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Magdeburger Parteitag

Beschlüsse und Resolutionen

Magdeburger Parteitag

Mehr für alle. Eine soziale Offensive für ein offenes Land!

Beschluss der 1. Tagung des 5. Parteitages der Partei DIE LINKE am 28. und 29. Mai 2016 in Magdeburg

Die Gesellschaft ist sozial tief gespalten. Während viele in prekären Arbeitsverhältnissen zielsicher auf die Altersarmut zusteuern, besitzen wenige den Großteil des gesamten Vermögens. Von diesem Sachverhalt wird abgelenkt. Flüchtlinge sind die modernen Sündenböcke. Die Ärmeren werden gegen die Ärmsten ausgespielt.

Viele fragen sich: "Wie soll das weitergehen, wenn noch mehr Geflüchtete zu uns kommen? Kriegen wir sie alle integriert? Wo sollen sie wohnen, wer gibt ihnen Arbeit? Wir haben doch jetzt schon nicht genug bezahlbare Wohnungen. Und noch mehr Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, was bedeutet das für mich und meine Kinder? Funktionieren unsere Sozialsysteme dann noch? Was, wenn am Ende kein Geld mehr übrig ist für meine Rente? Werden sich die Krankenkassenbeiträge drastisch erhöhen? Wird die Kriminalität hierzulande steigen? Werden jetzt viele unserer sozialen, ökologischen und demokratischen Standards - z.B. Bürgerinnen- und Bürger-Beteiligung, Umweltverträglichkeits-Prüfungen, Barrieren-Beseitigung und sonstige Mitbestimmungsrechte - unter dem Vorwand, das "Flüchtlingsproblem schnell lösen" zu müssen, geschleift?" Viele Menschen stellen sich diese Fragen.

DIE LINKE steht in Verantwortung, Lösungen im Interesse der Mehrheit der Menschen im Land zu entwickeln, zur Debatte zu stellen und auch durchzusetzen. Eine andere Politik ist möglich, mit diesem Anspruch müssen wir der sich immer weiter ausbreitenden Auffassung entgegentreten, Politik beschäftige sich nur mit sich selbst, es gehe ihr nur um Posten und Einfluss für sich selbst und nicht um Lösungen für die Menschen. Der immer größer werdende Teil derjenigen, die abgehängt sind oder sich davor fürchten, muss anhand der Politik der Partei DIE LINKE spüren, dass wir nicht Teil des neoliberalen Sozialabbauprogramms der etablierten Parteien sind.

Wenn Druck und Verunsicherung steigen, sind die Reaktionen unterschiedliche. Während die einen aktiv in das Geschehen eingreifen, versuchen andere im Rückzug vermeintlichen Schutz zu finden. Man igelt sich ein.

Doch erstens sind weder Sozialabbau und Leistungsdruck noch die gegenwärtigen Fluchtbewegungen eine Naturkatastrophe, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen und globaler Wirtschaftsordnung – von Menschen gemacht und damit veränderbar. Und zweitens werden uns Rückzug oder Resignation hier nicht weiterhelfen. Sie nutzen nur denjenigen, die schon jetzt davon profitieren, wenn "wir" uns gegen "die Flüchtlinge" ausspielen lassen: Sie lassen uns auf dem Arbeitsmarkt gegeneinander konkurrieren, bei der Wohnungssuche, auf dem Amt, in den Schulen. Wir sollen glauben, es gäbe keine Alternative zur Verwaltung des Haushaltsdefizits, zur Kürzung der Mittel, zum Verzicht "wegen der Flüchtlinge".

Mehr Gerechtigkeit, eine soziale Alternative für ein weltoffenes Land sind möglich. DIE LINKE steht für eine Politik der sozialen Sicherheit, für Gerechtigkeit, für eine Politik für alle Menschen in der Tradition der Gleichheit, für Antirassismus, eine demokratische und freie Gesellschaft und eine sozialökologische Transformation hin zu einer nichtkapitalistischen Gesellschaft. DIE LINKE steht zugleich mit ihrer klaren Haltung an der Seite der Millionen Menschen, die in unserem Land Geflüchteten helfen und sie unterstützen.

Daher brauchen wir einen gemeinsamen Aufbruch für eine soziale Offensive – jetzt. Es gibt bereits viele Anknüpfungspunkte, die Mut machen: in den Willkommensinitiativen, bei gewerkschaftlichen Kämpfen, in feministischen und queeren Zusammenhängen, bei migrantischen Selbstorganisationen, in der Bewegungslinken, bei antirassistischen Bündnissen, in Sozialverbänden, Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, in klima-aktivistischen Gruppen und vielen mehr. DIE LINKE hat stets gesellschaftliche Bewegung unterstützt und mit vorangetrieben, die für das gute Leben für alle streiten. Die Wahlen der vergangenen Jahre zeigen: Sie ist dort besonders stark, wo sie diese sozialen Bewegungen am stärksten unterstützt und in Alltagskämpfen vor Ort beständig aktiv ist. DIE LINKE ist gerade dann attraktiv, wenn die Menschen im täglichen Leben sehen, wie wir an ihrer Seite für Verbesserungen sorgen. Und sie wird den Dialog der zivilgesellschaftlichen Akteure fördern, die sich diesem Ziel verpflichtet sehen. Notwendige Veränderungen müssen wir demokratisch gemeinsam mit den Menschen erörtern und gestalten.

Eine wichtige Station auf diesem Weg ist das Welcome 2 Stay-Gipfeltreffen der Bewegungen des Willkommens, der Solidarität und des Antirassismus vom 10.-12. Juni in Leipzig. Gemeinsam mit zahlreichen Aktiven und Ehrenamtlichen werden wir uns dort dafür einsetzen, das Lager der Solidarität und das Engagement der Vielen bundesweit sichtbarer und wahrnehmbar zu machen, und zusammen daran arbeiten, nachhaltige Strukturen und Netzwerke der gegenseitigen Hilfe und Solidarität aufzubauen.

