Zum Hauptinhalt springen
BA Beschluss 2021/015 G.08

Resolution: Schluss mit dem mörderischem US-Autoritarismus und Solidarität mit #BLM

Beschluss des Bundesausschusses vom 7. Mai 2021

Nach den brutalen Morden an George Floyd, Breonna Taylor und Tony McDade durch Polizisten kam es in den Vereinigten Staaten in unzähligen Städten in fast jedem Bundesstaat zu massiven und immer noch anhaltenden Protesten gegen die rassistische und leider noch immer alltägliche Polizeigewalt gegen BIPoCs. Wenige Wochen darauf wurde dem Afroamerikaner Jacob Blake von Polizisten Sieben mal in den Rücken geschossen, was die ohnehin angespannte Situation noch weiter zuspitzte. Während wir die Proteste in voller Solidarität mit den Demonstrierenden beobachteten, wuchs stetig die Sorge um die Situation der Menschenrechte und der demokratischen Verfassung der USA, was uns letztlich dazu bewogen hat, dieser Sorge und der damit einhergehenden Wut mit der folgenden Resolution Ausdruck zu verleihen. Wir bekunden unsere volle Solidarität mit den Demonstrierenden, die sich seit mittlerweile mehr als zwei Monaten täglich gegen Rassismus und Polizeigewalt und für eine offene und freie Gesellschaft einsetzen. Die Morde an George Floyd und Breonna Taylor sind nur der tragische Höhepunkt einer langen, nicht abreißenden Reihe an rassistisch motivierten Gewalttaten. Menschen, die nicht dem rassistischen Ideal der weißen, heteronormativen Mehrheitsgesellschaft entsprechen, werden seit jeher unterdrückt, ausgebeutet und angegriffen. Der alltägliche Rassismus in den USA hat viele Gesichter. Am deutlichsten und hässlichsten zeigt er sich in den Morden an Schwarzen, aber diese sind nur die Spitze des Eisbergs, nur die Folge tiefer sitzender Strukturen, auf denen die US-amerikanische Gesellschaft aufgebaut ist. Die heutigen Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse, unter denen vor allem die Schwarze Bevölkerung zu leiden hat, stehen in direkter Tradition der Sklaverei. Deutlicher als je zuvor treten diese Verhältnisse in der Corona-Pandemie, mit den massiven ökonomischen Verwerfungen die sie mit sich brachte, zu Tage. Davon besonders schwer betroffen ist die Schwarze Bevölkerung. Diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen, ist das Hauptanliegen der Black-Lives-Matter-Bewegung und als Linke sehen wir es deshalb als unabdingbar an, den Protest in den USA zu unterstützen und unsere volle Solidarität mit den Kämpfenden in Portland, New York, Chicago, Louisville und allen anderen Städten auszudrücken. Weiterhin verurteilen wir das Vorgehen der Polizei und des US-amerikanischen Regimes unter Präsident Donald Trump. Die Proteste sahen sich bereits nach kürzester Zeit brutalster Repressionen seitens der Polizei ausgesetzt - statt deeskalativ zu wirken, beschleunigten die Behörden also die Spirale der Eskalation, sodass es zu teils schweren Ausschreitungen kam. Diese Eskalationsstrategie der befehlshabenden Polizisten jedoch, befeuerte die Proteste nur weiter. Der Einsatz von Tränengas, Pfefferspray, Schlagstöcken und sogenannter "less-lethal-Munition", also "weniger tödlicher Munition", gegen Bürger, die von ihrem Recht auf Protest Gebrauch machen, um friedlich gegen polizeiliche Gewalt und Willkür zu demonstrieren, ist nicht nur vollkommen absurd, sondern vor allem auch absolut unverhältnismäßig und mit nichts zu rechtfertigen. Die Demonstrierenden sehen sich derzeit einer hochmilitarisierten Schlägertruppe in Uniform gegenüber, weshalb wir die Forderung der BLM-Bewegung nach einer Abrüstung der Polizei unterstützen. Weitaus schwerwiegender