Zum Hauptinhalt springen

Bundesdeutsche Sicherheitsbehörden für sorbische Minderheit nur bedingt schutzbereit

Zu der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zu sorbenfeindlichen Vorfällen – Drucksache 18/5331 – erklären die SprecherInnen der Bundesarbeitsgemeinschaft Ethnische Minderheiten der Partei DIE LINKE Heiko Kosel und Dr. Renate Harcke:

Die Situation erinnert in fataler Art und Weise an das Bild, das die Sicherheitsbehörden in Zusammenhang mit dem NSU boten: Es gibt kein verlässliches Gesamtbild über die sorbenfeindlichen Straftaten, da die zuständigen Landes- und Bundesbehörden solche Delikte weder innerhalb ihrer polizeilichen Kriminalstatistiken noch des kriminalpolizeilichen Meldedienstes politisch motivierter Kriminalität gesondert in einem eigenständigen Themenfeld oder Unterthema erfassen. Es gibt zudem augenscheinlich auch keine solide Kommunikation und Zusammenarbeit der zuständigen Landes- und Bundesbehörden bezüglich sorbenfeindlicher Straftaten; andernfalls würden ihre jeweils aufgrund parlamentarischer Anfragen recherchierten Angaben zu diesen Delikten nicht in so bemerkenswerter Weise voneinander abweichen. Wissenschaftliche Hintergrundanalyse wird nicht betrieben bzw. nicht zur Kenntnis genommen.

Wir fordern daher:

  • eine Erfassung sorbenfeindlicher Straftaten im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes politisch motivierter Kriminalität und in den polizeilichen Kriminalstatistiken der Länder Sachsen und Brandenburg in einem eigenständigen Themenfeld / Unterthema;
  • die Erarbeitung eines Präventionskonzepts für sorbenfeindliche Straftaten;
  • die Erstellung einer wissenschaftlichen Hintergrundanalyse zu "Sorbenfeindlichkeit";
  • die Aufnahme sorbenfeindlicher Straftaten in die Berichte der Landesregierungen Sachsens und Brandenburg zur Lage des sorbischen Volkes;
  • gezielte Werbung und gezielten Einsatz sorbischer Bediensteter in den Sicherheitsbehörden, insbesondere im sorbischen Siedlungsgebiet;
  • die Behandlung des Themas sorbenfeindliche Straftaten in der Bundeszentrale bzw. Landeszentralen für politische Bildung.

Durch Bundesrecht und - in Sachsen und Brandenburg - Landesrecht ist die Pflicht des Staates normiert, das sorbische Volk zu schützen und zu fördern. Die Umsetzung der Förderpflicht ist - wie die Schließung bzw. Reduzierung sorbischer Schulen und Kultureinrichtungen sowie die Situation um die `Stiftung für das sorbische Volk´ exemplarisch zeigen - seit 25 Jahren leider tendenziell mangelhaft. Durch die LINKEN-Anfrage im Bundestag ist nunmehr offenbar geworden, dass die Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht desaströs ist. Die Sicherheitsbehörden sind gegenüber dem sorbischen Volk nur bedingt schutzbereit. Für ein entsprechendes Handeln fehlt die Grundlage.

Während der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren 20 sorbenfeindliche Straftaten bekannt geworden sind, informiert das sächsische Innenministerium allein für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 28.11.2014 - also für nicht ganz zwei Jahre -bereits über 15 derartige Fälle. Für 2013 hat die Bundesregierung Kenntnis von lediglich einer sorbenfeindlichen Straftat; das sächsische Innenministerium meldet fünf, hat aber wiederum keine Kenntnis von jenem Delikt, das der Bundesregierung bekannt war. Auch für 2014 verweist das sächsische Innenministerium auf etwa ein Viertel mehr sorbenfeindliche Straftaten als die Bundesregierung, wobei wiederum auch hier die Bundesregierung Straftaten benennt, die in der sächsischen Statistik nicht auftauchen.

Aufhorchen lässt auch die Tatsache, dass die Bundesregierung immerhin bei 7 der ihr bekannten 20 sorbenfeindlichen Straftaten als Tatort Deutschbaselitz benennt, während Recherchen ergaben, dass diese Straftaten zwar stattfanden, aber eben nicht in Deutschbaselitz, sondern in anderen Orten. Siebenfache "Tatortverwechslung" bei teilweise schweren Straftaten politisch motivierter Kriminalität bzw. Staatsschutz-Delikten ist nicht gerade ein Ausdruck von Professionalität. Zwar will das Bundesinnenministerium jetzt die "Tabellen entsprechend anpassen", aber eigentlich fällig ist eine Entschuldigung bei der Einwohnerschaft von Deutschbaselitz.

Auch die Mitteilung der Bundesregierung, dass sie zu sorbenfeindliche Äußerungen von Angehörigen rechtsextremer Gruppierungen keine Kenntnis habe, stellt den zuständigen Sicherheitsbehörden kein gutes Zeugnis aus. Hingewiesen sei hier auf nur zwei aus öffentlich zugänglichen Quellen recherchierbare Sachverhalte: Einer der ersten Anträge der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag zielte bereits 2004 auf die Streichung von Artikel 5 Absatz 1 der sächsischen Verfassung, der definiert, dass das Volk des Freistaates Sachsen "aus Bürgern deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit besteht". Und bis heute ist auf Internetseite des NPD-Kreisverbandes Lausitz im Land Brandenburg zu lesen, dass "nicht mehr von der Existenz des sorbischen Volkes ausgegangen werden kann, sondern lediglich von einem traditionell stark verhafteten und kulturell sehr eigenständigen deutschen Volksbestandteil".