Die vermeintliche Sicherheit des Alten gibt es nicht. Wir brauchen heute nichts weniger als den Mut, die gegenwärtige Situation für einen gesellschaftlichen Aufbruch zu nutzen anstatt in Angststarre zu verharren. Denn Sicherheit ist heute nicht gegen, sondern nur noch durch Veränderung erreichbar. Dabei haben wir eine Welt zu gewinnen. Gemeinsam mit all denjenigen, die auch für ein sozial gerechtes, vielfältiges, freiheitliches Land für alle kämpfen, schaffen wir das.

Verunsicherungen ernst nehmen, Alternativen aufzeigen

Unter den gegebenen Umständen stellt sich jedoch augenscheinlicher denn je die Frage, wie wir unser Zusammenleben so gestalten wollen, dass nicht ausgerechnet jene, die ohnehin das Gefühl haben, ständig zu kurz zu kommen, die Zeche bezahlen. Wir nehmen diese Verunsicherungen ernst. Wir akzeptieren nicht die vermeintliche Alternativlosigkeit, aus der sie sich speisen. Denn die sogenannte "Flüchtlingskrise" ist hausgemacht. Es gibt Alternativen. Doch hierfür braucht es politischen Willen und visionäre Ideen.

Stattdessen macht die Bundesregierung mit diesen Verunsicherungen Politik und spielt unterschiedliche Gruppen der Bevölkerung gegeneinander aus. Wer wie Finanzminister Schäuble die Überlebensinteressen von Geflüchteten in Konkurrenz setzt mit den Lebensinteressen der Bevölkerung, spielt bewusst mit dem Feuer. Schuld am öffentlichen Mangel sind nicht die Geflüchteten. Dieses Land ist jahrzehntelang auf Verschleiß gefahren worden: Es herrscht Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der Personalabbau im Öffentlichen Dienst hat große Lücken gerissen, viele Kitas sind überfüllt, zahlreiche Schulen mangelhaft ausgestattet, wertvolle Kultureinrichtungen von der Schließung bedroht. Allein der kommunale Investitionsstau in Deutschland beläuft sich insgesamt auf über 132 Milliarden Euro. Die Investitionsquote der Kommunen liegt nur noch halb so hoch wie 1991. "Seit der Jahrtausendwende reichen die kommunalen Investitionen nicht einmal mehr aus, um die bestehende Infrastruktur zu erhalten beziehungsweise zu modernisieren", kritisiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Der öffentliche Mangel war bekannt - schon bevor die Flüchtlingszahlen stiegen. Er wird jetzt nur noch offensichtlicher. Anders gesagt: Die Neuankommenden unterstreichen die Dringlichkeit von Problemen, die wir schon vorher angeprangert haben. Probleme, die die Bundesregierungen der verschiedenen Couleur – von CDU/CSU, FDP bis zu SPD und Grünen – durch ihre neoliberale Kürzungspolitik geschaffen haben.

Dabei wäre mehr Aufmerksamkeit für die Folgen dieses Verschleißes geboten. In der alltäglichen Konkurrenz um Arbeitsplätze, Schulnoten oder Mietwohnungen werden Wohlstandschauvinismus und Abstiegsängste geschürt. Die gegenwärtige dramatische Polarisierung der Gesellschaft ist letztlich auch die konsequente Fortführung des erbarmungslosen Gegeneinanders um jeden Preis, das der Neoliberalismus salonfähig gemacht hat. Wer nach unten tritt und zur Seite boxt, will sich im Konkurrenzkampf möglichst erfolgreich behaupten. In solch einer Stimmung wachsen Menschenfeindlichkeit und Rassismus. Ergebnis ist ein grausames Paradox: Geflüchtete müssen hierzulande um ihr Leben fürchten, während zugleich in Teilen der einheimischen Bevölkerung die Angst wächst, sie könnten in der gegenwärtigen "Flüchtlingskrise" unter die Räder kommen.

Nationale Wagenburg oder "Ein Land für alle"

In der Flüchtlingsdebatte offenbaren sich unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Gesellschaft aussehen soll. Die Stimmen, die jetzt für die Schließung der Grenzen plädieren, setzen vermeintlich objektive Grenzen des Bewältigbaren und definieren die vorhandenen Ressourcen als gegeben. Als wäre das Staatsbudget eine unverrückbare Größe – wie ein Kuchen, der nun unter mehr Menschen als vorher aufgeteilt werden müsse. So wird Politik zur Verwaltung des Mangels.

Wir sollten nicht in Kauf nehmen, dass Demokratie und Menschlichkeit irreparable Schäden erleiden. In einer Festung Europa, die sich im Kriegszustand gegen geflüchtete Menschen befindet, kann sich keine Demokratie entwickeln. Diese Festung will auch die Bundeskanzlerin ausbauen, nachdem sich die EU, der Merkel selbst vorher unsolidarisch gnadenlose Austerität verordnet hatte, nun der Solidarität in der Flüchtlingsfrage verweigert. Stimmen, die jetzt nach deutscher Leitkultur rufen, malen das Bild eines homogenen Volkes, einer Werteordnung mit Regeln, an die Hinzukommende sich anzupassen haben. Unter Integration verstehen sie die Einpassung in eine Gemeinschaft, die aus Gnade Einlass gewährt.

Ein klarer Blick auf die Verhältnisse macht deutlich: Wir leben längst in einer Einwanderungsgesellschaft, von der viele hierzulande auch profitiert haben. Man schaue nur, wer seit Anfang der 1960er Jahre am sogenannten Wirtschaftswunder mitgewirkt hat. Grenzüberschreitende Flucht und Migration sind eine weltumspannende Realität mit langer Geschichte. In der deutschen Geschichte ist es noch gar nicht so lange her, dass Tausende täglich die innerdeutsche Grenze passierten.

