutschlands, sondern nur um ihre Interessen.

Die deutsche Politik sucht ihre gewachsene Verantwortung zu nutzen, um dem Machtstreben des deutschen Kapitals selbst auf Kosten ihrer Souveränität zu dienen. Deshalb tourt die Bundeskanzlerin auch auf dem Balkan, um auch dort mit "Zuckerbrot und Peitsche" für russlandfeindliche " Ordnung" zu sorgen.

Unzweifelhaft ist, dass bei allen Konflikten zwischen den USA und Russland (die USA werden dabei ihre Waffen liefern und andere für sich und gegen deren eigentliche Interessen bluten lassen) Europa, bei Beibehaltung der bisherigen Politik der europäischen EU und NATO-Staaten, Gefahr läuft zu einem verheerenden Kriegsschauplatz zu werden. Dieser Gefahr, sich zu widersetzen ist Gebot der Stunde, der Lehren der Geschichte und der Vernunft. Es ist somit für die Partei DIE LINKE höchste Zeit, den friedenspolitischen Positionen ihres Parteiprogramms gerecht zu werden und eindeutige Positionen zur bedrohlichen Lage auf unserem Kontinent und deren Ursachen zu beziehen. Gefragt ist Klarheit über Ursachen und Wirkung und nicht angepasste Schwankungen im Sinne einer Art neutraler Äquidistanz. Es geht vielmehr um eine entschiedene Parteinahme für Frieden und Sicherheit, für das Überleben unsers Kontinents, gegen die von den USA und ihren Verbündeten ausgehende Kriegsgefahr.

Deutlich meldete sich auch in diesem Sinne zur derzeitigen Lage und den erforderlichen Entscheidungen in einem Brief Fidel Castro zu Wort: "In der aktuellen politischen Lage des Planeten, in der der Frieden und das Überleben unserer Gattung an einem seidenen Faden hängen, muss jede Entscheidung mehr denn je aufmerksam getroffen und umgesetzt werden, so dass niemand an der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zweifeln kann, mit der viele der verantwortungsbewussten und ernsthaften Führungspersönlichkeiten heute gegen die Gefahren kämpfen, die die Welt bedrohen."


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