und beunruhigender ist allerdings das Verhalten des US-Präsidenten Donald Trump. Die Regentschaft Trumps hat der militanten Rechten in den USA großen Zulauf und unerwarteten Einfluss verschafft. Immer stärker rücken schwerbewaffnete Milizen in den Fokus der Berichterstattung, die sich klar zu Trump bekennen und die offen rassistisch, faschistisch, antifeministisch und gewalttätig auftreten. Dies führte mittlerweile zu ersten Todesopfern. Bei den Protesten in Kenosha, die nach den Schüssen auf Jacob Blake aufgekommen waren, wurden zwei Demonstranten von einem jugendlichen Milizionär und begeisterten Anhänger Donald Trumps erschossen, eine weitere Person wurde von ihm verwundet. Der US-Präsident kokettiert mit diesen Milizen und befeuert ihre menschenverachtende Ideologie mit jedem seiner Tweets. Was er damit macht, ist die Situation zu eskalieren, statt sie zu beruhigen und zu schlichten. Damit forciert er einen Bürgerkrieg, oder jedenfalls gewaltsame Auseinandersetzungen, die sich rechte Gruppierungen, wie z.B. die "Boogaloo Bois" herbeisehnen. Ein anderes, sehr zentrales Problem ist die Entsendung von Bundesbeamten verschiedener US-Behörden, um die Proteste in verschiedenen, insbesondere von Demokraten regierten Städten, gewaltsam niederzuschlagen. Diese Einsatztruppe gleicht in ihrem Aufbau und in ihrem Auftreten einer Art Geheimpolizei. Vorgeblich eingesetzt um Gebäude zu schützen, die im Besitz des Federal Government sind, scheint ihre Hauptaufgabe darin zu bestehen, in unmarkierten, nicht identifizierbaren Vans durch die Straßen zu fahren und mutmaßliche Demonstranten zu verschleppen oder die friedlichen Proteste mit Tränengas oder ähnlichen Mitteln zur "Aufstandsbekämpfung" anzugreifen. Die Aufstellung dieser Einheiten wird besonders bedrückend im Hinblick auf die Wahlen, die im November stattfinden sollen, insbesondere weil Präsident Trump mehrfach angedeutet hat, ein Ergebnis, das nicht zu seinen Gunsten ausfällt, möglicherweise nicht anzuerkennen. Die Existenz einer geheimen, unidentifizierbaren Polizeieinheit, die scheinbar willkürlich Passanten von der Straße verschleppt und friedliche Proteste mit zunhemend roherer Gewalt angreift, ist ein unhaltbarer Zustand für eine Demokratie. Wie schon in Abu-Ghraib und Guantanamo Bay, mit dem Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko und den Internierungslagern für Geflüchtete aus Lateinamerika, zeigt das US-Amerikanische Regime unter Präsident Donald Trump nun erneut, dass Menschenrechte und Demokratie nicht ihre obersten Handlungsmaximen darstellen. Unter den gegebenen Umständen fordern wir die Bundesregierung auf, unverzüglich alle Exporte von Waffen und anderem Kriegsgerät in die USA zu unterbinden um die massiven Menschenrechtsverletzungen nicht noch weiter zu unterstützen. Struktureller Rassismus und rassistisch motivierte Polizeigewalt sind jedoch kein ausschließlich US-amerikanisches Problem. Auch in Deutschland kommt es immer wieder zu derartigem Verhalten seitens Polizisten, das, wie zur Verhöhnung der Betroffenen, immer wieder als "bedauerlicher Einzelfall" abgetan wird. Racial Profiling, also das gezielte kontrollieren und damit kriminalisieren von migrantisch gelesenen Personen, ist bei der deutschen Polizei gängige Praxis, auch wenn Bundesinnenminister Seehofer gerne etwas anderes behauptet. Mit Blick auf das Vorgehen der Polizei in Stuttgart, die erst kürzlich eine "Stammbaumrecherche" durchführen wollte und den nicht allzu fernen Ereignissen am Frankfurter Opernplatz bei denen als migrantisch gelesene Jugendliche unter fadenscheinigen