Zum Hauptinhalt springen

Minderheitenpolitik: Trotz Kritik des Europarates – Brandenburg auf Erfolgskurs?

Während seines knapp 30-Minuten-Aufenthalts auf der 2. sorbischen Bildungskonferenz der DOMOWINA für die Niederlausitz zog der Minister für Bildung, Jugend und Sport Brandenburgs eine durchweg positive Bilanz der Brandenburger Minderheitenpolitik. Diese Konferenz werde "uns unserem Ziel (näher bringen), durchgängig sorbisch(wendisch-)sprachige Bildungsangebote für möglichst viele Schülerinnen und Schüler im Land Brandenburg zu gewährleisten", heißt es in der schon vorab verbreiteten Presseerklärung. Dazu erklärt die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft "Ethnische Minderheiten" der Partei DIE LINKE, Renate Harcke:

Manch Teilnehmer der gestrigen Bildungskonferenz glaubte, er sei "im falschen Film", als er Holger Rupprecht hörte: Die Landesregierung sei auf gutem Kurs ... Ja, man habe Probleme, aber die werde man schon lösen. Warum nur erinnerte nicht nur mich das an alte Zeiten?

Kein Wort hörte man zur Stiftung für das sorbische Volk – auch 10 Monate nach Auslaufen des alten Finanzierungsabkommens, über das große Teile der sorbischen (wendischen) Bildungspolitik finanziert werden, gibt es noch kein neues. Die Schuld daran tragen der Bund und das Land Brandenburg, die sich einer angemessenen Finanzierung verweigern!

H. Rupprecht schwieg auch zur Kritik des Europarates an der Brandenburger Minderheitenpolitik. Dass das Gremium Anfang Juli nicht nur Brandenburg sondern alle Bundesländer, in denen Minderheiten- und Regionalsprachen gesprochen werden, sowie die Bundesrepublik als Unterzeichnerstaat der Europäischen Sprachencharta kritisierte, ist dabei kaum tröstlich. Schon deshalb, weil Brandenburg die Hauptverantwortung für die Förderung einer vom Aussterben bedrohten Sprache, des Niedersorbischen, trägt.

Angesichts fehlender Kontrollmechanismen zur Umsetzung der Sprachencharta im Bildungsbereich verwundert es nicht, dass Probleme, die schon vor 5 und mehr Jahren öffentlich diskutiert worden, in Brandenburg bis heute nicht gelöst sind: Dazu gehört die Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen für die Fortführung des Witaj-Projekts in der Grundschule und vor allem in der Sekundarstufe I und II sowie die Notwendigkeit der Ausbildung von Lehrern, die Niedersorbisch im Sprach – wie im Fachunterricht auf hohem sprachlichen Niveau vermitteln können.

Das Brandenburger Bildungsministerium hat die Zeit verschlafen! Zum Jubeln gibt es wahrlich keinen Grund. Politische Lösungen müssen endlich auf den Tisch!

Im Jahr 1998 sind in der Bundesrepublik zwei minderheitenpolitische Grundsatzvereinbarungen des Europarates in Kraft getreten – das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Danach sind vier Minderheiten (Dänen, Friesen, Sinti und Roma sowie Sorben [Wenden]) als nationale Minderheiten anerkannt und ihre Sprachen unter besonderen Schutz gestellt.

Durch Überprüfungen auf der Grundlage von Staatenberichten der Unterzeichnerländer kontrolliert der Europarat regelmäßig die Umsetzung der Bestimmungen, zu denen sich die Unterzeichnerstaaten im Einzelnen verpflichtet haben.

Für die Europäische Sprachencharta hat die Bundesrepublik 2007 ihren dritten Bericht vorgelegt. Auf der Grundlage der Bewertung durch einen unabhängigen Sachverständigenausschuss hat das Ministerkomitee des Europarates am 9. Juli 2008 seine Empfehlungen an die Bundesrepublik verabschiedet (http://www.coe.int/t/dg4/education/minlang/Report/default_en.asp)

Unter den Schlussfolgerungen des Sachverständigenausschusses, die diesen Empfehlungen zugrunde lagen, sticht eine Feststellung besonders hervor. Punkt C lautet: "Trotz einiger positiver Entwicklungen hat sich die Lage im Hinblick auf die Regional- oder Minderheitensprachen seit dem ersten und zweiten Überprüfungszeitraum allerdings nicht wesentlich verändert". Der Sachverständigenausschuss stellte mit Bedauern fest, dass die Lage einiger besonders gefährdeter Sprachen sich offensichtlich sogar verschlechtert hat, insbesondere die Lage des Niedersorbischen. Die Lage des Saterfriesischen bleibt sehr prekär. Der Sachverständigenausschuss ist der Auffassung, dass Deutschland entschlossenere Maßnahmen ergreifen sollte, um die Probleme anzugehen, die im Zuge des Überprüfungsmechanismus der Charta aufgezeigt werden."

Das Ministerkomitee des Europarates appellierte danach in seinen Empfehlungen an die Bundesrepublik, entsprechende Empfehlungen dringend umzusetzen. Dazu gehört - für besonders bedrohte Sprachen - die Einleitung einer "Strukturpolitik für die Förderung und Erhaltung des Nordfriesischen, Saterfriesischen und Niedersorbischen ..., einschließlich und insbesondere Maßnahmen, die dringlich sicherstellen, dass Grundschul- und Sekundarschulunterricht in diesen Sprachen angeboten wird."

Das Ministerkomitee verschärfte damit seine Forderungen zum  2. Staatenbericht der Bundesrepublik (2006) noch einmal.