Im Namen der Humanität ist es geboten, das jedem zustehende Grundrecht auf Asyl zu garantieren – natürlich ohne Obergrenzen, denn sonst wäre es kein Grundrecht mehr. Es ist aber nicht nur ein Zeichen von Menschlichkeit, den hier Ankommenden die Hand auszustrecken. Solange die Lage in den Heimatländern der Geflüchteten unerträglich ist, werden sie sich ohnehin weiter auf den Weg machen. Selbst Stacheldraht, Schießbefehl und Mauern werden sie nicht abhalten. Es gibt einen Eigensinn der Migration, der sich den Versuchen, Zahl, Richtung und Tempo der Bewegungen zu kontrollieren, entzieht. Das zeigen eindrücklich die Erfahrungen an der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze.

Und das führt zu einem grundlegenden Punkt: Die vielen, die die Grenzen der EU überschreiten, führen uns die zerstörerischen sozialen und kriegerischen Wirkungen des Kapitalismus und Imperialismus vor Augen. Sie setzen auch die Verteilungsfrage im globalen Maßstab auf die Agenda. Im Slogan der Refugee-Bewegung "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört" findet diese Einsicht ihren Ausdruck. Es geht also nicht bloß darum, das Grundrecht auf Asyl zu verteidigen, sondern gleichermaßen Fluchtursachen zu bekämpfen. In erster Linie sind hier Kriege und Waffenexporte zu nennen.In den Strategien zur Abschottungspolitik spiegeln sich die herrschenden Machtverhältnisse wider. Dazu gehört auch die Handelspolitik. Die Liberalisierung des Handels ist für die Entwicklungs- und Schwellenländer in aller Regel zerstörerisch (z.B. Export billiger Nahrungsmittel, Fischerei, Bergbau und Ölförderung, Giftmüll).

Eine ernstzunehmende Debatte über die Fluchtursachen macht die in der Politik übliche Unterscheidung von asylberechtigten politischen oder Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen unglaubwürdig. Der Handel mit Waffen, sogar mit staatlicher Absicherung (Hermesbürgschaften), führt ebenso zu Fluchtbewegungen wie der Handel mit Waren oder Dienstleistungen, die aufgrund ungerechter Handelsbeziehungen Not und Vertreibung zur Folge haben (Freihandelsabkommen). Bisher war es der Politik gelungen, die Konsequenzen ihres Handels weitgehend von Europa fernzuhalten; erst die gegenwärtigen Flüchtlingsbewegungen verdeutlichen drastisch das Scheitern der langjährigen Wirtschafts- und Handelspolitik. Es gilt also umgehend: deutsche Rüstungsexporte sofort stoppen, neoliberale Freihandelsverträge kündigen, die Unterstützung für Terror-Sponsoren wie die Türkei und Saudi-Arabien einstellen, sich gegen die Politik der Destabilisierung und des "Regime Change" unliebsamer Regierungen wenden, Nahrungsmittelspekulation und Patentierung von Lebensmitteln verbieten, Entwicklungszusammenarbeit demokratisieren und die zahllosen Kriegs- und Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden und sich stattdessen für politische Lösungen der existierenden Konflikte stark zu machen. Damit diejenigen, die in ihrer Heimat bleiben wollen, überhaupt bleiben können.

Wir haben gar nicht die Wahl, des Ob. Aber wir haben durchaus die Wahl des Wie. Und das Wie zeichnet unsere Politik aus: Statt uns in der nationalen Wagenburg einzumauern, wollen wir die Chance ergreifen, ein sich veränderndes Land zu gestalten. Ein Land für alle.

Dazu müssen wir die Funktion der LINKEN im Parteiensystem und für Wählerinnen und Wähler neu bestimmen. Es geht nicht länger nur darum, SPD und Grüne von links zu treiben. Wir müssen uns als offensive und konstruktive Kraft für eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung begreifen - das meint, mehr als Opposition zu sein und erfordert zugleich, sich nicht nur als bloßes Korrektiv in einer Mitte-links-Regierung zu begreifen. Es bedarf eines grundlegenden Kurswechsels. Wir sind keineswegs bereit, SPD und Grüne aus der Verantwortung zu entlassen. Gemeinsam müssen wir für soziale Gerechtigkeit und mehr Demokratie sorgen.

Der vermeintlichen Alternativlosigkeit der Großen Koalition und dem rechten Gesellschaftsentwurf der Ausgrenzung und Verrohung setzen wir einen linken Gesellschaftsentwurf für eine solidarische Gesellschaft entgegen. Neben dem politischen Willen in den Parteien braucht es vor allem gesellschaftliche Mehrheiten und die Macht, durch gemeinsame Mobilisierung mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, zentrale Einstiegsprojekte auch gegen massiven Widerstand durchsetzen zu können.

Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung

Als DIE LINKE treten wir ein für offene Grenzen für alle Menschen. Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen, Kriegen und politischer Verfolgung geflohen sind, dürfen nicht abgewiesen oder abgeschoben werden.

Wir wehren uns gegen die Doppelbestrafung von nicht-deutschen Staatsangehörigen. Das Aufenthaltsrecht darf nie eine Maßnahme des Strafrechts sein.

Da die momentane rechtliche Situation einen kompletten Verzicht auf Abschiebungen leider nicht zulässt, werden wir unsere Politik darauf ausrichten, Abschiebungen wo immer möglich zu verhindern.