Begründungen von brachial ausgerüsteten Polizisten kontrolliert wurden, ist die Absage einer Studie zur Praxis des Racial Profiling nicht hinnehmbar. Dabei ist Racial Profiling nur der sichtbare Teil eines viel tieferen Problems. Rechte Netzwerke in Behörden, Polizei, Bundeswehr und anderen "Un"-Sicherheitsbehörden sind mitverantwortlich. Der NSU ist noch immer nicht aufgeklärt. Stattdessen gehen Morddrohungen vom NSU 2.0 aus, der tief in der Polizei verwurzelt zu sein scheint. Wir fordern sofortige Aufklärung! Die Öffnung der NSU Akten ist längst überfällig. Auch der tragische Tod von Oury Jalloh muss endlich aufgeklärt werden. Rassismus ist mehr als nur ein bestimmtes Ungleichheits- und Ausbeutungsverhältnis, sondern hat als Ideologie eine Eigendynamik entwickelt, die nicht nur am rechten Rand auffindbar ist, sondern tief in der "Mitte" der deutschen Gesellschaft verwurzelt ist. Dies zeigte sich nicht zuletzt dadurch, dass all die genannten, ans Licht getretenen Skandale sowie rechtsterroristische Anschläge wie in Hanau und Halle nicht zu einem Aufschrei in der Gesamtbevölkerung geführt haben. Bei der extremen Rechten drückt sich die rassistische Ideologie in Form von physischen Gewaltakten gegen BIPoCs und migrantisch gelesenen Personen aus. In der gesellschaftlichen "Mitte" zeigt sie sich durch sogenannte Mikroaggressionen gegen diese Personen sowie den Privilegien, die Weiße ihnen gegenüber haben, ohne sich ihrer überhaupt bewusst zu sein. Auch linke Strukturen sind, trotz aller Progressivität, vor internalisierten Rassismen nicht gefeit und es muss ein stetiger Reflexionsprozess darüber stattfinden. Eine antirassistische Praxis ist unerlässlich um die, auch international, auftretenden Machtungleichgewichte aus rassistischen Motiven zu bekämpfen. Wir unterstützen deshalb auch die Forderungen von #BLM in Deutschland, damit BIPoCs und andere, von Rassismus betroffene Personen ein angstfreies und gleichberechtigtes Leben führen können, ohne Diskriminierungen ausgesetzt zu sein. Es braucht antirassistische linke Politik die konkret wird und sich nicht in Lippenbekenntnissen verliert. Dazu gehören die Schaffung von safe spaces für von Rassismus Betroffene sowie die Schaffung von Strukturen, die diesen Personen die politische Teilhabe ermöglichen, damit sie den Kampf gegen Rassismus mitgestalten können. Zudem eine radikale Änderung der unmenschlichen europäischen Grenzpolitik sowie des Bleiberechts. Zentral ist auch die Aufarbeitung, Aufklärung und Beseitigung rassistischer Strukturen in staatlichen Institutionen sowie nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit der (deutschen) postkolonialen Verantwortung. Deshalb fordern wir konkret: - Eine öffentliche Unterstützung der Forderungen der #BLM-Bewegung und eine unmittelbare Unterstützung der lokalen Bewegungen, so es vor Ort möglich ist - Möglichkeit für Safe Spaces für Menschen mit Rassismuserfahrung auf Bundesparteitagen und ähnlichen bundesweiten Veranstaltungen (vergleichbar mit Geschlechterplena) - Eine Antirassismus-Kommission, die langfristig arbeitet und die Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Rassismuserfahrungen in unserer Partei untersucht, sie zu verbessern versucht und eine beratende Funktion im Parteivorstand innehat - Angebote des Bereichs Politische Bildung zur Aufarbeitung der (deutschen) postkolonialen Verantwortung und zu rassistischen Strukturen allgemein Um Rassismus nachhaltig zu bekämpfen brauchen wir außerdem tiefgreifende Veränderungen im Wirtschaftssystem, um Ausbeutung, Kolonialismus und Krieg zu verhindern und