Insbesondere Abschiebungen in Obdachlosigkeit, mangelhafte medizinische Versorgung und diskriminierende Lebensrealitäten gilt es zu beenden. Wir wenden uns deshalb gegen den Deal mit der türkischen Regierung. Berichte über Geflüchtete, die in Obdachlosigkeit leben müssen, über Abschiebungen syrischer Flüchtlinge in das Kriegsgebiet und sogar Schüsse türkischer Grenztruppen auf Flüchtende müssen der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung signalisieren, dass es keine Verträge über Menschenleben geben kann. Das Konstrukt der "sicheren Herkunftsländer", das Menschen um die ihnen rechtlich zustehende Einzelfallprüfung bringt, widerspricht zutiefst dem Geist des Grundgesetzes, selbst nach der Einschränkung des Artikel 16a GG im Jahr 1993.

Weitere Einschränkungen des Asylrechts werden wir nicht hinnehmen und sie parlamentarisch und außerparlamentarisch bekämpfen.

"Wer soll das bloß bezahlen?"

Hierzu wollen wir einiges in Angriff nehmen. Denn der Konflikt über die Zukunft unserer Gesellschaft liegt nun offen auf dem Tisch. Anhand der Flüchtlingspolitik wird deutlich: Die neoliberale Globalisierung ist an einem Punkt angekommen, an dem alte Rechnungen fällig werden. Einerseits die Rechnung zwischen Erster und sogenannter Dritter Welt und andererseits die zwischen Arm und Reich hier. Die Rechtspopulisten unterbreiten ein rassistisches Angebot: Die Rechnung soll gar nicht fällig werden, weil wir "sie" draußen halten - und dann angeblich so weitermachen können wie bisher. Die schwarz-rote Koalition laviert rum und folgt letztendlich den Rechtspopulisten bei jeder Verschiebung des Diskurses nach rechts. Bezeichnend dafür sind die von der GroKo geschnürten Asylpakete, die das Recht auf Asyl Schritt für Schritt einschränken. Wir stehen geschlossen gegen die weitere Verstümmelung des Asylrechts und für seine vollständige Wiederherstellung.

Wir als DIE LINKE unterbreiten dagegen ein soziales Angebot: Die Reichen und die Profiteure des Neoliberalismus sollen die Kosten seiner Krisen zahlen. Dann gibt es genug – für alle. Die Auseinandersetzung über die Flüchtlingspolitik stellt die soziale Frage neu. Das ist auch eine Chance: für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr Teilhabe – für mehr für alle!

Deshalb müssen die Prioritäten anders gesetzt werden. Das ehrenamtliche Engagement vieler darf nicht zum neoliberalen Outsourcing von Staatsaufgaben missbraucht werden.

Auch die Bediensteten des öffentlichen Dienstes können die zusätzlichen Belastungen nicht ohne Weiteres schaffen. Nach mehr als 20 Jahren Personalabbau und Umstrukturierungen in den öffentlichen Verwaltungen sind die Beschäftigten schon im "Normalbetrieb" an ihre Leistungsgrenzen angelangt. Sie haben neben der symbolischen auch eine materielle Anerkennung verdient. Vor allem kommt es darauf an, mehr Personal für die gewachsenen Aufgaben bereitzustellen. Dies betrifft in erster Linie eine verbesserte Finanzierung der Länder und insbesondere der Städte und Gemeinden, die nach Jahren des neoliberalen Spardiktats (schlanker Staat) ausgezehrt sind. Ergänzt werden müssen die Anstrengungen durch Zeitbudgets für die Helferinnen und Helfer sowie eine breite Verankerung durch politische Bildung in Schulen, Ausbildungen und durch Bildungsurlaub. Es geht auch darum, vorhandene Initiativen, die Antirassismus und ein friedliches Zusammenleben auf ihre Fahnen geschrieben haben, zu entkriminalisieren und im Gegenteil zu fördern.

Erfolgreiche Finanzpolitik muss neu definiert werden: Sie muss vom gesellschaftlichen Bedarf ausgehen und die Reichen zur Kasse bitten. Ein ausgeglichener Haushalt, der zentrale Aufgaben nicht erfüllen kann und der elementare Bedürfnisse der Bevölkerung so wenig berücksichtigt wie akute Notlagen aufgrund von Krieg, Flucht oder Naturkatstrophen, ist nicht ausgeglichen. Er funktioniert auf Kosten der Bevölkerung hier und heute und auf Kosten der nächsten Generationen, denen wir eine brüchige Substanz hinterlassen.

Es zeigt sich, dass unsere Forderung nach einer Abschaffung der Schuldenbremse richtig ist. Aber der Bund könnte schon heute, ohne die Bestimmungen der Schuldenbremse zu verletzen, Kredite bis zu 13 Mrd. Euro aufnehmen. Mit einer gerechten Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen könnten die langfristigen Bedarfe für öffentliche Investitionen für alle hier lebenden Menschen gesichert werden.

Der Bund soll den Ländern und Kommunen die Kosten für Flüchtlingsaufnahme und Integration voll erstatten. Die Panama-Paper-Enthüllungen belegen, wie Reiche und Mächtige aus allen Teilen der Welt über sogenannte Briefkastenfirmen Milliarden-Vermögen vor der Steuer verstecken und Steuerhinterziehung in ganz großem Stil betreiben. Mit dabei auch mehrere Tausend Deutsche und fast 30 deutsche Banken. Jahrelang hat die Bundesregierung praktisch nichts gegen Steuerflucht und Steuerbetrug unternommen. Banken müssen verpflichtet werden, die Kontodaten aller deutschen Steuerpflichtigen, die Kapital von Deutschland aus in nicht kooperative Staaten und Steueroasen transferieren, an den Fiskus weiterzugeben.

Weiterer Spielraum für die öffentlichen Finanzen in Milliardenhöhe ergibt sich durch die Wiederanhebung des Körperschaftsteuersatzes, also der Steuer, die vor allem der Besteuerung großer Kapitalgesellschaften dient.

Integration = Offensive für das Öffentliche + Demokratisierung

Für eine soziale Integration

"Aber selbst wenn wir allen Ankommenden Wohnung und Arbeit geben können, wie soll das kulturell funktionieren?", fragt sich so mancher im Stillen – oder laut: "Wird es Deutschland dann noch geben?". Wir fragen zurück: Wer ist "wir"? Und was ist "deutsch"? Wir bezweifeln, dass es darauf eine einzig gültige Antwort gibt. Das Leben der hierzulande Geborenen unterscheidet sich unter Umständen sehr voneinander: Was haben ein heterosexueller, religiös lebender Landwirt auf der Schwäbischen Alb und eine transfeminine, vegane Hamburger Filmregisseurin im Alltag miteinander gemein – außer vielleicht ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Schach? Was verbindet eine erfolgreiche Fondsmanagerin, reiche Erbin und Mutter von zwei Kindern mit einem alleinstehenden erwerbslosen Bauzeichner, ehemaligen Betriebsrat, der sich seit Jahren mit Hartz IV über Wasser hält? Vielleicht haben beide einen Hund und interessieren sich für Tango? Kurzum: Das imaginierte Kollektiv "wir Deutsche" entspricht nicht den Lebensrealitäten der Menschen hierzulande. Es funktioniert nur als eine Erzählung, um das "Fremde" zu konstruieren, das "draußen" bleiben oder aber sich geräuschlos anpassen soll. Auch der Verweis auf die deutsche Leitkultur scheint besonders dann nützlich, wenn die Grenzen zwischen "zugehörig" und "ausgeschlossen" markiert werden sollen.

"Aber es gibt doch Werte hierzulande, die gelten", mag sich der eine oder die andere sagen. Hinter solchen Gedanken kann die Sorge stehen, im gegenwärtigen Prozess der Veränderung persönliche Freiheiten und Sicherheiten einzubüßen. Dagegen stellen wir fest: Demokratie ist nicht westlich oder östlich, sie ist universell – und viele, die nun zu uns kommen, mussten infolge ihres Kampfes für Demokratie fliehen. Die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte im Grundgesetz sind für uns unverhandelbar. Auf ihrer Grundlage fußt ein Universalismus, in dem wir demokratisch streiten. Sie gelten für jede und jeden in diesem Land, egal ob religiöser Fundamentalist oder Rassistin mit deutschem Pass. Es geht uns nicht um kulturelle Werte, sondern um universelle Rechte. Deswegen werden wir nicht zulassen, dass ein Recht gegen das andere ausgespielt wird. Der Kampf für Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern darf nicht als Vorwand dienen, um die Rechte von Menschen mit Migrationsbiografie auszuhebeln – oder anders herum. Demokratie lebt davon, dass ihre Rechtsordnung für alle gleichermaßen gilt. Sie ist keine Nationalkultur, sondern eine universelle Verfahrensordnung. Deswegen verwahren wir uns – wie in der Debatte nach den gewalttätigen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht – gegen die Instrumentalisierung der Belange von Frauen für rassistische Hetze und weitere Asylrechtsverschärfungen.

Unter Integration verstehen wir daher einen Prozess konsequenter Demokratisierung und sozialer Verbesserungen. Deshalb ist nicht die Frage, wer sich wem anpassen soll. Sondern es kommt darauf an, über die Richtung der Veränderungen und damit verbundene Vorstellungen vom guten Leben demokratisch zu verhandeln. Integration setzt voraus, dass ein gemeinsamer Diskurs stattfindet.

Damit sich alle beteiligen können, müssen zugleich auch die nötigen Grundlagen dafür geschaffen werden. Deshalb brauchen Geflüchtete motivierte, gut ausgebildete und anständig bezahlte Lehrerinnen uns Lehrer, die ihre Bildung und persönliche Entfaltung unterstützend begleiten. Diese Menschen brauchen genauso wie die hier Lebenden interessante Ausbildungsangebote, faire Arbeitsbedingungen und eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung. Sie brauchen attraktive Betreuungsangebote für ihre Kinder, eine bedarfsgerechte Versorgung im Krankheitsfall und flächendeckende Verkehrsanbindungen, sowie einen leistungsfähigen Internetanschluss. Sie brauchen gleichberechtigten Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, in öffentliche Institutionen ebenso wie in Clubs und Vereine.

Kurz: Sie brauchen einfach das, was wir alle brauchen – ob hier geboren oder eingewandert: die selbstverständlichen sozialen Grundlagen für ein demokratisches Miteinander. Die kostenlose Bereitstellung einer bedürfnisorientierten, öffentlichen Infrastruktur. Denn erst wenn die materielle Absicherung aller – ohne Ausnahme – garantiert ist, kann sich demokratische Beteiligung wirklich entfalten. Und erst wenn alle ohne Diskriminierung und Angst an der Gestaltung des Zusammenlebens teilhaben, ist diese Gesellschaft wirklich demokratisch.

Wer also von Integration spricht, darf von der Demokratisierung unserer parlamentarischen Demokratie und sozialer Teilhabe für alle nicht schweigen. Das ist die Grundlage eines guten Zusammenlebens.

Eine lebendige Demokratie braucht eine stabile Grundlage

Demokratie heißt, dass die Menschen in friedlichen Verhältnissen über die Angelegenheiten, die sie selbst und das gesellschaftliche Leben betreffen, entscheiden können. Demokratie lebt davon, dass wir uns am Arbeitsplatz für unsere Interessen einsetzen können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Demokratie lebt davon, dass wir uns informieren und entscheiden können, wozu wir was und wie produzieren. Demokratie lebt davon, dass unsere Arbeitszeiten im Lohnerwerb und zu Hause so gestaltet sind, dass wir genügend Freiräume haben für Muße, Familie und politisches oder soziales Engagement. Demokratie lebt davon, dass wir ohne persönliches Risiko füreinander Verantwortung übernehmen: dass also genügend Ressourcen bereit stehen für Menschen, die sich um Alte, Kranke und Kinder kümmern. Demokratie lebt davon, dass Eingewanderte keine Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse sind. Demokratie lebt davon, dass wir inklusive Formen der Aushandlung von Interessen lernen. Demokratie lebt davon, dass wir bei Dissens gemeinsam an Lösungen arbeiten. Demokratie lebt davon, dass wir "ohne Angst verschieden sein" können (Theodor W. Adorno).

Demokratie muss auch ganz praktisch gelebt werden können. Dementsprechend gilt es für uns als LINKE Beteiligungsmöglichkeiten und -formate von Menschen in der Kommune, im Land und auf Bundesebene zu stärken und auszubauen. Deshalb gilt es, Informationen für die Menschen transparent zu machen und nachvollziehbar aufzubereiten, um sie in die politischen Entscheidungsprozesse von Beginn an mit einzubeziehen.

Das alles braucht Zeit und ein soziales Fundament. Denn das Austragen von Konflikten und die Aushandlung von Interessen kann ein anstrengender Prozess sein. Wollen wir keine Schrumpfform der Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger alle vier Jahre ein Kreuz setzen und ansonsten andere über ihr Leben entscheiden lassen, werden wir diese Anstrengung auf uns nehmen (müssen). In einer sozial abgesicherten friedlichen und demokratisch verfassten Rechtsgemeinschaft lassen sich gesellschaftliche Spannungen am besten produktiv lösen. Deshalb müssen alle hier Lebenden dazu in der Lage sein. In diesem Sinne wird DIE LINKE ein eigenes Integrationskonzept vorlegen.

Was müssen wir tun, damit wir das schaffen?

Gelingende Integration ist keine Selbstverständlichkeit. Das wissen all diejenigen, die seit Monaten bis an ihre Grenzen und darüber hinausgehen und sich an der Solidarität mit Flüchtenden beteiligen. Auch diejenigen wissen es, die in den Kommunen mit Empathie und Kreativität immer wieder neue Räume für Geflüchtete schaffen, Türen und Herzen öffnen, Solidarität leben. Ebenso wissen es diejenigen, die in ganz Europa Geflüchteten helfen und Menschen vor dem Ertrinken und Verdursten retten. Und es wissen auch alle, die sich seit Jahren für die Rechte von Migrantinnen und Migranten einsetzen.

Mit anderen Worten: Wer Demokratie ernst nimmt, muss ihre Voraussetzungen sichern und ausbauen. Das umfasst vier Dimensionen. Sie gelten nicht nacheinander und nicht gegeneinander, sondern gehören für uns untrennbar zusammen:

1. Kampf gegen Armut und für gute Arbeit

  • In Zeiten, in denen 62 Familien mehr besitzen als die Hälfte der Weltbevölkerung, braucht es eine Millionärssteuer. Wenn wir endlich das Einnahmeproblem angehen, können wir für alle die "sozialen Garantien des Lebens" (Rosa Luxemburg) sicherstellen. Das heißt nicht zuletzt, es braucht eine sanktionsfreie Mindestsicherung und eine solidarische Mindestrente von 1.050 Euro.
  • Das Rentenniveau muss wieder auf 53 Prozent angehoben und die Entwicklung der Renten wieder an die Lohnentwicklung gekoppelt werden.
  • Allen Versuchen, arbeitsrechtliche Standards zu reduzieren bzw. auszuhöhlen, z.B. durch Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn, stellen wir uns entschieden entgegen. Als gesetzliche Lohnuntergrenze muss der gesetzliche Mindestlohn ohne Ausnahme vor den übelsten Auswüchsen von Lohn- und Sozialdumping schützen. Und der gesetzliche Mindestlohn muss eine eigenständige Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit ermöglichen, welche auch im Alter vor Armut schützt.
    Für uns LINKE gilt die Forderung "Arbeit darf nicht arm machen" – in der aktiven Phase des Erwerbslebens wie auch nach dem Übergang in die Rente. Deshalb muss der gesetzliche Mindestlohn bei der im Mindestlohngesetz für Anfang 2017 vorgesehenen Anhebung auf zwölf Euro erhöht werden. Und zwar vom Parlament, weil er von Anfang an in zu niedriger Höhe eingeführt worden war. Anschließend möge dann der Anhebungsmechanismus durch die Mindestlohnkommission wieder greifen.
  • Wer Angst und Verunsicherung bekämpfen will, muss den Menschen soziale Sicherheit bieten: Deswegen wollen wir die verschiedenen Formen von Prekarisierung wie Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen beseitigen – und engagieren uns in der Kampagne "Das muss drin sein".
  • Für die 30-Stunden-Woche. Eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich wirkt dauerhaft der Massenerwerbslosigkeit entgegen. So kann tendenziell Vollbeschäftigung erreicht werden, das Lohnniveau wird insgesamt erhöht, die Einzahlungen in die Sozialversicherungssysteme werden gesteigert und die Menschen haben mehr Zeit für kulturelle Entfaltung und demokratische Beteiligung.

2. Offensive für das Öffentliche

Öffentliche Daseinsvorsorge gehört in die Hände des Staates und nicht in die profitorientierte Privatwirtschaft. Wir brauchen dringend die nötigen Investitionen in das Öffentliche. Dabei sind wir uns bewusst, dass nicht alles auf einmal möglich ist. Deshalb unterscheiden wir zwischen grundsätzlichen Forderungen und einem 25-Milliarden-Sofortprogramm.

  • Wohnen ist ein Grundrecht und keine Ware. Deswegen braucht es den konsequenten Auf- und Ausbau kommunaler, demokratisch organisierter Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften, um Wohnungen der Spekulation zu entziehen. Angesichts der aktuellen Notlage gilt zudem: Wohnraum oder als Wohnraum nutzbarer Gewerberaum, der aus Spekulationsgründen o.ä. leersteht oder zweckentfremdet wird, muss einer obligatorischen Zwischennutzung zugeführt werden. Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich mit Mitteln des zivilen Ungehorsams für eine zweckgemäße Nutzung von Wohnraum einsetzen ("Besetzungen"), müssen legalisiert werden.
  • Gesundheitliche Versorgung ist ein Grundrecht und keine Ware. Eine Gesellschaft, die die Schwachen und Kranken zurück lässt, kann keine Demokratie und schon gar kein solidarisches Miteinander entwickeln. Deswegen streiten wir für die Rekommunalisierung von privatisierten Krankenhäusern und für eine solidarische Bürgerversicherung, durch die alle gut versichert sind und die niemanden in Krankheit zurück lässt.
  • Bildung ist ein Grundrecht und keine Ware. DIE LINKE setzt sich für lebenslanges Lernen und für "Eine Schule für alle" ein, um die sozialen Bildungsschranken zu überwinden, umfassende Inklusion umzusetzen und allen die gemeinsame Aneignung von Wissen und Erfahrungen zu ermöglichen. Zugleich ist gute Bildung eine wesentliche Bedingung für eine funktionierende Demokratie wie eine gelingende Integration. Denn Bildung kann helfen, Vorurteile abzubauen. Doch in Kindertageseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie in der Aus- und Weiterbildung fehlt es an allen Ecken und Enden. Deswegen fordern wir eine sofortige Aufstockung der öffentlichen Bildungsausgaben und kämpfen für die Abschaffung sämtlicher Gebühren im Bildungsbereich.
  • Mobilität ist ein Grundrecht und keine Ware. Bewegungsfreiheit ist eine der Grundbedingungen für die aktive Teilhabe in dieser Gesellschaft. Doch immer mehr Menschen sind davon ausgeschlossen, "Schwarzfahrer" werden bis hin zur Gefängnisstrafe kriminalisiert. Wir wollen dies ändern und die Nutzung der umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrsmittel ohne Fahrschein für alle möglich machen. Kurzum Bahn und Bus zum Nulltarif!
  • Wir fordern umgehend ein Sofortprogramm in Höhe von 25 Mrd. Euro, um die Handlungsfähigkeit des Staates in seinen originären Aufgabenbereichen wiederherzustellen, und einen generellen Ausbau sozialer Dienstleistungen und öffentlicher Infrastruktur für alle:
    • Aufstockung der Soforthilfe an die Kommunen und Länder zur Erstattung sämtlicher Kosten der Integration von Flüchtlingen
    • Schaffung neuer sozialversicherungspflichtiger tariflich bezahlter Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose und Geflüchtete insbesondere im öffentlichen Bereich
    • ein Bundessonderprogramm für barrierefreien sozialen Wohnungsbau mit 500.000 Wohnungen in kommunalem Eigentum (das schließt den Neubau und Kauf von Sozialwohnungen und Ertüchtigung von Leerstand mit ein) in Mischnutzung sowohl für Flüchtlinge als auch für Menschen mit geringen Einkommen
    • Ausbau arbeitsmarktpolitischer Qualifizierungs- und Integrationsprogramme; mindestens 300.000 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge in einem vernünftig organisierten und finanzierten ÖBS
    • Diskriminierungsfreiheit und Verbesserung der Gesundheitsversorgung
    • Sprachkurse anbieten
    • Bundeszuschuss für Bildung (Schulen, Kitas, aber auch Volkshochschulen und – insbesondere für Mädchen und junge Frauen - Bibliotheken)
    • Ausbau sozialer Beratungsstellen
    • Bekämpfung von Fluchtursachen, u.a. mehr Geld für das UN-Flüchtlingshilfswerk und für das Welternährungsprogramm
    • Mehr Angebote für Jugendliche: Häuser der Jugend, sinnvolle Freizeitangebote, Gruppenreisen usw. Es ist wichtig, dass Jugendliche auch bei Schwierigkeiten in der Schule und im Elternhaus aufgefangen werden.
  • Utopisch ist daran nichts. Denn Deutschland hat kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem. Natürlich wären die finanziellen Mittel für die dringend notwendigen Investitionen, von denen alle Menschen in diesem Land profitieren, sowie für eine humane Flüchtlingspolitik vorhanden. Allein die Einführung der Vermögenssteuer als Millionärssteuer würde zu jährlichen Einnahmen von rund 80 Mrd. Euro führen. Außerdem: Das beherzte Eingreifen des Staates in der Bankenkrise hat vorgemacht, was geht. Der Haushaltsüberschuss von 2015 beläuft sich dank der guten Konjunktur auf 12,1 Mrd. Euro. Umverteilung und gerechte Besteuerung würden die ohnehin sprudelnden Staatseinnahmen noch erhöhen. Und Kredite kann der Bund derzeit zu niedrigen Zinsen aufnehmen. Doch mit der Ideologie der Schwarzen Null sind die Herausforderungen im Europa des 21. Jahrhunderts nicht zu bewältigen.

3. Solidarität mit Geflüchteten

  • Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Es ist weder ein Gnadenrecht, noch darf es als Sanktionsrecht missbraucht werden. Das Asylrecht ist im Grundgesetz und Völkerrecht (Genfer Flüchtlingskonvention u.a.) verankert, und ist somit auch die geltende Rechtslage. Als Menschenrecht gilt es universell. Deshalb lehnen wir Obergrenzen und das Konstrukt von angeblich sicheren Herkunftsstaaten ab. DIE LINKE kämpft für eine Ausweitung des Asylrechts für Menschen, die aufgrund von Krieg, staatlicher oder nichtstaatlicher Verfolgung, politischer und gewerkschaftlicher Betätigung, nationaler, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Geschlecht, Umweltzerstörung oder sozialer Not bedroht sind und fliehen.
  • Wir lehnen Abschiebungen ab. Aufenthaltsbestimmungen im Aufenthaltsrecht so zu verschärfen, dass die Abschiebung eine weitere Folge neben einer Bestrafung nach dem Strafrecht ist, ist doppelte Bestrafung und rechtsstaatswidrig. Das lehnen wir ab.
  • Wir setzen uns dafür ein, Asylsuchenden ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, ohne Kontrolle, Misstrauen und Isolation zu ermöglichen. Dezentrale Unterbringungen in Wohnungen müssen hierfür organisiert werden. Die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten durch Betreiber, denen es nur um Profitmaximierung geht, lehnt DIE LINKE ab.
  • Wir fordern gleiche Rechte für alle, die hier leben, sowie die Aufhebung von Diskriminierungen wie der Residenzpflicht und die Abschaffung von Praktiken wie dem Racial Profiling. Wir setzen uns gegen rassistische Stigmatisierung von Flüchtlingen und Muslimen ein.
  • Damit nicht noch mehr Menschen auf gefährlichen Routen ihr Leben riskieren, muss es legale Einreisewege in die EU geben, um hier einen Asylantrag stellen zu können. Fähren statt Frontex!
  • Interessenvertretung ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Strukturen der Selbstorganisation von Geflüchteten sollten daher unterstützt werden. Zudem muss allen an ihrem Wohnort, unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit, demokratische Teilhabe ermöglicht werden. DIE LINKE fordert zudem Erleichterungen und Beschleunigung von Einbürgerungsverfahren und die Akzeptanz der doppelten Staatsbürgerschaft für Nicht-EU-Ausländer.
  • Wir fordern gleichberechtigten Zugang zur Arbeit und zu arbeitsrechtlichen Standards. Der Zugang zur Arbeit ist ein wichtiger Grundstein für Integration.
  • Wo immer es möglich ist, wenden wir uns gegen eine Unterbringung gegen den Willen der betroffenen Personen. Stattdessen versucht DIE LINKE, ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen, die hier leben oder leben möchten, zu ermöglichen. Die dafür notwendigen Gesetzesänderungen werden wir auf allen parlamentarischen Ebenen anstreben oder Bestrebungen in diese Richtung befördern.
  • Frauenrechte sind Menschenrechte. Es gibt geschlechtsspezifische Fluchtgründe wie Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, oder die Bedrohung mit dem Tod wegen Führen eines selbstbestimmt geprägten Lebensstils. Frauenspezifische Fluchtgründe sind ohne Einschränkung als Fluchtgrund anzuerkennen.
  • Die Bundesregierung wird aufgefordert, die von ihr unterzeichnete "Istanbul-Konvention" des Europarats aus 2011 zum Schutz der Frauen vor Gewalt endlich zu ratifizieren, damit u. a. auch die Artikel 59 bis 61 aus dem Kapitel "Migration und Asyl" umgesetzt werden können.
  • Generell sind Maßnahmen zu ergreifen, die auch geflüchteten Frauen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Hierfür sind gezielte, ständige und flächendeckende Programme aufzulegen. Geeignete Frauenorganisationen sind mit einzubeziehen.
  • LSBTTIQ*- Personen werden in vielen Ländern mit dem Tod bedroht, häufig auch in sogenannten sicheren Herkunftsländern. Dieser Fluchtgrund ist ohne Einschränkung anzuerkennen, unabhängig vom Herkunftsland.

4. Europa anders machen: Solidarisch. Demokratisch. Grenzenlos. Antimilitaristisch.

Die aktuelle Situation verdeutlicht noch einmal: Europa wird solidarisch und demokratisch werden – oder es wird nicht sein. Der Bewältigung der sozialen Probleme und dem Umgang mit den Neubürgerinnen und Neubürger Europas kommt deswegen eine entscheidende Rolle zu. Es geht dabei um Schritte hin auf ein Europa, das wieder begeistern kann.

  • In den letzten Monaten erlebten wir jedoch vor allem zwei Dinge: Erstens, das Dublin-II-System ist gescheitert. Zweitens rächt sich nun, dass die EU, allen voran die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel, die Folgen der Krise auf Länder wie Italien, Spanien und Griechenland abgewälzt hat. Wer jahrelang die Entsolidarisierung in Europa vorantreibt, wirkt heute unglaubwürdig, wenn er um eine gemeinsame Lösung bittet.
  • Dennoch brauchen wir sie: eine europaweite, solidarische Lösung für die Aufnahme von Geflüchteten. Statt in Stacheldraht, Mauern und Grenzregime zu investieren, braucht es Investitionen in Schulen, Wohnungen und Krankenhäuser. Dazu schlagen wir eine europäische Anleihe für europaweite Investitionen vor. Zum einen, um die menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten zu gewährleisten. Zum anderen für Investitionen in eine soziale und öffentliche Infrastruktur für alle. Refinanziert werden sollen die Anleihen durch eine europäische Vermögensabgabe.
  • Ein demokratisches Europa braucht eine soziale Grundlage, d.h. den Anspruch auf eine soziale Mindestsicherung am Wohnort, unabhängig von Erwerbsbiographie, Herkunft oder Nationalität in ganz Europa.
  • Nicht zuletzt braucht es ein einheitliches europäisches Asylrecht. Dazu gehört das Recht auf die freie Wahl des Aufenthaltsortes.

Diese vier Punkte – Kampf gegen Armut und für gute Arbeit, Offensive für das Öffentliche, Solidarität mit den Geflüchteten, Europa anders machen –, das sind unsere sozialen Leitplanken – eine Orientierung, dafür, dass wir Kurs halten hin auf eine echte Demokratie, einen demokratischen Sozialismus, auf ein lebenswertes und liebenswertes Land für alle.